Das Modejahr
1996 - Kontraste für die Erwachsenen, Bewährtes für
die Jugend
Was gut ist, hat Bestand. In Sachen Jugendmode entsprach
dieser Satz auf jeden Fall der Wahrheit, denn die jungen
Leute trugen, was sie schon in den Vorjahren für sich
zur Mode erklärt hatten. Sie fühlten sich in ihren
Klamotten, wie sie ihre Garderobe nannten, wohl. Derzeit
gab es nichts, was sie hätte umstimmen können. Immerhin
erlebten sie eine kleine, modische Ewigkeit. Dennoch
nahmen sie ein paar Abweichungen in Kauf. Der Sitz der
Hosen und Miniröcke hatte sich verändert, was ein
erneutes Naserümpfen der Eltern nach sich gezogen haben
mochte. Die Hosen hießen jetzt Hipsters und saßen – wie
die Röcke – nur mehr knapp auf den Hüften. Sie hatten
einen geraden Schnitt. Die Hosenbeine wurden durch den
veränderten Sitz gestaucht. Erstaunlich, dass die jungen
Leute nicht auf den Stoff traten und über ihre eigenen
Beine stolperten. Der verrutschte Bund ließ den Eindruck
entstehen, die Hose würde jeden Moment ihren Träger
verlassen, immerhin waren die Unterhosen schon im Ansatz
sichtbar. Die Oberteile, die dazu angesagt waren,
erreichten den Bauchnabel nicht. Wer eine makellose
Figur hatte, der machte diesen Trend mit, der ein Jahr
zuvor bereits von einigen mutigen Jugendliche gezeigt
worden war.
Die Erwachsenen waren erpicht darauf zu sehen, was der
Modemarkt an Neuem für sie bereit hielt. Sie wurden mit
Opulenz und Minimalismus konfrontiert. Renommierte
Designer – hier seien u.a. Giorgio Armani,
Jil Sander
und Helmut Lang erwähnt – hatten sich für puristische
Kleidung entschieden, die sehr sparsam mit dekorativem
Aufputz ausgestattet war. Im Vordergang stand eine
Silhouette, die sich durch Geradlinigkeit auszeichnete.
Hier wäre Dekoration nur ein Ablenkungsmanöver gewesen.
Ihren modischen Pfiff bekamen die Shift-Kleider
lediglich durch Nähte, die sichtbar waren oder durch
angedeutete Raffungen. Jacken und Blazer waren auf
Taille geschnitten und wurden mit einem Reißverschluss
geschlossen. Auf Knöpfe verzichtet man ganz. Die
Funktionalität der Kleidung war augenfällig. Eleganz war
fehl am Platz. Dennoch waren die Gehrock-Jacken, die man
alternativ zum Blazer tragen konnte, gerade in ihrer
Schlichtheit apart. Dagegen bot Chanel Ausgefallenheit.
Sie trumpfte mit einem Goldbrokat-Model auf.
Der Catwalk legte Wert auf Transparenz. Was Frau
darunter trug war nicht so wichtig. Und mitunter
erweckte nur die Optik den Effekt der Durchsichtigkeit,
wenn mehrere transparente Stoffe übereinander getragen
wurden. Bequeme Trageeigenschaften wurden immer
beliebter bei den Konsumentinnen. Jersey und Stretch
machten Furore. Die Vielfalt der Materialien machte in
diesem Jahr die Mode aus. Auf die Schnittformen kam es
weniger an, wenn die Garderobe nur künstlich aussah.
Erreicht wurde so ein Resultat durch Chiffon, Kunstleder
und auch durch den glänzenden Satin-Stoff. Die
verschiedenen Stoffe verließen den Laufsteg und
eroberten den Alltag. Bizarre Muster, die dem Stil der
50er Jahre entlehnt waren, vervollständigten diese
Stoffe und gaben ihnen den modernen Schliff.
Prêt-à-porter-Mode von Miuccia Prada fand bei jungen
Leuten, die gewillt waren, sich doch einem etwas
anderen
Zeitgeschmack zu stellen, begeisterte Abnehmer. Sie
folgten dem Prada-Stil, der die 60er aufleben ließ. Die
bräunlich-gelben Muster, die an Resopalplatten
erinnerten, wurden von der Jugend bedenkenlos
angenommen. Khakifarben und blassgrün wurden
Trendfarben. Prada wurde eine Mode für die breite Masse
der Teenager. So hatten sie nun doch ihre Abwechslung,
auch wenn sie am Althergebrachten weiterhin festhielten.
Modebewusste Jugendliche, die das erste zarte
Mannesalter erreicht hatten, interessierten sich für die
Designer-Kreationen der Herrenmode. Einmal geprägt von
der Markenware, fanden sie ihren Stil in einem lässigen
Armani-Anzug oder auch in einem Gucci-Modell, dass eine
gute Figur machte.
Mit dem Briten John Galliano war schon 1995 ein
Avantgardist in die Reihen der Haute Couture aufgerückt.
Seine Mode schockierte und belebte die etwas schläfrige
Modeszene. Galliano schaffte Kontraste durch
Minimalismus und durch den Einsatz von Tüll, Chiffon und
Spitze. Es entstand eine Mischung aus Opulenz und
Leichtigkeit.
Doch es gab auch begeisterte Abnehmer für alles, was aus
dem Ethnischen, der Historie und dem Dekadentismus kam,
wenn es nur mit modernem Tragekomfort ausgestattet war
oder von Topmodels über den Laufsteg geführt wurde. Die
waren längst keine namenlosen Mannequins mehr. Im
Gegenteil. Sie waren ein Teil des Erfolgs, wenn ein
Trend zur Mode wurde. Das hatte schon mit Claudia
Schiffer und Karl Lagerfeld begonnen.
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