DDR Chronik 1982 - Guillaume, im Westen verurteilt, in der DDR gefeiert.

In den Tageszeitungen wurden die Probleme der DDR kaum thematisiert, obwohl es deren viele gab. Aber im Alltag waren die Protesthaltungen bei genauem Hinsehen durchaus spürbar. Seit dem Beginn des Jahrzehnts hatte die Militarisierung des gesellschaftlichen Lebens weiter zugenommen. Besonders bei den jungen Menschen erweckte das eine Anti-Haltung und statt in der gängigen Jugendorganisation FDJ (Freie Deutsche Jugend) aktiv zu werden, strebten schon viele junge Menschen allmählich unter das Dach der evangelischen Kirche, um sich frei äußern zu können. Begriffe wie „Frieden schafften ohne Waffen“ oder „Schwerter zu Pflugscharen“ machten die Runde und wurden von den Behörden gar nicht gern gehört. Es war also angezeigt, sich nur „vorsichtig“ öffentlich als kritischer Bürger zu outen.
Im Januar 1982 sollte erstmals die Veranstaltung „Rock für den Frieden“, die im Palast der Republik, dem sogenannten „Erichs Lampenladen“, ausgetragen wurde, die jungen Gemüter ein wenig ablenken. In drei Veranstaltungen traten 15 populäre Rockgruppen der DDR auf. Die einerseits öffentlichen Konzerte waren wiederum ein wenig „unöffentlich“, denn Karten dafür waren schwer zu bekommen oder gar nicht. Die meisten Karten gingen an engagierte FDJler. Das wiederum sorgte für kulturelle Verstimmung unter den Rockfans.
Es war für die DDR nicht möglich, einen tatsächlichen Ruf als demokratischer und freiheitlicher Staat zu etablieren, auch wenn die Bekanntgabe des erweiterten Katalogs dringender Familienangelegenheiten durch das DDR-Ministerium des Innern dazu hätte beitragen können. Darin war der Kreis der zu Besuchen in der Bundesrepublik berechtigten DDR-Bürger, die noch im Berufsleben standen, erweitert worden. Die neuen Reisebestimmungen waren im DDR-Gesetzblatt öffentlich gemacht worden. Das hieß noch lange nicht, dass jeder Bürger aus der DDR zu nahen Verwandten reisen durfte. Die Auslese war sehr streng und wurde von der Staatssicherheit genau kontrolliert.
Ob das Friedensforum in der Dresdner Kreuzkirche in Regierungskreisen gern gesehen wurde, war fraglich. An dieser christlichen Friedensbewegung hatten ungefähr 5.000 Jugendliche teilgenommen, die es für sich auch als ein politisches Podium nutzten. Doch alles, was mit der Kirche zu tun hatte, war der staatlichen Führung ein Dorn im Auge. Erst recht, da in den evangelischen Kirchen der DDR die Eigenständigkeit der christlichen Friedensarbeit unterstrichen wurde. So beispielsweise in dem vom Magdeburger Bischof Werner Krusche verfassten Pfarrbrief, in dem auch das staatliche Vorgehen gegen das Friedenssymbol „Schwerter zu Pflugscharen“ kritisiert wurde. Neben den Kirchen waren es auch die Theater, die sich zu echter Demokratie bekannten, so geschehen in der Veranstaltung im Berliner Ensemble „Schauspieler für den Frieden“, an der sich namhafte Bühnenkünstler beteiligten. Vom Frieden war die Rede und immer war auch der Friede im eigenen Land gemeint, zu dem auch Presse- und Redefreiheit gehören müssten. Aber nicht gehörten.
Staatlich gefördert wurde hingegen das „Pfingsttreffen der Jugend“, das zum Auftakt mit einer Großkundgebung der FDJ unter dem Motto „Gegen NATO-Waffen Frieden schaffen“ begann. In diesem Rahmen hatten etwa 3.000 Veranstaltungen und Kundgebungen im ganzen Land stattgefunden.

Blick zum großen Bruder

Ein Blick über die Landesgrenzen hinaus zum „Großen Bruder“ Sowjetunion erwies sich als auch nicht gerade als ein echter Lichtblick. Am 10. November 1982 war der Generalsekretär des Zentralkomitees der KPdSU, Leonid Breshnew, gestorben. Zu seinem Nachfolger wählte man zwei Tage nach Breshnews Tod Jurij Andropow, der vordem den sowjetischen Geheimdienst KGB geleitet hatte (1967 bis 1982). Der neue Herr im Kreml unterschied sich von seinen Vorgängern schon allein dadurch, dass er kein überzeugter Kommunist im revolutionären Sinne war. Er sah die Realitäten des Sozialismus einigermaßen klar, war aber dennoch noch längst keine große Hoffnung für die DDR-Bürger, die längst gemerkt hatten, dass die Ziele des Fünfjahresplanes, der von 1981 bis 1985 ausgelegt war, in den Betrieben nicht zu erfüllen war. Es fehlte an Materialien und Rohstoffen und schließlich wurden die Ziele stillschweigend korrigiert. Damit einher gingen Kürzungen der Investitionen für die Forschung. So kam die technologische Basis der Industrie immer mehr ins Hintertreffen. Doch von einer Wirtschaftskrise stand nichts in den Zeitungen. Die Regierung behalf sich mit „Verschönerungen“ der Sachlage und ließ ihre Bürger im Unklaren. Doch die waren nicht so einfältig wie es die SED-Führung gern gehabt hätte.
Es blieb nicht verborgen, dass die DDR mit Zusätz-Exporten von Konsumgütern und Maschinen bemüht war, die steigenden Rohstoffkosten abzudecken. Und dass Konsumgüter, Kleidung oder Möbel unter anderen Markennamen in bundesdeutschen Kaufhäusern billig angeboten wurden, während die eigene Bevölkerung lediglich den Verzicht darauf hinnehmen musste, war ein nächstes Zeichen einer ungenannten schweren Wirtschaftskrise.
Wenn nicht ein Wunder geschah, blieb der DDR nichts anderes übrig, als die Zahlungsunfähigkeit zu erklären. Das Wunder geschah allerdings erst im Folgejahr 1983, während sich oppositionelle Kräfte immer weiter etablierten.
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