Das Modejahr 1995 - Modesatire auf der Leinwand, Girlies auf dem Catwalk

Es waren nicht die neuesten Laufsteg-Kreationen, die man im neuen Jahr mit Spannung erwartete; es war ein Film. Robert Altmanns Leinwandsatire „Prêt-à-porter“ war es, die den ersten Modenschauen den Rang ablief. Hochkarätig besetzt gab der Streifen einen aufschlussreichen Einblick in den Alltag der Branche. Er wurde ein großer Erfolg und fand begeisterte Zuschauer – nicht nur unter den modisch Interessierten.
Und während im Kino gelacht wurde, ging es bei den Bemühungen um neue Trends für den Laufsteg und den Alltag wesentlicher ernster zu. Dennoch sehr sexy. Wieder war es Karl Lagerfeld, der für modische Schlagzeilen sorgte. Und wieder war es Claudia Schiffer, die sein Modell präsentierte. Sie trug ein schwarzes, langes Häkel-Kleid in Schlauchform, unter dem ein winziger Paillettenslip vergeblich verhüllte, was nicht gezeigt werden sollte. Den Schick konnte man dieser Idee nicht absprechen, die Alltagstauglichkeit aber doch.
Die Mode brachte nach und nach mehr Eleganz in die Garderobe. Die Zeigefreudigkeit stand dabei nicht an erster Stelle. Klassik war gefragt. Hatte sich das Chanel-Kostüm schon einmal bewährt, so gehörte es auch heutzutage wieder zur Basis-Garderobe der modebewussten Frau, wenngleich es nicht die Originale, sondern eine Vielzahl von Kopien waren, die in Umlauf kamen. Man konnte sich nicht nur im herkömmlichen Schwarz auf dem Markt finden. Frau bevorzugte sie sogar in Rosè. Zum Schick des Jahres 1995 gehörten auch kurze Jacken, deren Schnitt die Taille betonte. Mit einem knielangen Rock, zu dem ein enger Pullover sehr gut passte, waren die Damen bestens gekleidet. Die Oberweite und die Figur an sich rückten in den Fokus der männlichen Blicke. Was von Natur aus nicht den Ideal-Maßen entsprach, konnte mit Wonderbras und den beliebt gewordenen Push-up-Effekten „ausgebessert“ werden.
Die Jugend trug immer noch, was sie als Grunge oder Neo-Hippie auswies, wenn es nur ein Label hatte. Mädchenhaftigkeit war für die jungen Frauen von großem Belang. Dazu kamen die Girlies. Auch diese Verniedlichung war keine Erfindung der 90er Jahre. Sie hatte sich bis dato aber eher zaghaft in der Kleidung offenbart. Nun war der modische Alltag ohne sie nicht mehr denkbar. Sie brüskierten nicht, sie waren ein erfreulicher Anblick. Eine Mischung von Kindlichkeit und erwachender Weiblichkeit machte ihren besonderen Reiz aus. Das bevorzugte Material eines Unterwäsche-Looks, den die Girlies trugen, war Satin. Der Trägerin verlieh es den nötigen glamourösen Hauch, der sich in aller Unschuld darbot. Zarte Kleidchen, die von Spaghetti-Trägern gehalten wurden und entzückende Baby-Doll-Kreationen vervollständigten die Vielfalt der Girlie-Bekleidung.
Charakteristisch für beide Geschlechter junger Leute war ein freier Bauchnabel. Die kurzen Oberteile gewährten diesen Einblick. Solche winzigen Pullover-Modelle bot der Handel an, so dass die jungen Frauen nicht auf eine falsche Temperatur-Einstellung beim Waschen eines normalen Pullovers angewiesen waren. Mit langen Blusen ging es noch einfacher. Sie wurden unterhalb der Brust zusammen geknotet. Hauptsache, der Körper zwischen Brust und Bund war nicht durch Stoff verdeckt.
Die Männermode wurde von den Designern weniger vernachlässigt, als es den Anschein hatte. Es lag höchsten daran, dass die Jugendlichen in ihren vielfältigen Bekleidungsarten die gesamte Aufmerksamkeit in Beschlag nahmen. Umso mehr dürfte es den Mann gefreut haben zu lesen, dass sich New Yorker Designer zu einem Gemeinschaftsprojekt in Sachen Herrenmode zusammengefunden hatten. Mehr als zwanzig Modemacher zeigten ihre Kollektionen in den Ton- und Filmstudios der 54. Straße in Manhattan. Die Aufmerksamkeit der Medien war ihnen sicher und die der Männer in aller Welt sollte folgen.
Die Herren beschränkten sich derweil in Wartehaltung, durften sich jedoch mit einigen neuen Farben anfreunden, die natürlich weiterhin gedeckt waren. Die Kombination von Schwarz mit Grau oder Braun sollte der angesagte Trend sein. Man sagte den Farbkombinationen nach, sie hätten einen avantgardistischen Einschlag. Doch entscheidend war, dass die Mode das weiße Krawatten-Business-Hemd aus den Büros verbannte. Legitim waren jetzt ein Jersey-Hemd oder ein lässiges, aber dunkles Hemd. Wer hätte das gedacht?
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