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Politik 1850-1859 – Frankreich war an allen Konflikten beteiligt


Nachdem in Europa die zum größten Teil monarchistisch-restaurativ ausgerichtete Staatenwelt der Nach-Napoleonzeit durch starke, aber im Ergebnis letztlich zumeist gescheiterten Reform- und Revolutionsbewegungen in den 1840er Jahren erschüttert worden war, erlebte der Kontinent im Folgejahrzehnt eine Phase der Reaktion. In der Tendenz sicherten sich die alten Eliten von Thron und Adel durch einige politische Reform-Zugeständnisse und durch die Schaffung wirtschaftsfreundlicher Verhältnisse die Unterstützung der besitzenden Schichten des Bürgertums. Forderungen der in Folge der Industrialisierung zunehmend verstädternden Unterschichten nach Partizipation an politischen Entscheidungsprozessen und an Verbesserung der sozialen Lage scheiterten in der Regel an der Macht des Bündnisses von Staatsmacht und konservativ-liberalem Geldbürgertum.
Eine sehr spezielle Form der Reaktion erlebte das nach zwei Revolutionen (1830 und 1848) kurzfristig wieder zur Staatsform der Republik zurückgekehrte Frankreich. Der 1848 zum Präsidenten der II. Republik gewählte Neffe Napoleons I., Louis Napoleon Bonaparte, wurde 1852 durch Volksabstimmung zum erblichen Kaiser gemacht. Als Kaiser Napoleon III. versuchte er an die „Gloire“ seines Onkels anzuknüpfen. Seine Großmachtansprüche wurden unter anderem durch das französische Engagement zugunsten der italienischen Einigungsbewegung („Risorgimento“) deutlich. Dabei scheute Napoleon auch nicht vor direkter militärischer Intervention zurück: In der Schlacht von Solferino 1859 schlugen verbündete französisch-piemontesische Truppen das österreichische Heer. Österreich verlor daraufhin die Lombardei.
Auch am wichtigsten militärischen Konflikt des Jahrzehnts war Frankreich beteiligt. Besorgt über die aggressive Expansion des russischen Reichs, das sich anschickte, das vom Niedergang gezeichnete Osmanische Reich als Hegemonialmacht auf den Balkan abzulösen, schlossen sich Frankreich und Großbritannien zur Stützung der Hohen Pforte zusammen. Nach der Besetzung der osmanischen Donaufürstentümer Moldau und Walachei kam es zum für Russland mit einer Niederlage endenden Krimkrieg (1853 – 1856).
Der Krimkrieg ist der letzte europäische Krieg, an dem sich Großbritannien bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs beteiligte. Nach 1856 zog sich das viktorianische Inselkönigreich, das 1851 in London mit der 1. Weltausstellung in eindrucksvoller Weise seine wirtschaftliche Spitzenposition demonstriert hatte, in die „Splendid Isolation“ zurück und verfolgte verstärkt überseeische Interessen. In Indien gab sie ihr bis dahin bevorzugtes Kolonial-Prinzip des „Indirect Rule“ auf und löste 1858 die private East India Company bei der Herrschaft über den südasiatischen Subkontinent endgültig ab. Gleichzeitig wurde durch die Niederschlagung des „Großen Aufstands“ („Sepoy-Aufstand“) (1857 – 1859) die britische Macht in Indien gesichert. Auch in Birma und China setzte Großbritannien seine Interessen nachdrücklich mit Gewalt durch.
China wurde durch „Ungleiche Verträge“ (Tientsin, 1858) mit Großbritannien und anderen sich erhebliche Privilegien sichernden europäischen Mächten zur Halbkolonie. Ein ähnliches Schicksal schien auch Japan bevorzustehen. Das sich seit Anfang des 17. Jahrhunderts von der Außenwelt fast völlig abgeschottete Feudal-Reich der Edo-Zeit war 1853 durch ein US-Flottengeschwader (Commander Perry) gezwungen worden, seine Häfen dem Welthandel zu öffnen.
Die USA hatten in den 1850er Jahren die „Frontier“ bis an den Pazifischen Ozean verlegen können und waren vor allem mit Fragen der Erschließung des riesigen Landes und der „Befriedung“ der indianischen Bevölkerung beschäftigt. Es kamen als Folge von Hungerkatastrophen und nach der Niederschlagung der Revolutionen von 1848/49 vermehrt Glückssucher und mit den politischen Verhältnissen in Europa unzufriedene Menschen als Einwanderer in die USA. Das schwierigste innenpolitische Problem stellte die Sklavenfrage dar, die die US-Gesellschaft zunehmend entzweite.
Während den amerikanischen politischen Verhältnissen in Europa in den 1850er Jahren üblicherweise nur wenig Bedeutung zugemessen wurde, hatte eine 1857 in den USA durch Spekulationen ausgelöste Bankenkrise globale Auswirkungen. Die Krise entwickelte sich zur ersten Weltwirtschaftskrise und wurde erst 1859 beigelegt.
Die als loser Staatenbund „Deutscher Bund“ in über souveränen 40 Mitgliedsstaaten zersplitterte politische Landschaft Deutschlands war vom Gegensatz zwischen Preußen und Österreich bestimmt. Das Kaisertum Österreich galt am Anfang des Jahrzehnts in diesem Konflikt noch als überlegene Partei. 1850 konnte Wien in der „Punktation von Olmütz“ Preußen zwingen, auf die Verfolgung seiner auf preußische Hegemonie im Deutschen Bund abzielende „kleindeutsche Unionspolitik“ zu verzichten. Spätestens nach der Schlacht von Solferino 1859 hatten sich die Gewichtungen aber zunehmend zugunsten Preußens verschoben.
Die sich seit der Napoleonzeit formierende deutsche Nationalbewegung war in der Frage uneins, wie das angestrebte Nationalreich gestaltet werden sollte. Einig waren sich aber die meisten Nationalbewegten in ihrer Unterstützung für die 1848 begonnene „Schleswig-Holsteinische Erhebung". Die schleswig-holsteinische Rebellen empörten sich gegen den nationaldänischen Versuch, die mehrheitlich von Deutschen bewohnten nordelbischen Herzogtümer, die in einem komplizierten Real- und Personalunions-Konstrukt miteinander und mit der dänischen Krone verbunden waren, verfassungsmäßig enger an Dänemark zu binden. Preußen und der die nach Unabhängigkeit innerhalb des Deutschen Bundes strebenden Schleswig-Holsteiner militärisch ebenfalls unterstützende Deutsche Bund zogen sich auf britischen Druck 1850 aus dem Krieg zurück. Die allein weiter kämpfenden Schleswig-Holsteiner wurden 24./25.Juli 1850 in der Schlacht bei Idstedt vernichtend geschlagen. 1852 wurde durch das Londoner Protokoll der Status Quo in Schleswig-Holstein wiederhergestellt.
Der US-Autor Nathaniel Hawthorne veröffentlichte 1850 mit dem Roman „Der scharlachrote Buchstabe“ eines der wichtigsten Belletristik-Werke der amerikanischen Literaturgeschichte. Mit „Onkel Toms Hütte“ (1851) schuf Hawthornes Landsmännin Harriet Beecher-Stowe nicht nur einen Longseller, sondern auch ein für die damalige Sklaven-Kontroverse in den USA wesentliches Pamphlet. Der im selben Jahr erschienene von Herman Melville geschriebene Roman „Moby Dick“, heute ein Standardwerk der Weltliteratur, hatte zunächst kaum Erfolg bei Kritik und Publikum. Mit dem 1859 erschienenen humorvollen
autobiographischen Roman „Ut de Franzosentid“ sorgte der mecklenburgische Schriftsteller Fritz Reuter für eine gewisse Renaissance des Plattdeutschen in der Literatur. Zwei Jahre vorher hatte der Franzose Gustave Flaubert mit dem Ehebruchs-Roman „Madame Bovary“ einen die Auflage fördernden Sittenskandal ausgelöst.
Mit nur 51 Jahren starb der Autor der „Göttlichen Komödie“, der französische Schriftsteller Honoré de Balzac, 1850 in Paris. Der deutsche Komponist von Erfolgs-Opern wie „Zar und Zimmermann“, Albert Lortzing (1801 -1851), starb ähnlich jung wie Balzac. Mit dem 1775 geborenen William Turner verschied 1851 einer der größten britischen Maler. Im Jahr darauf wurden der deutsche „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn (1778 – 1852), der englische Sieger der Schlacht von Waterloo (1815), Arthur Wellesley, 1. Herzog von Wellington (1769 – 1852), und der russische Schriftsteller Nikolai Gogol („Der Revisor“) zu Grabe getragen. 1855 starb der dänische Begründer der Existenzphilosophie Søren Kierkegaard (1813 – 1855) in seiner Geburtsstadt Kopenhagen. In seiner Pariser „Matratzengruft“ beendete 1856 der deutsche Dichter Heinrich Heine sein 58 Jahre dauerndes Leben. Der als „zweiter Kolumbus“ gefeierte preußische Naturforscher Alexander von Humboldt (1769 – 1859) wirkte sieben Jahrzehnte als Wissenschaftler. Mit dem ehemaligen Staatsmann Fürst Klemens von Metternich (86) starb im selben Jahr eine bei vielen Demokraten verhasste österreichische Symbolfigur der Restaurationszeit.
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