1880
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1887
1888
1889
Mode 1880 bis 1889 -
aufgebauscht ohne
Reifrock
Im 19. Jahrhundert war nach wie vor modischer
Aufwand an der Tagesordnung. Zwar veränderten sich
die Vorgaben der Haute Couture nicht im jährlichen
Tempo wie im 20. und 21 Jahrhundert, doch seit es
das Pariser Modehaus gab – Charles Frederick Worth
(1826-1895) hatte es um 1857 gegründet – schauten
die Damen aus Deutschland noch genauer auf die
Trends an der Seine-Metropole.
Schon einmal hatte es in dem Jahrhundert eine
auffällige Tournure-Mode gegeben, die nach 1875 aber
kurzzeitig von der Bildfläche verschwand. Sie erfuhr
aber schon um das Jahr 1882/1883 eine Wiederkehr,
die etwa bis 1888 anhielt. Die Gesäßauflage, die
Tournure (frz.) oder auch Turnüre genannt wurde, war
ein Teil der Damenunterbekleidung, die ihre Wirkung
nach außen sichtbar machte. Die sogenannte Zeit der
Zweiten Turnüre beinhaltete eine Rockmode, die durch
ein halbkreisförmiges Gestell aus Fischbeinstäbchen
oder auch aus Stahlstäbchen dem Rock – ähnlich wie
zu Zeiten der großen Reifröcke – eine
Gesäßaufbauschung verlieh. Die Kleider waren am
Oberteil und nun auch im Rockteil relativ eng
anliegend, wobei der Rock meist noch mit Querfalten
versehen war, die nach hinten ausliefen und in einer
Schleppe endeten. Eine besondere Betonung der Taille
gab es allerdings noch nicht. Sie rückte höchstens
durch verschiedene Stoff-Zusammenstellungen ins
Blickfeld, die geschickt miteinander verarbeitet
waren. Dennoch war das Korsett unabdingbar, hielt es
doch die Figur gerade und verdeckte ungewollte
Pölsterchen. Noch gehörte es zum Standard der
Bekleidung einer jeden Frau, sich darin
einzuzwängen. Die Betonung einer sehr schlanken
Figur war in den beiden ersten Jahren des Jahrzehnts
jedoch durchaus gefragt, bevor die sogenannte Zweite
Turnüre diese Enge wieder etwas zu lockern
vermochte. In diesen beiden Jahren aber wurden die
Kleider den Damen förmlich auf den Körper genäht.
Das Atmen war schwer, das Essen verkniffen sich
manche Frauen vollends, wenn sie in dieser Garderobe
erschienen. Die Kleider waren schmerzhaft eng und
erschwerten auch das Gehen, dabei war das plaudernde
Herumstehen immer noch leichter als das Sitzen.
Eleganz musste Frau sich wirklich leidvoll abringen.
Doch die Optik der Mode belohnte für die
Unannehmlichkeiten.
Lockerer, dafür weniger schick und oft dem Spott
ausgesetzt war die Zweite Turnüre, die mit dem „Cul
de Paris“ – dem Pariser Hintern – in die
Schlagzeilen und an die Frauenkörper kam. Diese
Unterbauten, die das Gesäß betonten, hatten in der
Modegeschichte schon mehrfach Anwendung gefunden. In
diesem Jahrzehnt waren sie aber fast ausschließlich
den vermögenden Frauen vorbehalten, die sich dadurch
äußerlich von den normalen Bevölkerungsschichten
abgrenzten. Mehr oder minder hielt sich diese
Betonung des weiblichen Hinterteils bis zum Ende des
Jahrzehnts. Durch die Drapierung, also das
Infaltenlegen des vorderen Rockteils, fiel der
Aufputz fast völlig weg. Stattdessen sah man
Stoffkombinationen, bei denen der Plisseerock
dominierte und Raffungen mit Volants. Zwar hatten
die Kleiderstoffe meist denselben Farbton,
unterschieden sich aber in dem verarbeiteten
Material. Tuchstoffe wurden mit Samt zusammen
getragen oder auch mit Seide. Das Oberteil lag eng
am Körper und war hochgeschlossen. Geschlossen wurde
das Oberteil mit einer langen Knopfleiste, deren
Knöpfe meist aus besonders edlem Material bestanden.
Diese Knöpfe und die Spitzen am Kragen waren die
einzige Zierde an der Damenbluse. Die langen, selten
auch halblangen Ärmel, lagen eng an. Wenn doch eine
der Frauen einem Beruf nachging, dann trug sie ein
Kostüm, einen Zweiteiler, der dem Kleid sehr
ähnlich, nur in seiner Ausführung schlichter
gehalten war. Diese Art praktischer Garderobe kam
gegen 1880 auf. Sie wurde mit einem Mantel in
Dreiviertellänge komplettiert und die Rocklänge war
ein wenig vom Boden entfernt, um das bequeme Laufen
zu erleichtern. Diese Paletots wurden wie auch
Umhänge oder viereckige Tücher ebenfalls über den
Kleidern getragen.
Die Hüte, die die Damen trugen und die unbedingt zur
vollendeten Kleidung gehörten, änderten ihr Aussehen
schneller als die Bekleidung selbst. In den Jahren
von 1880 bis 1889 wechselten Hüte mit einer
hochgeschlagenen Krempe mit Hüten ab, die durch
Aufputz mit Bändern, Federn und Blüten geschmückt
waren. Das konnte von einem Jahr zum anderen neu
sein.
Außerdem war die Damenmode farbig. Die gedeckten
Farben wurden von den älteren Jahrgängen bevorzugt,
nicht ganz freiwillig, doch es gehörte sich so,
während die Jugend und auch noch die reifere Jugend
auffallende, frohe Farben tragen konnte.
Die Stadtmode unterschied sich sehr von der
Kleidung, die auf dem Land zum Alltag gehörte. Dort
hielt man sich keineswegs an die vorgegebenen
Trends. Zeitlose Trachten zu tragen, war durchaus
üblich für den Alltag und auch für die Arbeit. Sie
waren in dezenten Farben gehalten. Die Trachten an
Sonn- und Feiertagen waren dagegen meist besonders
farbig und mit viel Zierrat versehen.
Die Herrenmode
Die Beständigkeit der Herrenmode, die oft über Jahre
hinweg kaum eine Veränderung erfuhr, wich sehr von
der wechselnden Mode der Damen ab. Die Herren waren
weder einem bestimmten Schönheitsideal unterworfen,
noch mussten sie unentwegt auf ihre Figur achten.
Ihre Garderobe entwickelte sich unbeirrt weiter,
wurde mit der Zeit immer schlichter und praktischer.
Sie wurde kontinuierlich zu einem textilen Ausdruck
dessen, was der Mann in der zeitgenössischen
Gesellschaft darstellte – ein wichtiges Mitglied,
dem der Stand anzusehen war.
Die Herren waren gut gekleidet, wenn sie ein frisch
gebügeltes Hemd trugen, einen Frack oder einen
Gehrock. Das Ensemble wurde mit einem Hut
komplettiert. So einfach, wie es klingt, war es auch
zumeist. Ein paar Details beachtete Mann dennoch.
Beispielsweise waren die Hemden mit einigen Falten
versehen. Herren, die finanziell nicht dem gehobenen
Stand angehörten, trugen mitunter anstatt eines
Hemdes nur ein Vorhemd. Das war ein steifes
Wäscheteil, das unter der stets geschlossenen Weste
den Eindruck eines Hemdes suggerierte. Da es sich
schnell in allen Kreisen durchgesetzt hatte, war es
oft gar nicht von einem echten Hemd zu
unterscheiden. Es war durchaus salonfähig, sich
einmal das Waschen eines Hemdes auf diese Art zu
ersparen. Für Junggesellen war diese Erfindung
ideal, denn nach dem Gebrauch konnte das Vorhemd
entsorgt werden. Der Cut (Gehrock oder Cutaway)
hatte vorn abgerundete Schöße. Und die ersten
Smokings, die sogenannten Raucheranzüge, kamen in
Mode. Wenn auch der Schnitt sich durch kleine
Besonderheiten unterscheiden konnte, so war Mann
doch mit diesen wenigen Dingen perfekt und zeitgemäß
gekleidet.
Etwas mehr Auswahl gab es bei den Mänteln. Der
Ulster war doppelreihig, der Chesterfield hatte eine
verdeckte Knopfleiste und der taillierte Paletot,
der dem der Damen vom Schnitt her ähnlich war,
zeichnete sich durch eine bequeme, sportliche
Raglan-Silhouette aus. Dominierend waren bei all
diesen Kleidungsstücken die Farben Schwarz, Braun,
Dunkel- oder Hellgrau. Auch Blau war noch en vogue,
aber damit erschöpfte sich die Farbvielfalt der
Herrenmode.
Kinderkleidung
Die kleinen Erwachsenen waren seit der Mitte des 19.
Jahrhunderts nicht mehr nur wie ihre Eltern
gekleidet. Eine spezielle Kinderbekleidung war der
Matrosenanzug geworden. Ihn gab es mit kurzen Hosen
und einem Einheitsschnitt für die Knaben und als
eine Variante mit einem knielangen Rock für die
Mädchen. Diese uniformierte Kindergarderobe trugen
die Kleinen im Wechsel – je nach Anlass – mit einer
Kleidung, die ansonsten der Schlichtheit der
Männerkleidung oder der Verspieltheit der Damenmode
entsprach. Eine ganz eigene Mode für Kinder, wie sie
im 20. Jahrhundert kreiert wurde, war noch nicht in
Sicht.
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