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Filmchronik 1925 - Sergej Eisenstein und „Panzerkreuzer Patomkin“

Für viele Cineasten ist ein am 21. Dezember 1925 im Moskauer Bolschoi-Theater uraufgeführter Stummfilm der beste Film aller Zeiten: Regisseur Sergei Eisenstein wurde mit dem an diesem Tag der Weltöffentlichkeit präsentierten sowjetrussischen Opus „Bronenossez Potjomkin“ („Panzerkreuzer Potemkim“) unsterblich. In packenden Bildern und eindrucksvollen Montagen voller Dynamik schilderte Eisenstein eine Episode aus der Revolutionszeit von 1905. Dabei orientierte er sich recht frei an der historischen Wahrheit. 1905 hatte die Besatzung des im Schwarzen Meer unter zaristischer Flagge dampfenden Linienschiffs „Kniaz Potemkim Tavricheski“ wegen von Maden befallener Mannschaftskost aufbegehrt und im Laufe des sich unter der Führung sozialistischer Matrosen rasch zu revolutionären Meuterei entwickelnden Protestes einige Offiziere getötet. Die Matrosen des ab dann unter roter Fahne fahrenden Schiffs scheiterten mit ihrem Plan, auch den Rest der russischen Schwarzmeerflotte zur Revolte zu bewegen und suchten schließlich in Rumänien um Asyl nach. Eisenstein dramatisierte die maritime Revolte zu ganz großem Agitprop-Kino. Legendär und oft zitiert wurde die Treppenszene, bei der am Hafen von Odessa vor robotergleich vormarschierenden Reihen zaristischer Kosaken vergeblich fliehende Proletarier gemetzelt werden. In Deutschland, wo sieben Jahre vor 1925 eine Matrosenrevolte als Initialzündung den Sturz des Kaiserreiches („Novemberrevolution 1918") ausgelöst hatte, durfte der Film nur unter Schnittauflagen gezeigt werden. Reichswehrsoldaten war der Besuch des die Spannungen zwischen den radikalen Rechten und Linken anheizenden Streifens strengstens untersagt. In vielen anderen Staaten galten ähnliche Verbote für Militärpersonen.
Unbedenklich komisch und weder politisch polarisierend noch von misstrauischen Zensoren verstümmelt machte ein anderer Film-Hit 1925 Furore. In einem seiner besten Filme glänzte „Tramp“ Charles „Charlie“ Chaplin in der Western-Parodie „The Gold Rush“ („Goldrausch“). Chaplin war auch Regisseur und Produzent. Unvergesslich die Szene, in der der bei der Suche nach dem Glück am Hungertuch nagende Goldsucher Chaplin manierlich seinen Stiefel verspeist. Die Produktionskosten des Films waren mit einer Million US-Dollar immens hoch, wurden aber von den Einnahmen um ein Vielfaches übertroffen. Ein anderer US-Kassenschlager des Jahres war der Monumental-Film „Ben Hur“. Der Sandalenfilm-Klassiker (5 Millionen US-Dollar Produktionskosten) mit biblischem Einschlag wurde in der Nähe von Rom gedreht und machte den Mexikaner Ramon Novarro, der die Titelrolle des „Judah Ben Hur“ spielte, zum ersten Hollywood-Superstar mit Latino-Hintergrund. Bei den Dreharbeiten zu dem Großfilm, der teilweise in Technicolor gedreht wurde, kamen unzählige Pferde bei den Rennen-Szenen ums Leben. Neben dem Wagenrennen gehörte auch eine Seeschlacht zu den Höhepunkten des statistenreichen Ausstattungsfilms.
Weit weniger üppig ausgestattet, aber nichtsdestotrotz mindesten genauso beeindruckend war das deutsche, unter der Regie von Georg Wilhelm Pabst gedrehte Melodram „Die freudlose Gasse“. Bis auf das auf Druck der Produzenten eingebaute unglaubhafte Happy End stellte der Film ungeschminkt die 1925 kaum überwundene, jüngste Vergangenheit der desaströsen Inflationszeit dar. Am Beispiel des Überlebenskampfes von Bewohnern einer einst gutsituierten, jetzt schlagartig vom Prekariat und Spekulanten dominierten Wiener Nebenstraße wurden erschütternde Schicksale gezeigt. Zum Erfolg des Films trug auch maßgeblich das Zusammenspiel der drei Ausnahmenschauspielerinnen Asta Nielsen, Valeska Gert und Greta Garbo (in ihrem einzigen deutschen Film) bei.

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