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Das
Modejahr 1929 Mode – Das Ende der „Goldenen
Zwanziger“
Alle Anzeichen, die auf eine gefährliche,
antidemokratische Entwicklung deuteten, gingen im
Glamour grenzenloser Vergnügungssucht unter. Der
goldene Glanz mehrerer Jahre war matt geworden,
blendete aber immer noch. Die Begeisterung für
Sport- und Tanzveranstaltungen war unverändert. Nur
die Kunstszene, in der man die Realität aufmerksamer
wahrnahm und sie widerspiegelte, war unverfälscht
und innovativ. Hier wurde nichts verdrängt, im
Gegenteil.
Dessen ungeachtet nahmen die Menschen die Neuerungen
in der Mode deutlich wahr. Die waren sichtbar
und harmlos. Das Hängerkleid verschwand zusehends
aus dem Straßenbild. An seiner Stelle schmiegte sich
das sogenannte Prinzesskleid um die Taille und um
die Hüften. Es war sehr viel Bewegung in die Röcke
gekommen. Die französische Modeschöpferin Madeleine
Vionnet hatte bereits einige Jahre zuvor begonnen,
den Schrägschnitt zu perfektionieren. Sie sorgte
damit für Beschwingtheit in der Damen-Bekleidung.
Außerdem trugen die Frauen nun eine Garderobe, bei
der die Taille wieder dort angekommen war, wo sie
hingehörte. Die Tageskleider wurden länger. Die
kürzere Kleidung war nur noch beim sportlichen Dress
en vogue.
Es waren praktische Erwägungen, die dafür sorgten,
dass Kleidungsstücke immer öfter miteinander
kombiniert wurden. Der Bolero kam auf, mit dem sich
ein Kleid oder ein Ensemble aus Bluse und Rock
schnell verändern ließ. So wurde auch der Kasack,
eine Überzieh-Bluse, die die Länge eines kurzen
Kleidchens hatte, immer mehr in die Garderobe
aufgenommen. Seit 1922 war der Kasack vereinzelt zu
sehen. Nun war er umso mehr gefragt, weil er sich
ausgezeichnet eignete, um Kleidung ohne Aufwand zu
variieren.
So oft, wie es den Damen in den Jahren zuvor möglich
war, sich mehrmals am Tage umzukleiden, war
genau
das aus Zeitmangel nicht mehr von Interesse. Der
Trend ging weg vom Nachmittagskleid. Bald gab es für
die Mehrheit der weiblichen Bevölkerung nur noch das
Tages- und das Abendkleid. Tagsüber waren es schräge
Ziernähte oder auch Dreiecke, die eingesetzt waren
und das Modebild veränderten. Besonders die Godets,
die sogenannten Glockenfalten, waren beliebt. Sie
gaben dem Rock oder dem Kleid den unverwechselbaren
Schwung. Diese keilförmig eingearbeiteten Stoffteile
veränderten die Optik und verliehen ihr Weichheit.
Doch die Varianten schmückender Umgestaltung der
Garderobe waren immer noch schlicht. Die
fantasiereiche Üppigkeit fand sich ausschließlich in
der Abendkleidung wieder. Aber auch hier waren es
nicht mehr nur Strass und Pailletten, die ihre
Wirkung entfalteten. Es war vor allem die
Raffinesse, die in den Kleinigkeiten der Schnittform
lag. Der Figurbetonung von Taille und Hüfte stand
der Rock mit Volants oder Godets entgegen. Es bot
sich eine sehr feminine Silhouette. Der tiefe
Rückenausschnitt wurde von einem ausladenden Kragen
unterstrichen. Reichte der vordere Saum nur bis zur
Wade, dann kontrastierte die hintere Verlängerung
zur Schleppe das Bild. Mondän und elegant.
Der Topf-Hut war nicht mehr angesagt. Frau entdeckte
das Toque-Barett wieder, das es in unterschiedlichen
Formen bereits seit dem Mittelalter gab. Nun trug
man es mit asymmetrischem Schnitt, wobei die längere
Seite wie ein Flügel seitlich überstand.
Baskenmützen wurden bei sportlichen Betätigungen
bevorzugt.
Veränderungen wagte auch die Herrenmode. Hier wurden
die Schultern immer breiter. Bei den Anzügen
machte der Zweireiher das Rennen. In diesem Jahr, in
dem Gustav Stresemann starb, blieb vorerst auch
der
gleichnamige Anzug im Schrank. Die Heiterkeit eines
Karomusters musste den Streifen weichen, die auf
dunklen Blau- oder Brauntönen am beliebtesten waren.
Inzwischen endeten die Hosen am Saum fast alle ohne
Umschlag. Die zweireihigen Anzüge wurden mit Weste
getragen und die Mode empfahl einen Hosengürtel, der
aber nicht immer eine gute Figur machte. In der
männlichen Abendgarderobe waren der Frack oder der
Smoking unverändert die angesagte, korrekte
Bekleidung. Lässig und hauptsächlich in
beige-braunem Ton; das war der Mantel der Saison:
der Polo-Coat. Er ähnelte einem Paletot oder Ulster
und verlieh dem Mann Eleganz. Dieser Mantel mit
eingesetzten Ärmeln wurde mit Gürtel getragen. Er
war ein klassisches Kleidungsstück, das in diesem
Stil aus England kam, seine Ursprünge aber in
Amerika hatte. Wie der Anzug, so war auch er ein
Zweireiher. Ein weicher Hut dazu machte den
Gentlemen vollkommen. In der kalten Jahreszeit
konnte das Mantelfutter eingeknöpft werden. Eine
praktische Neuheit.
Die Mode hatte sich bewegt, die New Yorker Börse
gleichfalls. Das Jahr ging im Oktober, am „Schwarzen
Freitag“, mit dem die Weltwirtschaftskrise begann
und die „Goldenen Zwanziger“ endeten, in die
Geschichte ein. Gut, dass Franz Léhar mit der
Operette „Land des Lächelns“ einen Bühnenerfolg
verzeichnen konnte – schade nur, dass Deutschland
nicht mehr lachen konnte.
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