Literaturjahr 1973 im Kontext des
Literaturjahrzehnts
Das Literaturjahr 1973 stand, wie die gesamte
deutschsprachige Literatur des Literaturjahrzehnts ab
1970, ganz im Zeichen der Revision der Theorie und der
Regeneration der Literatur. Nach den Unruhen der
innenpolitisch besorgniserregenden Revolten von 1968,
die Deutschland überschatteten und in den Terror führen
sollten, versuchte zumindest die künstlerische Elite,
sich von den Ereignissen des Tages abzuwenden. Das
Schreiben sollte wieder um seiner selbst willen
vollzogen werden, die Kunst sich selbst genügen. Statt
die Literatur als Sprachrohr für politische Ziele zu
missbrauchen, suchte man in der Mitte der Texte wieder
nach sich selbst, wandte sich subjektiven Eindrücken und
poetischen Ansprüchen zu.
Deutschsprachige Veröffentlichungen im
Jahr 1973
Anna Seghers, die vor allem durch ihren Roman "Das
siebte Kreuz" als bedeutende Autorin der Nachkriegszeit
bekannt geworden war, veröffentlichte im Jahr 1973
vorwiegend Erzählungen. Die Prosatexte "Sagen von Unirdischen", "Der Treffpunkt"
und "Reisebegegnung" widmeten sich überwiegend Problemen
und Ansprüchen des Künstlerischen und des dichterischen
Schaffens.
Jurek Becker, dessen im Jahr 1969 erschienener Roman
"Jakob der Lügner" großen Ruhm erlangt hatte und in
späteren Jahren zweimal als Grundlage für eine
Verfilmung diente, machte durch den Roman "Irreführung
der Behörden" auf sich aufmerksam. Auch dieses
erzählerische Werk lässt das innerdeutsche
Tagesgeschehen außen vor und widmet sich vorwiegend
subjektiven Problemen und thematisiert Komplexe wie
Kommunikation und Medien.
Aus der Reihe der vorwiegend unpolitischen literarischen
Werke des Jahres 1973 fällt Peter Schneider mit seiner
Erzählung "Lenz". Basierend auf dem Werk Georg Büchners,
adaptiert Schneider den Stoff in die Zeiten der
Studentenrevolte und aktualisiert klassisch-romantische
Motive im Kontext der Gegenwart der 1970er Jahre.
Internationale Literatur im Jahr 1973
Auch in internationaler Hinsicht war die künstlerische
Produktion und Würdigung im Jahr 1973 nicht untätig. Der
Nobelpreis für Literatur ging an Patrick White, der als
bisher einziger australischer Schriftsteller mit dieser
Auszeichnung geehrt wurde. White, der in London geboren
worden war, lebte von 1912 bis 1990 und ging als
bedeutender englischsprachiger Autor in die Geschichte
der Literatur ein. Sein dichterisches Schaffen war dabei
ebenso flexibel wie umfassend, der vielseitig begabte
Schriftsteller versuchte sich in mehreren Gattungen und
publizierte neben Romanen und Kurzgeschichten auch
Gedichte, Essays und eine Autobiografie.
Die Jury des Nobelpreises begründete ihre Entscheidung
vor allem mit der psychologischen Raffinesse der
Erzählkunst des australischen Schriftstellers. Für
seinen Heimatkontinent war dies eine herausragende
Auszeichnung, da Australien bis zu diesem Zeitpunkt im
internationalen Kunstbetrieb eher stiefmütterlich
behandelt worden war und keine bedeutenden Vertreter
künstlerischer Produktion vorzuweisen hatte.
Weitere Veröffentlichungen 1973
-
"Gravity's Rainbow" von Thomas Pynchon
-
"Frühstück der Champions" von Kurt Vonneg
-
"Flugangst" von Erica Jong
-
"Die Braut der Prinzessin" von William Goldman
-
"Der Honorarkonsul" von Graham Greene
-
"Crash" von J.G. Ballard
-
"Die Sieben-Prozent-Lösung" von Nicholas Meyer
-
"Der Archipel Gulag" von Alexander Solschenizyn
-
"Die Lehren von Don Juan: Ein Yaqui-Weg des
Wissens" von Carlos Castaneda
Werbung
<<
|
>>