Das Modejahr 1954 Mode – Wunder über Wunder
Was immer sich auf dem Modemarkt
veränderte, es wurde im Sommer zur Nebensache. Das
Jahr 1954 blieb den meisten Menschen in Erinnerung
als das Jahr des Wunders von Bern. Der Sieg der
deutschen Nationalelf gegen Ungarn, der den
Fußball-Weltmeisterschaftstitel brachte, war in
aller Munde.
Dabei hatte das Jahr modisch ja auch schon mit einem
interessanten Ereignis begonnen. Die Pariser Adresse
„61, Rue Cambon“ wurde Anfang Februar neu belebt
durch die Wiedereröffnung des Salons der 71-jährigen
Mode-Ikone Coco Chanel. Die damit verbundene, neue
Kollektion sorgte für widersprüchliche Meinungen.
Obwohl die Fachwelt nicht begeistert war und es
vernichtende Kritiken
hagelte, zeigten sich die
Konsumentinnen doch sehr angetan von Chanels
Modellen, deren Zeitlosigkeit und hohen Tragekomfort
sie zu schätzen wussten. Die Kreationen, besonders
die der Herbst-Kollektion, wurden nachgeahmt, was
durchaus im Sinne der Erfinderin war. Ihre Kostüme
zeichneten sich durch gerade geschnittene Röcke oder
auch durch die leicht ausgestellten Vierbahnen-Röcke
aus. Die hüftlange Chanel-Kostüm-Jacke war kragenlos,
hatte die typisch bordierten Kanten, gerade
eingesetzte Ärmel und ein oder zwei unauffällige
Taschen. Kleinigkeiten änderte Coco Chanel hin und
wieder, aber der Grundschnitt ihres Kostüms änderte
sich kaum. Was die Fachwelt im Frühjahr noch
verrissen hatte, erlangte spätestens im Herbst
Weltruhm und wurde ein Dauerbrenner.
Zu den Linien, die Dior in alljährlicher Folge auf
den Markt brachte, gehörte im Herbst seine H-Linie.
Taillenverlängerung, hoch gepresstes Brustbild und
unbetonte Hüften waren charakteristisch für die
Linie, mit der Dior gegen die enge Taille anging.
Die Kritik sprach von einer Bohnenstangen-Optik,
doch die Frauen waren willens, dem Trend zu folgen.
Es ging mühsam, aber Dior war Dior. Frau fand sich
schick und schließlich gab es andere Linien zur
Auswahl. Da war die enge Linie, die noch immer
aktuell war und bei der der Rock den markanten
Dior-Schlitz hatte. Dieser Gehschlitz war ein
modischer Geniestreich, denn da, wo der enge Rock
das Laufen behinderte, hatte Dior einen mit einem
Stück Stoff unterlegten Schnitt gemacht, der
genügend Bewegungsfreiheit ermöglichte. Die Mädchen
und jungen Frauen bevorzugten Röcke, unter denen ein
Petticoat getragen werden konnte. Die Kleider hatten
einen so
breiten Kragen, dass davon das Dekolleté
und die Schultern umfasst waren. Das dekolletierte
Kleid wurde mit einem Bolero getragen.
Paris bekam zunehmend Konkurrenz aus Italien. Emilio
Pucci war u.a. durch seine Sport-Bekleidung von 1950
im Gespräch und der deutschstämmige Emilio Schuberth
hatte in diesem Jahrzehnt seine größten
Haute-Couture-Erfolge. In der Herrenmode kamen
elegante Modetrends aus Großbritannien, denen die
Italiener ernsthaft Konkurrenz machten. Während die
Briten auf Tradition beharrten, mit Hut, Schirm und
Krawattennadel ihre Eleganz vertraten, setzten die
italienische Haute Couture auf Figurbetonung. Das
Interesse an der Herrenmode seitens der Textil- und
Modeindustrie war unübersehbar. In Köln öffnete
unter dem Motto „Adams neue Kleider“ erstmals eine
Messe ihre Pforten, die der Herrenbekleidung
gewidmet war. Beteiligt waren 373 Aussteller. Doch
noch sah man den etablierten Mann im Anzug, darüber
wurde ein eleganter Chesterfield getragen. Dieser
Mantel aus leichtem Wollstoff hatte eine verdeckte
Knopfleiste, war einreihig und war mit einem
Oberkragen mit oder ohne Samt verziert. Typisch
waren die Klapptaschen. Zu diesem unauffälligen,
sehr seriösen Mantel gehörte ein Hut, der Hamburger.
Die Freizeitmode der jüngeren Männer sah schon etwas
anders aus. Da waren die Vorbilder aus Amerika
ausschlaggebend und nicht zuletzt die Musik, die
spätestens nach Bill Haleys „Rock Around The Clock“,
das er in diesem Jahr aufgenommen hatte, geradezu
nach anderer Kleidung verlangte. Immerhin musste man
sich gegen Heile-Welt-Schlager abheben, die die
Älteren liebten.
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