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Mode 1830 bis 1839 - Ärmel, so riesig wie ein Schinken


Das 19. Jahrhundert gilt als das Jahrhundert des technischen Aufschwungs. In künstlerischer Hinsicht war es sehr in die Romantik eingebettet. Während die Kunst ganz langsam neue Wege einzuschlagen versuchte, orientierte sich die Mode an der Vergangenheit. Es gab noch keine Haute Couture, es gab noch keinen steten Wechsel von modischen Trends. Alles geschah noch allmählich und die Konsumenten, deren Zahl zwar stetig zunahm, hatten es noch nicht gelernt, besonders wählerisch zu sein. Doch in kleinen Dingen, wie beispielsweise bei Hüten, Accessoires, Schirmen und anderem Zubehör ging der Wandel sehr schnell vonstatten. Da konnte man fast auf tägliche, wenn auch ganz winzige Veränderungen hoffen, die dann die Gemüter der Damen den ganzen Tag beschäftigten.
Die Damenmode im Biedermeierstil, der seinen Namen erst am Ende jener Epoche, quasi im Nachhinein, bekam, zeichnete sich durch eine Silhouette aus, die vor allem ein kegelförmiger, weiter Rock ausmachte. Der wiederum wurde durch eine Vielzahl von Unterröcken in eine immer breitere Form gebracht. Um das Jahr 1835 hatte die Ärmelform ihr wohl gewaltigstes Ausmaß angenommen, das sich dann einige Jahre bis ins nächste Jahrzehnt halten konnte. In der Biedermeier-Mode wurden zunehmend Materialien verwendet, die Streifen oder auch Karos hatten. Damit wollte man die Weite des Rockes beleben und das Volumen optisch vergrößern, dessen ohnehin große Flächen den Damen oft gar nicht groß genug sein konnten. Die Röcke waren bodenlang und mitunter auch ein wenig länger, so dass sie auf dem Boden entlang schleiften. Im unteren Bereich waren sie oft mit Volants zusätzlich verziert. Doch das Auffallendste waren die Ärmel, die so viel Stoff benötigten, dass man diesen in Falten nähen musste, damit sie die Form behielten und in Stand blieben. Außerdem hatten sie den Effekt, dass sie den Rücken sehr breit erscheinen ließen, so dass der normal geformte Körper kaum noch als solcher zu erkennen war. Was den Stoff durch raffinierte Schneiderkunst noch nicht in die angestrebte, pluderig-große Form brachte, gelang zusätzlich durch das Ausstopfen mit Federkissen, die später durch Stützen aus Fischbeinstäben ersetzt wurden. Die Ärmel waren modern und maßlos hinderlich zugleich. Sie waren ungefähr von 1825 bis 1835 in dieser Üppigkeit en vogue. Noch einmal kam diese Mode der Gigotärmel (Schinkenärmel) im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts auf, allerdings nur kurzzeitig, von ca. 1893 bis 1896. Allein das Klavierspielen – eine Beschäftigung, die zum alltäglichen Treiben in den Salons gehörte – brachte schwierige Situationen mit sich. Nicht nur für die Pianistin, sondern auch für den musikalischen Partner, der beim Vierhändigspielen leicht mit den voluminösen Ärmeln in Bedrängnis geriet. Doch die Damen der Biedermeierzeit waren erfinderisch. Um ein unbeschwertes Musikerlebnis zu gewährleisten, schlugen sie den Ärmel mit einer Stahlfeder in die Höhe und befestigten ihn mit einer Nadel am Schulterteil. Nicht schön, aber praktisch.
Obwohl die Damen in jener Zeit ein Korsett trugen, hatte die Einschnürung noch längst nicht die spätere Enge erreicht und stellte auch noch keine extreme Qual dar. Eine schlanke Figur wurde zwar angestrebt, wurde aber noch nicht derart augenfällig und auf solche ungesunde Weise wie in den späteren Jahren (und Jahrzehnten) künstlich durch die absolute Korsettschnürung herbeigeführt. Dennoch hatte das ästhetische Modeprinzip schon deutlich gegen das hygienisch-gesunde der vergangenen Mode-Epoche gewonnen.
Die meist schulterbreiten Dekolletés wurden oft mit einem Kaschmir-Schal bedeckt. Für den Aufenthalt im Freien trugen die Damen eine Pelerine, die sich großer Beliebtheit erfreute und deren enormer Umfang es sogar ermöglichte, die großen Ärmel zu bedecken. Vollständig gekleidet fühlte sich Frau aber erst mit dem passenden Hut. Jedenfalls in den besseren Kreisen, denn die einfachen Frauen bemühten sich zwar, die Weite ihrer Kleider oder Röcke den Trends anzupassen, aber mit einem Hut konnten die wenigstens ihre Garderobe vervollständigen. Die Hüte der Biedermeierzeit waren in jenem Jahrzehnt sehr variantenreich. Hier konnte sich die Mode jährlich ein wenig ändern. Von kleinem, fast unauffälligem Haarschmuck, der auf der hochgesteckten Frisur befestigt wurde bis hin zur Haube, zur sogenannten Schute, die nur noch kleine Locken im Gesichtsbereich sichtbar machte, waren viele Formen möglich. Charakteristisch waren die Hüte, die nach vorn ragten, mit einem großen Schirm das Gesicht umrahmten. Da sich nicht jede Frau täglich der Hilfe eines Friseurs bedienen konnte, um die kunstvolle Frisur unter dem Hut zu kämmen und Locken zu ondulieren, griffen die Damen auch auf Seidenlocken zurück, die man kaufen konnte und die farblich eine so große Auswahl boten, dass sie der eigenen Haarfarbe gut angepasst werden konnten. Rohe, gefärbte Seide wurde dafür verwendet und diese Locken wurden mit dem Hut zusammen aufgesetzt, der wiederum unter dem Kinn gebunden wurde. Die Formen des Kapott-Hütchens wandelten sich, wurden aber in jedem Fall zusätzlich mit diversem Zierrat aufgeputzt. Bänder, Rüschen oder auch florale Elemente wurden bevorzugt.

Die Herrenmode
Universell kamen die Modevorgaben für den eleganten Herrn fast ausschließlich aus London. Nationale Freiräume waren sehr wohl gestattet, aber im Allgemeinen hielten sich die Herren an das, was man in England trug, zumal die Garderobe der Männer ohnehin nur langsam gravierende Veränderungen erfuhr und damit dem Bedürfnis nach Eleganz ohne viel Aufwand ausgezeichnet nachkam.
Tagsüber wurde war in den bürgerlichen Kreisen – dazu gehörte auch das gesellschaftliche Treiben in den Salons, das sich nicht nur auf die Abende beschränkte – für die Herren Frack und Zylinder die vorrangige Bekleidung. Auffallend war auch, dass die Farbe Schwarz, wie sie einst in der spanischen Hofmode dominant war, im romantischen Zeitalter in der Gesellschaftskleidung der Männer die absolut angesagte Farbe war. Blau und Brauntöne wurden ebenso favorisiert. Wichtig war, dass sich der Herr farblich von der etwas farbenfroheren Mode der Damenwelt unterschied. Den Farbtupfer in der männlichen Bekleidung setzte die Weste, die die Einfarbigkeit auflockerte und die unbedingt zum elegant gekleideten Herrn gehörte. Farben und Karo- bzw. Streifenmuster, auch in sich gemusterte Stoffe, wurden verarbeitet. Schließlich war die Weste der Blickfang schlechthin, da der Frack sie ja nicht verdeckte. Die Garderobe war auffallend tailliert und wurde am Hals mit einer kunstvoll geknöpften Krawatte oder auch einem edlen, gewundenen Tuch ergänzt. Ein Stock mit einem Knauf – hier waren der Kunstfertigkeit und dem Material keine Grenzen gesetzt – komplettierte den Auftritt der Herren in der Gesellschaft. Die Hosen waren bodenlang, ließen kaum etwas von den Schuhen sehen und hatten am Bund Falten. In ihrer Form erinnerten sie an die Steghosen des 20. Jahrhunderts.
Zur Eleganz gehörte es auch, mit einem bartlosen Gesicht zu erscheinen. Erst im Laufe des 1830er Jahrzehnts änderte sich das. Schnurrbärte, später auch Vollbärte, machten den Mann optisch zu einem modisch gut gekleideten Herrn.

Kinderbekleidung
Eine eigens für Kinder entworfene Bekleidung gab es nicht. Die Kinder waren – je nach gesellschaftlicher Zugehörigkeit – ähnlich gekleidet wie ihre Eltern. Natürlich mussten die Mädchen keine bodenlangen Kleider tragen. Etwas mehr Bequemlichkeit war hier durchaus erlaubt. Auch die Jungen sahen ihren Vätern ähnlich. Allerdings trugen sie selten einen kleinen Frack. Der war dann den Jugendlichen vorbehalten als Zeichen, dass man sie bereits in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen hatte.
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