Chronik 1830 - Kurzes Pontifikat, Julirevolution und
Delacroix’ berühmtes Gemälde
Gerade erst hatte Papst Pius VIII. (1761-1830) im
Vorjahr den Papstthron bestiegen, da war es mit ihm
auch schon zu Ende. Sein Gesundheitszustand, der
schon bei der Wahl zum Kirchenoberhaupt sehr
schlecht gewesen war, hatte sich nicht gebessert. Er
starb am 30. November 1830. Trotz der kurzen
Amtszeit gilt er als einer der modernsten Päpste des
19. Jahrhunderts. Ausgeglichenheit und gute
diplomatische Fähigkeiten hatten sein Wirken
ausgezeichnet und zudem noch seine politische
Weitsicht, mit der er die Julirevolution von 1930 in
Frankreich akzeptiert hatte. Pius VIII. hatte gegen
den Widerstand der Kurie und der französischen
Legitimisten sein Einverständnis mit der
parlamentarischen Regierungsform unter „Bürgerkönig“
Louis-Philip I. (1773-1850) gezeigt und ihm
zugestanden, den Ehrentitel „Roi Très Chretien“
(„Allerchristlichster König“) zu führen, der
traditionell mit den französischen Königen verbunden
war.
Ein neuer Papst konnte vor Jahresende nicht
gewählt werden. Das Konklave dauerte bis in den
Februar 1831 hinein. In Algerien begann die
Eroberung des Landes durch die französischen
Truppen, die am 14. Juni 1830 landeten und unter dem
Befehl des Comte de Bourmont (1773-1846) standen.
Bourmont richtete seinen Eroberungszug zuerst gegen
Algier. Die französischen Truppen nahmen die Stadt
am 5. Juli ein und gingen dann zur weiteren
Eroberung des Landes über. Ausgelöst worden war
diese Invasion durch die Affäre „Der Schlag mit dem
Fliegenwedel“ im Jahr 1827, einem diplomatischer
Affront. In Frankreich selbst war es auch nicht
friedlich. In Paris hatte am 27. Juli die
Julirevolution begonnen, in der sich das Bürgertum
gegen die reaktionäre Politik Karl X. (1757-1836)
auflehnte und den Monarchen stürzte. Am 9. August
1830 nahm der Herzog von Orléans als Louis-Philippe
I. (1773-1850) die Königkrone von Frankreich an und
nannte sich „König der Franzosen“. Die französische
Julirevolution hatte für andere Länder eine
Vorbild-Funktion. Ihr folgten Aufstände in ganz
Europa und damit riesige Flüchtlingsströme. Auch in
Deutschland kam es zu Aufständen. In Braunschweig
wurde Herzog Karl II. (1804-1873) vertrieben. Der
floh am selben Tag aus der Stadt, konnte sich in
Braunschweig bis zu seinem Lebensende nicht mehr
etablieren, machte sich aber im Exil einen Namen als
Amateurschachspieler. In Berlin brach im September
1830 die Schneiderrevolution aus. Politisch
motivierte Massenversammlungen waren an der
Tagesordnung, die die Forderung nach Freiheit und
Gleichheit untermauerten und die unter
Militäreinsatz blutig niedergeschlagen wurden. Die
Bevölkerung, die zunehmend politisiert wurde, war
damit auch nicht endgültig zur Ruhe gebracht worden.
Die Unruhen gärten weiter. Im belgischen Brüssel
führte ein Aufstand im Oktober dazu, dass sich
Belgien für unabhängig von den Niederlanden
erklärte. Und die Großmächte der „Londoner
Protokolle“ erkannten im Dezember die belgische
Unabhängigkeit an. Sie verlangten allerdings die
strikte Einhaltung der Neutralität des Landes. Dem
Beispiel der französischen Julirevolution folgte
auch Polen. In dessen Hauptstadt Warschau begann der
polnische Novemberaufstand, der sich die russische
Herrschaft richtete. Die russischen Truppen waren
derart überrascht von dem Aufbegehren, dass sie sich
umgehend aus Polen zurückzogen. Ein berühmtes
Zeugnis der Julirevolution schuf der französische
Maler Eugène Delacroix (1798-1863) mit seinem
Gemälde „Die Freiheit führt das Volk“.
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Ereignisse & Schlagzeilen
1830
Im Januar
In Meißen entwickelt Heinrich
Gottlieb Kühn die Glanzvergoldung von Porzellan
Charles Lyell veröffentlicht sein
bahnbrechendes Werk „principles of geology“.
In Gabrow bei Stettin entsteht die
erste deutsche Schiffbauschule. Sie wird 1861 dem
königlichen Gewerbeinstitut in Berlin angegliedert.
20. Januar
Uraufführung der Operette Baron
Luft von Conradin Kreutzer am Theater am Kärntnertor
in Wien
28. Januar
Uraufführung der Oper Fra Diavolo
oder Das Gasthaus von Terracina von
Daniel-François-Esprit Auber am Théâtre Feydeau in
Paris
3. Februar
Großbritannien, Frankreich und
Russland erklären im Londoner Protokoll die Gründung
Griechenlands (Griechischer Unabhängigkeitskrieg)
25. Februar
Nach einer regelrechten Schlacht um
Hernani, dem uraufgeführten Drama Hernani von Victor
Hugo, in der Comédie-Française wird die Französische
Klassik durch die modernere Romantik abgelöst.
11. März
Uraufführung der Oper I Capuleti e
i Montecchi (Romeo und Julia) von Vincenzo Bellini
am Teatro la Fenice in Venedig
6. April
Die Kirche Jesu Christi der
Heiligen der Letzten Tage wird gegründet.
8. April
Mexiko untersagt den USA die
weitere Kolonisation von Texas.
23. April
Uraufführung der Oper Danilowa von
Adolphe Adam an der Opéra-Comique in Paris
Im Mai
Der französische Maler Eugène
Delacroix erstellt das Gemälde Die Freiheit führt
das Volk.
13. Mai
Ecuador wird unabhängige Republik und
löst sich von Großkolumbien.
18. Mai
Der englische Erfinder Edwin Beard
Budding schließt einen Produktionsvertrag für
Rasen-Spindelmäher ab.
27. Mai
Uraufführung der komischen Oper
Attendre et courir von Jacques Fromental Halévy an
der Opéra-Comique in Paris
28. Mai
US-Präsident Jackson unterzeichnet
den Indian Removal Act zur zwangsweisen Umsiedlung
der Indianer Nordamerikas.
Im Juni
Die Schneiderrevolution in Berlin
bricht aus.
14. Juni
Französische Truppen unter dem
Befehl des Comte de Bourmont landen im heutigen
Algerien und beginnen mit der Eroberung des Landes,
die sich zuerst gegen Algier richtet.
26. Juni
Nach dem Tod seines Bruders Georg
IV. wird Wilhelm IV. britischer König und zugleich
König von Hannover.
5. Juli
Frankreich kann mit seinen Truppen
das bekämpfte Algier einnehmen, was den Auftakt zur
weiteren Eroberung Algeriens bildet.
17. Juli
Der Franzose Barthélemy Thimonnier
patentierte die erste
Nähmaschine.
26. Juli
Uraufführung der Oper Les Trois
Cathérine von Adolphe Adam am Théâtre des Nouveautés
in Paris
27. Juli
In Paris beginnt die Julirevolution
des Bürgertums gegen die reaktionäre Politik Karl X.
Ihr folgen Aufstände und Flüchtlingsströme in ganz
Europa.
2. August
Sturz von König Karl X. von
Frankreich
9. August
Der Herzog von Orléans nimmt als
Louis Philippe die ihm angetragene Königskrone von
Frankreich an.
7. September
Bei einem Aufstand in
Braunschweig wird Herzog Karl II. vertrieben und das
erste Braunschweiger Schloss niedergebrannt.
11. September
In Ecuador, das im Mai aus
Großkolumbien ausgeschieden war, wählt das Parlament
Juan José Flores in Riobamba zum ersten Präsidenten
des Landes.
14. September
Venezuela wird selbständig.
4. Oktober
Nach einem von Brüssel ausgehenden
Aufstand erklärt sich Belgien für unabhängig von den
Niederlanden.
29. November
In Warschau beginnt, orientiert
am Beispiel der französischen Julirevolution, der
Novemberaufstand in Polen gegen die russische
Herrschaft. Die russischen Truppen und Großfürst
Konstantin Pawlowitsch Romanow ziehen sich
überrascht aus Polen zurück.
6. Dezember
Freiämtersturm im Kanton Aargau
Aufständische, angeführt von Johann Heinrich
Fischer, besetzen die Kantonshauptstadt Aarau.
12. Dezember
Das Osmanische Reich erkennt die
faktische Selbstständigkeit Serbiens an, die Miloš
Obrenović erkämpft hat. Völkerrechtlich wird das
Land jedoch erst 1878 unabhängig.
16. Dezember
Uruguay entscheidet sich für die
Nationalflagge in heutiger Form.
20. Dezember
Im Londoner Protokoll erkennen
die europäischen Großmächte die Unabhängigkeit
Belgiens an, verlangen aber strikte Neutralität des
Landes.
24. bis 28. Dezember
Münchner
Weihnachtstumulte
16. August
Der britische Astronom John
Herschel entdeckt die Galaxie NGC 7674 im Sternbild
Pegasus.
15. September
Die 64 km lange
Eisenbahnstrecke Liverpool – Manchester wird als
zweite Bahnverbindung überhaupt eröffnet. Acht Züge
mit Lokomotiven verkehren auf der Strecke George
Stephensons. Bei der Eröffnung der Strecke
verursacht die Lokomotive The Rocket den ersten
tödlichen Passagierunfall der Eisenbahngeschichte.
1. November
Auf der Insel Wangerooge wird der
erste Leuchtturm mit Blinkfeuer an der deutschen
Nordseeküste in Betrieb genommen.
3. August
Das Königliche Museum auf der
Berliner Museumsinsel, ein Bau von Karl Friedrich
Schinkel, wird seiner Bestimmung übergeben.
21. August
Uraufführung der Oper Trois Jours
en une heure von Adolphe Adam an der Opéra-Comique
in Paris
13. Oktober
Uraufführung der Oper Der Gott
und die Bajadere von Daniel-François-Esprit Auber an
der Opéra-Comique in Paris
13. Oktober
Die Glyptothek in München wird
eröffnet.
18. Oktober
Der Grundstein für den Bau der
Walhalla wird gelegt.
2. Dezember
Uraufführung der Oper Josephine
ou Le Retour de Wagram von Adolphe Adam an der
Opéra-Comique in Paris
5. Dezember
Die Symphonie Fantastique von
Hector Berlioz wird unter der Leitung von
François-Antoine Habeneck im Conservatoire de Paris
uraufgeführt.
11. Dezember
Uraufführung der komischen Oper
La Langue musicale von Jacques Fromental Halévy an
der Opéra-Comique in Paris
26. Dezember
Uraufführung der Oper Anna
Bolena von Gaetano Donizetti am Teatro Carcano in
Mailand
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