1920
1921
1922
1923
1924
1925
1926
1927
1928
1929
Filmchronik 1925 - Sergej Eisenstein und „Panzerkreuzer Patomkin“
Für viele Cineasten ist ein am 21. Dezember 1925 im
Moskauer Bolschoi-Theater uraufgeführter Stummfilm
der beste Film aller Zeiten: Regisseur Sergei
Eisenstein wurde mit dem an diesem Tag der
Weltöffentlichkeit präsentierten sowjetrussischen
Opus „Bronenossez Potjomkin“ („Panzerkreuzer
Potemkim“) unsterblich. In packenden Bildern und
eindrucksvollen Montagen voller Dynamik schilderte
Eisenstein eine Episode aus der Revolutionszeit von
1905. Dabei orientierte er sich recht frei an der
historischen Wahrheit. 1905 hatte die Besatzung des
im Schwarzen Meer unter zaristischer Flagge
dampfenden Linienschiffs „Kniaz Potemkim Tavricheski“
wegen von Maden befallener Mannschaftskost
aufbegehrt und im Laufe des sich unter der Führung
sozialistischer Matrosen rasch zu revolutionären
Meuterei entwickelnden Protestes einige Offiziere
getötet. Die Matrosen des ab dann unter roter Fahne
fahrenden Schiffs scheiterten mit ihrem Plan, auch
den Rest der russischen Schwarzmeerflotte zur
Revolte zu bewegen und suchten schließlich in
Rumänien um Asyl nach. Eisenstein dramatisierte die
maritime Revolte zu ganz großem Agitprop-Kino.
Legendär und oft zitiert wurde die Treppenszene, bei
der am Hafen von Odessa vor robotergleich
vormarschierenden Reihen zaristischer Kosaken
vergeblich fliehende Proletarier gemetzelt werden.
In Deutschland, wo sieben Jahre vor 1925 eine
Matrosenrevolte als Initialzündung den Sturz des
Kaiserreiches („Novemberrevolution 1918") ausgelöst
hatte, durfte der Film nur unter Schnittauflagen
gezeigt werden. Reichswehrsoldaten war der Besuch
des die Spannungen zwischen den radikalen Rechten
und Linken anheizenden Streifens strengstens
untersagt. In vielen anderen Staaten galten ähnliche
Verbote für Militärpersonen.
Unbedenklich komisch und weder politisch
polarisierend noch von misstrauischen Zensoren
verstümmelt machte ein anderer Film-Hit 1925 Furore.
In einem seiner besten Filme glänzte „Tramp“ Charles
„Charlie“ Chaplin in der Western-Parodie „The Gold
Rush“ („Goldrausch“). Chaplin war auch Regisseur und
Produzent. Unvergesslich die Szene, in der der bei
der Suche nach dem Glück am Hungertuch nagende
Goldsucher Chaplin manierlich seinen Stiefel
verspeist. Die Produktionskosten des Films waren
mit
einer Million US-Dollar immens hoch, wurden aber von
den Einnahmen um ein Vielfaches übertroffen. Ein
anderer US-Kassenschlager des Jahres war der
Monumental-Film „Ben Hur“. Der
Sandalenfilm-Klassiker (5 Millionen US-Dollar
Produktionskosten) mit biblischem Einschlag wurde in
der Nähe von Rom gedreht und machte den Mexikaner
Ramon Novarro, der die Titelrolle des „Judah Ben
Hur“ spielte, zum ersten Hollywood-Superstar mit
Latino-Hintergrund. Bei den Dreharbeiten zu dem
Großfilm, der teilweise in Technicolor gedreht
wurde, kamen unzählige Pferde bei den Rennen-Szenen
ums Leben. Neben dem Wagenrennen gehörte auch eine
Seeschlacht zu den Höhepunkten des statistenreichen
Ausstattungsfilms.
Weit weniger üppig ausgestattet, aber
nichtsdestotrotz mindesten genauso beeindruckend war
das deutsche, unter der Regie von Georg Wilhelm
Pabst gedrehte Melodram „Die freudlose Gasse“. Bis
auf das auf Druck der Produzenten eingebaute
unglaubhafte Happy End stellte der Film ungeschminkt
die 1925 kaum überwundene, jüngste Vergangenheit der
desaströsen Inflationszeit dar. Am Beispiel des
Überlebenskampfes von Bewohnern einer einst
gutsituierten, jetzt schlagartig vom Prekariat und
Spekulanten dominierten Wiener Nebenstraße wurden
erschütternde Schicksale gezeigt. Zum Erfolg des
Films trug auch maßgeblich das Zusammenspiel der
drei Ausnahmenschauspielerinnen Asta Nielsen,
Valeska Gert und Greta Garbo (in ihrem einzigen
deutschen Film) bei.
<< Kinojahr 1924
|
Kinojahr
1926 >>