Das Modejahr 1970 Mode – Der Trend des Selbstgenähten
Dass das Wort Kultur ausgerechnet im Zusammenhang mit
Drogen zu Drogen-Kultur mutierte, war bedenklich. Die
Zahl derer, die sich aus der Realität entfernten, wurde
immer größer. Aber auch alle, die nicht zu Drogen
griffen, flüchteten sich gern in eine heile Welt, fernab
einer harten Wirklichkeit. Dabei wollte Frau aber
dennoch schick aussehen. Die Massenkonfektion war zwar
preiswert, aber sie befriedigte den Sinn für
individuelle Schönheit nicht. Frau half sich selbst. Wer
ein Unikat tragen wollte, der schneiderte seine eigene
Mode. Die Älteren konnten das noch aus der Zeit des
Mangels, die Jüngeren
fanden Gefallen an diesem neuen Hobby und lebten ihre
Kreativität aus. Sie konnten sich an einer schier
unglaublichen Vielzahl von professionellen
Schnittmustern orientieren, denn die Modemacher hatten
sehr schnell erkannt, dass der Trend des Selbstgenähten
nicht die Verbreitung modischer Kleidung behinderte –
wenn man die entsprechenden Schnitte verkaufte.
Zu den Favoriten gehörten die einfachen Schnitte, die
dem Trend entsprachen. Schmale Prinzesskleidchen mit
einem etwas ausgestellten Rock standen hoch im Kurs. Es
gab Trägerkleider, Polokleider und Wickelkleider. Die
ließen sich besonders leicht nähen. Die Neulinge hatten
schnell ein Erfolgserlebnis. Zum perfekten Aufputz
gehörten Lederapplikationen und aufgenähte Blumen.
Während zu Beginn des Jahres noch eine winterliche
Maxi-Länge angesagt war, galt für den Rest des Jahres
Midi als modische Vorgabe. Diese Halblänge wurde mit
Engelszungen wegen ihrer kleidsamen Tragbarkeit dringend
empfohlen. Vor allem kirchlich-konservative Kreise
befürworteten den Kampf gegen den Minirock, ein Kampf,
der an die Bigotterie der 50er Jahre erinnerte.
Trotz ihrer Bodenlänge erregten die Abendkleider, die
Rudy Gernreich in New York vorstellte, großes Aufsehen.
Sie waren brustfrei und folgten Gernreichs Monokini, den
er bereits in den 60ern präsentiert hatte. Oben ohne –
pfiffige Designer wollten sich keinesfalls dem Diktat
falscher Moralisten unterordnen.
Im Trend lag aber auch die diplomatische Lösung, die
Hose. Da war besonders die Schlaghose das bevorzugte
Beinkleid. Sie wurde von beiden Geschlechtern
angenommen. Am Becken und an der Hüfte
lag sie eng an
und zum Saum hin war sie weit ausgestellt. Dazu wurden
Kurzpullover getragen. Die ließen den Bauch nicht frei,
sahen allerdings so aus, als seien sie zwei Nummern zu
klein. Gehäkelte kleine Westen oder Pullunder galten
gleichfalls als schick. Alternativ sah man Chasubles.
Die konnten auch im Lederpatchwork-Stil getragen werden.
Sie waren den Damen vorbehalten.
Strickwaren, natürlich vornehmlich selbst hergestellt,
sah man nicht nur als übergroßes Schultertuch, sondern
auch als knappe Bademode-Teilchen. Die französische
Designerin Sonia Rykiel machte in Sachen Strickmode auf
sich aufmerksam. Sie zeigte in ihren Kollektionen neben
Strickanzügen schlauchartige Strickkleider, die sich
großer Beliebtheit erfreuten.
Die Männer kamen ein wenig zu kurz, von den Schlaghosen
einmal abgesehen. Doch wenn schon nicht mit aufregender
neuer Mode, so fielen besonders die jungen Männer durch
lange Haare auf. Und das tägliche Rasieren war auch
nicht mehr typisch.
Im beruflichen Alltag, speziell im Business, gab es
keine gravierenden Veränderungen. Doch wenn Frau sich
einen bunten Schal um den Kopf wand, um Sportlichkeit zu
signalisieren, dann war auch das etwas, was junge Männer
in der Freizeit für sich umsetzten. Hippies, die
Angesagten ihrer Zeit, liebten es bunt und auffallend.
Umso starrer blieb die Mode der reiferen Herren.
Vorerst.