Das Literaturjahr 1996 - Wieder eine Frau als
Literatur-Nobelpreisträgerin
Mit dem
Nobelpreis für Literatur wurde im Jahr 1996 die
polnische Schriftstellerin Wisława Szymborska
ausgezeichnet, die Autorin ist damit die neunte Frau,
die seit der Einführung dieser höchsten und wichtigsten
internationalen Auszeichnung mit diesem Preis geehrt und
für ihr literarisches Schaffen gewürdigt wurde.
Wisława Szymborska wurde am 2. Juli 1923 in der Nähe von
Posen geboren und starb im Februar des Jahres 2012 in
Krakau, wo sie auch den größten Teil ihres Lebens
verbracht hatte. Bekannt wurde die polnische Künstlerin
vor allem aufgrund ihrer Lyrik, die den Großteil ihres
Werkes ausmacht, neben Gedichten verfasste sie auch
einige Essays.
Die ersten lyrischen Werke der polnischen Dichterin
kreisten vor allem um gesellschaftliche und politische
Themen, was jedoch hauptsächlich den zeitgeschichtlichen
Umständen geschuldet war: Literatur wurde durch den
Staat bewertet und zensiert, und ihr erster Gedichtband
wurde aus überwiegend ideologischen Gründen abgelehnt
und durfte nicht publiziert werden. Deswegen passte sie
ihr Schreiben, ihren Stil und den Inhalt ihrer Gedichte
etwa ab 1940 an den Sozialistischen Realismus an und
huldigte in ihren lyrischen Werken dem Sozialismus und
seinen Ausprägungen. Ihre ersten beiden Gedichtbände
durften aufgrund dieser Linientreue in den 50er Jahren
veröffentlicht werden, fanden aber keine große
Verbreitung.

Erst als sich Wisława Szymborska in der dritten Sammlung
ihrer Lyrik („Rufe an Yeti“) im Jahr 1957 von der
politischen Ausrichtung lossagte und ihren eigenen
Anschauungen und Gedanken
Ausdruck verlieh und
sprachliche Gestalt gab, gelang ihr der Durchbruch in
der literarischen Welt. Vor allem das Gewöhnliche, das
Alltägliche wird in den Gedichten der polnischen
Künstlerin zum Thema und zum Zentrum ihres Schaffens und
erhält so einen Hauch des Wunderbaren. Das Wunder des
Lebens und seine Bedeutung als solches wird in den
Vordergrund gerückt, ohne dabei den Bezug zur
Alltagsrealität zu verlieren oder den Gegenstand der
Lyrik durch Worthülsen und überladene sprachliche
Ornamentik zu verdrängen. Vor allem der freie Vers und
die klare und einfache Sprache dominieren in den
Gedichten Wisława Szymborskas, ohne dabei den
künstlerischen Wert ihrer Lyrik zu schmälern.
Das Werk der polnischen Dichterin und Nobelpreisträgerin
umfasst sechzehn Gedichtbände und eine ebenfalls
veröffentlichte Reihe von Essays und wurde mit mehreren
Preisen ausgezeichnet. So erhielt Wisława Szymborska
bereits in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts den
Literaturpreis der Stadt Krakau, im Jahr 2011 dann den
„Orden des Weißen Adlers“, der die höchste Auszeichnung
des polnischen Staates ist. Unter anderem erhielt sie
auch den Goethepreis sowie den Herder-Preis. Dabei galt
das künstlerische Schaffen der polnischen
Schriftstellerin und ihr Verdienst um die Literatur
nicht nur ihrer eigenen Produktion, sie betätigte sich
auch als Übersetzerin und übertrug französische Lyrik
des Barock in ihre polnische Muttersprache.