Das Modejahr 1991 - Romantische Rückblicke
Die mutigsten Designer wagten in diesem Jahr einen
avantgardistischen Rückblick. Sie holten den Petticoat
aus den
60ern zurück und präsentierten ihn im Licht der
neuen Zeit. Die Mädchen, die ihn vielleicht noch in den
Schränken ihrer Mütter gefunden hatten, konnten ihn nun
ganz legitim tragen. Er war ein Hingucker, der den
Betrachtern ein Lächeln entlockte. Oder ein Belächeln.
Ein Ausdruck jugendlicher Eigenständigkeit, der er in
den 60ern war, war er nun nicht mehr. Allenfalls ein
hübscher Modegag. Auch den Ringelpullis, die der
modischen Rückschau entsprachen, erging es ähnlich. Die
wurden von Jungen und Mädchen gleichermaßen getragen.
Die Teenager fanden sich schick. Nur das zählte. Dazu
kombinierte sie ihr Outfit mit Hüfthosen, die es in der
Vergangenheit so noch nicht gab.
Die Pariser Designer gingen in die späten
40er Jahre
zurück. Sie brachten Jersey-Röcke auf den Laufsteg, die
wadenlang waren und ihren erotischen Einschlag durch
einen Schlitz bekamen, der bis zum Oberschenkel Einblick
gewährte. Sicherheitshalber kreierten sie auch eine
Mini-Variante. Hot-Pants waren ebenfalls wieder
angesagt. Sie wurden unter langen Wickelröcken getragen,
die durch den Vorderschlitz im Rock sichtbar wurden.
Während dieser Mode kein langes Leben beschieden war,
setzten sich stattdessen Shorts und kniefreie Röcke
durch; für die männlichen Konsumenten auch Bermudas.
Die Blusen zu den kniefreien Röcken waren gewagt und
selbstbewusst. Sie waren aus durchsichtigem Material,
aus Organza. Inzwischen hatte sich auch der
Vorjahrestrend etabliert, der das Korsett – egal, ob
original aus Omas Wäscheschrank oder neu – zum
angesagten Oberteil erhoben hatte. Auch
Stretchkleidchen, die der Bademode der 40er Jahre
nachempfunden wurden, gehörten zur gängigen Kleidung des
Alltags, vorausgesetzt die Figur war entsprechend
zierlich.
Neu erdacht war die Abendmode. Kühne Kreationen wurden
über den Laufsteg geführt. Hinten waren die Kleider
bodenlang, vorn sehr kurz. Sie waren ein charmanter
Blickfang. Ganz im Gegensatz dazu präsentierte der
Gaultier-Schüler Martin Margiela eine sehr kapriziöse
Kollektion. Er wurde mit seiner Fetzen-Mode zum Stein
des Anstoßes, was nichts daran änderte, dass sich gerade
seine Entwürfe teilweise bis in den Alltag durchsetzen
konnten. Den Nerv der jungen Leute hatte Margiela
jedenfalls getroffen. Sie begeisterten sich für die
losen Ärmel, für zerrissene Nähte, für ungleiche
Saumlängen und nach außen sichtbare Säume. Das hob sie
von der Generation ihrer Eltern ab, die für diese Mode
nur ein Kopfschütteln übrig hatte, weil sie gewollt
unordentlich aussah. Dabei entsprach sie dem letzten
Schrei. Und schließlich gaben sich hier ja Musik und
Mode ein fröhliches Stelldichein. Kein geringerer
als
Diether Krebs passte sich dem Trend an. „Ich bin der
Martin“ wurde Kult und der Song sollte diese Mode über
eine lange Zeit überleben. Dennoch hatte man Diether
Krebs dabei stets im Schlabber-Pullover vor Augen.
Margielas Eigenwilligkeit wurde in diesem Jahr durch die
Geschmacklosigkeit des Amerikaners Andre Van Pier
übertroffen. Kugelsichere Westen und militärische
Tarnbekleidung hatten ihn zu dieser unsensiblen Mode
inspiriert. Seine Modelle stießen auf Ablehnung, nicht
nur angesichts der Tatsache, dass im März der Zweite
Golfkrieg endete.
Die Alltagsmode zeichnete sich durch ausgesprochen
geschmackvolle Schnittformen aus. Die Damen trugen
taillierte Blazer, denen der kecke Hüftschwung eine
feminine Note gab. Damit unterschieden diese Blazer sich
deutlich von den Herrenjacketts. Während für die
Business-Kleidung dezente Farben bevorzugt wurden,
erlaubte die Kleidung für den Alltag durchaus eine
kräftige Farbgebung. Ein hübscher Anblick waren die
Mädchen, die den Blazer mit kurzen Glockenröckchen oder
mit Leggins ergänzten.
Das Shiftkleid à la Tiffany aus der Prêt-à-porter-Mode
erfreute sich besonderer Beliebtheit. Wegen ihrer
günstigen Preise und den modischen Schnitten hatte diese
Mode längst Einzug in den Alltag gehalten. War einst die
Haute Couture der Ideengeber, so war es nun umgekehrt.
Ob Wavs, Punks, Skinheads oder Goth – jedes Alter trug
andere Kleidung. Der Markt kümmerte sich um alle. Die
Mode, die straßentauglich war, war nicht abhängig von
den Kreationen der Designer, die den Laufsteg bedienten.
Sie setzte eigene Trends und wurde zum Ausdruck der
Befindlichkeiten der jeweiligen Altersgruppe.
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