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Politik 1880-1889 – Bismarcks aufstrebendes
Deutsches Reich
Die Weltpolitik der 1880er Jahre wurde im
Wesentlichen von den europäischen Großmächten
bestimmt. Die in den Jahrzehnten nach dem
Amerikanischen Bürgerkrieg, dem von Korruption und
hemmungslosen Profitstreben bestimmten „Gilded Age“
(„Vergoldetes Zeitalter“), demographisch und
ökonomisch Weltstandard erlangenden USA betonten
zwar ihre Stellung als Hegemonialmacht auf dem
amerikanischen Kontinent, traten aber ansonsten
international nur wenig in Erscheinung.
Großbritannien stand auf dem Gipfel seiner Macht und
galt als die Supermacht der 1880er Jahre. Das durch
die Niederlage gegen Deutschland 1870/71
angeschlagene Frankreich musste sich dagegen
erheblich anstrengen, um seinen Großmachtstatus zu
verteidigen.
Das Deutsche Reich, das seit 1871 in den Kreis der
Großmächte aufgestiegene preußisch-deutsche
Kaiserreich Wilhelms I., akzeptierte (noch)
ausdrücklich die vor allem maritim bezogene
Vormachtstellung der Briten. Unter der Führung von
Reichskanzler Otto von Bismarck suchte das
selbstbewusst auftretende Deutsche Reich mit Erfolg
seinen Platz im Konzert der tonangebenden Nationen.
Ohne die Fehler der außenpolitischen Überschätzung,
wie sie später seit Beginn der 1890er Jahre unter
Wilhelm II. regelmäßig aufgetreten waren, zu
begehen, schaffte es Bismarck in von der
Öffentlichkeit aufmerksam beobachteten Konferenzen
und mit Hilfe von Geheimabkommen ein kunstvolles
Vertrags- und Bündnissystem zu schaffen. Vor allem
durch die Schaffung des Dreibundes mit
Österreich-Ungarn und Italien (1882) sowie mit dem
die Neutralität Russlands im Konfliktfall
sicherstellenden Rückversicherungsvertrag mit dem
Zarenreich (1887) isolierte Bismarck das als
„Erzfeind“ wahrgenommene Frankreich. Im Ergebnis
garantierte das ausgeglichene Bismarck-System dem
Kontinent eine gesicherte Friedens-Phase. Lediglich
auf dem Balkan kam es in diesem Jahrzehnt zu einem
Krieg: Serbisch-Bulgarischer Krieg (1885/86).
Bismarck sah das Reich als „saturiert“ an und hielt
territoriale Forderungen nicht nur für unbegründet,
sondern auch für hochgefährlich. Nur unwillig gab
Bismarck dem allgemeinen Trend nach und stimmte dem
„Erwerb“ von Kolonien zu.
Binnen weniger Jahre entstand in den 1880er Jahren
ein flächenmäßig ebenso eindrucksvolles wie
wirtschaftlich unbedeutendes deutsches
Kolonialreich. Vor allem in Afrika wurden mit
fragwürdigen Methoden euphemistisch „Schutzgebiete“
genannte Kolonien errichtet: Deutsch-Südwestafrika
(heute: Namibia), Deutsch-Ostafrika (Tansania,
Ruanda, Burundi), Kamerun und Togo. In der Südsee
kamen zahlreiche Inselgruppen wie Nauru und die
Marshall-Inseln sowie ein Teil von Neu-Guinea hinzu.
War Bismarck außenpolitisch auch erfolgreich, so war
seine Innenpolitik von der Grundausrichtung seines
preußischen Junkertums geprägt. Mit den auf seine
Initiative hin durchgesetzten und regelmäßig
erneuerten „Sozialistengesetzen“ (1878-1890) wollte
er die gegen die konservative Gesellschaftsordnung
opponierende Sozialdemokratie zerschlagen.
Tatsächlich führten die Sozialistengesetze aber zu
einer Politisierung der Arbeiterschaft und zu einer
dauerhaften Entfremdung der bürgerlichen und
proletarischen Schichten im Reich. Daran änderte
auch die im Weltvergleich Maßstäbe setzende
Sozialgesetzgebung (Einführung der
Krankenversicherung (1883), Unfallversicherung
(1884) sowie Alters- und Invalidenrente (1889) für
bestimmte Arbeitnehmergruppen) kaum etwas. Im
„Dreikaiserjahr“ 1888 starben Wilhelm I. und sein
ihm nur für 99 Tage auf dem Thron folgender Sohn
Friedrich III.. Mit der Thronbesteigung von
Friedrichs Sohn Wilhelm II. wurde das Ende der eher
nüchternen Bismarck-Zeit und der Beginn des zum
Bombast neigenden „Wilhelminischen Zeitalters“
eingeläutet.
Auch in anderen Ländern verschärfte die
fortschreitende Industrialisierung die sozialen
Probleme. Arbeitskämpfe wurden häufig mit
staatlichen Machtmitteln unterdrückt. In vielen
Ländern wurden marxistisch ausgerichtete
Arbeiterorganisationen gegründet (1889: Gründung der
„II. Internationalen“ in Paris). Besonders drückend
gestaltete sich die innenpolitische Situation im
zaristischen Russland, wo nach der Ermordung des
vergleichsweise liberalen Zaren Alexander II. der
reaktionäre Alexander III. ein Unterdrückungsregime
führte.
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