Das Modejahr 1992 - Leggins hatten immer noch nicht ausgedient

Erstaunlicherweise hatten sich die wadenlangen Wickelröcke durchgesetzt, die zwei Jahre zuvor noch Skepsis ausgelöst hatten. Sie wurden inzwischen mit einem Schlitz getragen, der sogar bis zur Taille reichte. Darunter trugen die Damen und Mädchen Shorts oder Hot-Pants und der neue Modeblick richtete sich gern auf diese sportlich-feminine Linie. Alles eine Frage der Gewöhnung. An die Leggins hatte man sich schließlich auch gewöhnt. Durch ihre Bequemlichkeit und ihre bunte Vielfalt konnten sie sich immer noch auf dem jugendlichen Modemarkt behaupten. Die Materialien unterschieden sich nach dem jeweiligen Anlass. Für die Disco favorisierten die Mädchen Lurexlycra. Im häuslichen Alltag reicht Jersey aus. Es gab sie in allen Preislagen. Der Kaufhaus-Wühltisch bot sie im Dreierpack an und namhafte Designer erkannte man beispielsweise an den Neo-Barock-Mustern oder an einem Marilyn-Monroe-Gesicht, das die Beine umschmeichelte.
Niedliche, glockige Röckchen, die sogenannten Tütü-Röckchen, waren ein angesagter Kontrast zu den Leggins. Sie wurden mit kurzen Jeans-Jacken getragen, wodurch sich das Mädchenhafte mit Sportlichkeit vermischte. Ein erfrischender Anblick. Und wer die Jeans-Jacke gegen eine Perfecto-Jacke austauschte, war absolut auf dem neuesten Stand. Diese Jacke wurde nicht nur von Mädchen getragen. Besonders die Jungs fühlten sich darin wohl. Schließlich erinnerte sie an Marlon Brando in „Der Wilde“. Diesem Leinwand-Vorbild folgten die Jugendlichen gern, auch wenn der Film aus den 50er Jahren stammte und manche ihn nicht einmal gesehen hatten.
Und weil zusammen passte, was nicht zusammen gehörte, gelang es Karl Lagerfeld einen Treffer zu landen, als er seine Models in Jeans- und Lederjacken zu Chanel-Kostümen steckte. Derartige Jacken wurden auch zu duftigen Cocktailkleidern getragen. So kreiert von Gianni Versace. Der Mut zu unkonventioneller Mode brachte auch für den Damenmantel eine neue Schnittform. Er war lang, reichte bis zur Wade und bestach durch seine bequeme, lose herab fallende Form. Der Swinger geriet ins modische Aus. Die Damen gefielen sich in den neuen Mänteln, die der Herrenmode glichen. Für sportliche Anlässe gab es den langen Parka. Der Schotte John Barbour ergänzte die Outdoor-Kleidung und gab ihr auch gleich seinen Namen. Aus der sogenannten Wachsjacke wurde die Barbour-Jacke. Der Schnitt hatte sich kaum verändert. Aber die Farben und Materialien waren vielfältiger und strapazierfähiger geworden. Die Jacke rüstete sich für einen Markt der Zukunft und ließ in Form und Farbauswahl keine Wünsche offen. Und auch das Flanellhemd hatte die 80er Jahre überlebt, nach dem der Amerikaner Ralph Lauren die Country-Kleidung auf dem Laufsteg zur Haute Couture erhob.
Die Herren – von der Mode stets ein wenig vernachlässigt – wurden nun von einer Frau eingekleidet. Nicht von ihrer eigenen, nein, von der amerikanischen Designerin Donna Karan. Sie hatte ein meisterhaftes Händchen für die Herrenkleidung, weswegen sie vom Council Of Fashion Designers Of America (CFDA) zur „Herrenmodedesignerin des Jahres“ gekürt wurde. Die Männer fühlten sich modisch gut aufgehoben und trugen, was Donna Karan kreierte. Ihre Empfehlungen waren schlicht und elegant. Die Materialien waren edel. Es bedurfte nur weniger Teile, um sie gut miteinander kombinieren zu können. Mann wurde damit jedem Anlass gerecht, er musste nur tief genug ins Portemonnaie greifen. Donna Karan hatte es geschafft, den Herren eine neue Unbekümmertheit in Sachen Mode zu geben. Nicht nur im Bereich des Business sah man nun gut gekleidete Männer. Mancher verirrte sich auch in den Alltag mit modischer Garderobe. Allerdings konnte diese modische Kleidung das enge Zusammenspiel mit einer gefüllten Geldbörse nicht verleugnen. Sei’s drum, die Männer waren schick.
Es gab aber nicht nur Designer-Linien, die sich durchsetzten. Ein gewachsenes Umwelt-Bewusstsein rief neue Modeschöpfer auf den Plan. Öko-Linien fanden immer größere Beachtung. Britta Steilmann, eine deutsche Designerin, gründete in diesem Jahr ihr eigenes Label und brachte ihre erste Kollektion heraus. Den Konsumenten war der Schlabber-Look der siebziger Jahre noch so gut im Gedächtnis, dass die Öko-Mode nur sehr schwer startete. An Akzeptanz mangelte es 1992 noch fast gänzlich. Doch das sollte sich ändern.
<< Mode 1991   |   Mode 1993 >>