Modejahr 1977 Mode - Alles für die Frauen
In der Modewelt hatten Frauen als Konsumentinnen schon
immer die Nase vorn. Wie es damit in anderen Bereichen
aussah, darüber sollte künftig „Emma“ berichten, die
Frauenzeitschrift, die die Feministin Schwarzer
herausgab. Die erste Ausgabe erschien im Februar. Die
einschlägige Modepresse konstatierte derweil, dass die
Haute Couture bei den sehr betuchten Damen immer noch
der Maßstab für Trends war. Die Summen, die hier ihre
Besitzer wechselten, waren enorm. Und das, obwohl man
noch im Vorjahr eine rückläufige Zahl privater Kundinnen
beklagt hatte. Kaum zu glauben, dass die Näherinnen, die
für die Haute
Couture arbeiteten, sich ein Jahr zuvor
gezwungen sahen, wegen einer besseren Bezahlung zu
streiken. Abseits der Laufstege bot sich auf den Straßen
ein abwechslungsreiches Bild. Die
Mode schien sich zu einem großen Fest der Verkleidungen
entwickelt zu haben. Sportlich, folkloristisch und bunt;
so fühlten sich die Frauen und Mädchen wohl. Die
Romantik fiktiver Zigeunerkleidung, der ländlich-edle
Stil, der an Bauersfrauen erinnerte oder die indisch
oder mongolisch anmutende Kleidung – all das bezeugte
Vielfalt. Die Röcke reichten bis zur Wade, umspielten
sie weit schwingend, so dass man durchaus einen Blick
auf einen Unterrock erhaschen konnte, der mit
aufwendiger Stickerei ganz offensichtlich dafür gemacht
war. Ringsum Liebreiz.
Das Folkloristische war nicht jedermanns Geschmack. Wer
diese Weichheit ablehnte, trug Hosen. Die waren in sehr
vielen Schnitten und Materialien auf dem Markt. Ein
wenig Verspieltheit brachten dann die Spitzen- oder
Volantsblusen in den Look. Und die Jacken, egal ob
Schößchen-Jacken, Boleros oder Spenzer, gaben dem
Aussehen schließlich das perfekt Abgerundete. Zu dieser
Kleidung waren Absatzschuhe gefragt. Hier entschied das
Alter der Trägerin über die Höhe, mitunter auch der
Anlass. Wer am Abend etwas mondäner aussehen wollte,
hielt sich in jedem Fall an Schwarz oder Weiß bei der
Wahl der Garderobe. So gab es die
Haute Couture bei
langen Kleidern vor, die tief ausgeschnitten und
seitlich geschlitzt waren.
In den Prêt-à-porter-Kollektionen sah man die Verneinung
des Folkloristischen. Yves Saint- Laurent präsentierte
große, die Figur ignorierende Blousons,
Stehkragen-Hemden und Hosen, die ihren Schick durch
breite Schärpen erhielten. Damenmode in Anlehnung an die
Herrenbekleidung. Aber an welche? Um die Mode für die
Männer war es recht still geblieben. Immer noch
dominierte der graue Anzug im Wechsel mit Blau oder
einem gedeckten Braunton. Was Mann trug, sah zwar immer
ein bisschen gestylt aus, orientierte sich aber an den
Rudimenten der Vorjahre. Der Look, der als Ablehnung
gegen das Modediktat bekannt war, der Gammel-Look, hatte
die Männerbekleidung vollends verlassen. Bei den jungen
Leuten waren die ersten Blicke auf London gerichtet, wo
sich eine ganz andere Mode auszubreiten begann, die
hierzulande noch argwöhnisch betrachtet und längst noch
nicht nachgeahmt wurde. Doch

es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sich der Stil
der Punks auch hier Zutritt verschaffen sollte. Dessen
ungeachtet verhüllten die Damen ihre Schultern mit
großen Tüchern, schlangen
sich Longschals um den Hals oder banden sie zu einem Turban.
Tücher in großer Vielfalt überschwemmten den Markt und
fanden reißenden Absatz, denn sie gehörten zu den
begehrtesten Accessoires. Auch die Abendgarderobe war
ohne ein edles Schultertuch nicht mehr denkbar.
Während für
Udo Jürgens mit 66 Jahren das Leben erst
anfing, erlag der King des Rock’n’Roll,
Elvis Presley,
einem Herzversagen. Und die Mode-Ideen für die Männer
schienen auch einer unnennbaren Schwäche zum Opfer
gefallen zu sein. Wenigstens hatte die neue,
folkloristische Romantik bei den Damen Anklang gefunden
und sie trugen sie mit Stolz neben ihren graumäusigen,
männlichen Begleitern.