Die Geschichte Nordrhein-Westfalens
Die Geschichte des bevölkerungsreichsten deutschen Bundeslandes begann im
formalen Sinn am 23. August 1946 mit dem Inkrafttreten der britischen
Militärverordnung Nr. 46 vom 17. Juli 1946, durch die in der britischen
Besatzungszone das Land, noch nicht Bundesland, Nordrhein-Westfalen gegründet
worden ist.
1947 kam noch das kleine, bis dahin eigenständige Land Lippe zu
Nordrhein-Westfalen hinzu. Mit der endgültigen Rückgabe des seit 1949 durch die
Niederlande verwalteten Selfkant-Gebiets (42 qkm) erhielt Nordrhein-Westfalen
1963 seine endgültige Ausdehnung.
Im Gegensatz zu anderen deutschen Ländern, die in der unmittelbaren
Nachkriegszeit im besetzten
Deutschland von den Alliierten als Verwaltungseinheiten gegründet worden waren
und die 1949 als Bundesländer staatlichen Charakter bekamen, knüpfte
Nordrhein-Westfalen an keine historische Tradition als politische oder
volkskundliche Einheit an. Bundesländer wie
Bayern,
Bremen oder
Thüringen hatten
im ausgeprägten Maß Identität stiftende Elemente in ihren jeweiligen
historischen und kulturellen Entwicklungen aufzuweisen, die es der Bevölkerung
nicht schwer machten, an ein bereits bestehendes Zusammengehörigkeitsgefühl
anzuknüpfen. Das im Wesentlichen aus dem Nordteil der ehemaligen preußischen
Rheinprovinz und der ebenfalls ex-preußischen Provinz Westfalen bestehende
Nordrhein-Westfalen konnte als nahezu einzige historische Verbindung der beiden
Hauptlandesteile dagegen lediglich auf eine seit 1815 auf die Verwaltung
beschränkte Gemeinsamkeit als benachbarte preußische Provinzen hinweisen.
Ansonsten haben die auch mentalitätsbezogen unterschiedlichen Westfalen und
Rheinländer im Laufe ihrer Geschichte zwar Berührungspunkte gehabt, aber keine
gemeinsame Identität entwickelt.
In der Nachkriegszeit spielten bei den britischen NRW-Planungen historische
Rücksichtnahmen wie etwa bei dem ebenfalls in der britischen Zone gelegenen
Schleswig-Holstein keine Rolle. Im Vordergrund stand die verwaltungspolitische
Zukunft des als Stahl- und Kohle-Region wirtschaftlich überaus wichtigen,
geographisch sowohl rheinländische als auch westfälische Gebiete umfassenden
Ruhrgebiets.
Bereits vor der deutschen Gesamtkapitulation richteten die US-Militärbehörden im
April 1945 eine deutsche Provinzialregierung in der Rheinprovinz ein. Wenig
später wurde die Rheinprovinz auf die französische Besatzungszone und als
Nordrheinprovinz auf die britische Zone verteilt. Zur britischen Zone gehörte
auch die Provinz Westfalen. Bei der interalliierten Diskussion um die
„Ruhrfrage“ wurden Vorschläge wie eine Internationalisierung oder halbsouveräne
Eigenstaatlichkeit des Ruhrgebiets schließlich verworfen. Es setzte sich das
britische Konzept der Gründung eines großen nordrhein-
westfälischen Landes („Operation Marriage“) mit Düsseldorf als Hauptstadt und
dem Ruhrgebiet als Kern durch. Das Industrie- und Rohstoffzentrum Ruhrgebiet
sollte der wirtschaftliche Motor des Landes werden und die es umschließenden
Regionen die Versorgung der Ruhr-Bevölkerung sicherstellen. Der Bedeutung des
Ruhrgebiets wurde durch das am
28. April 1949 kurz vor Gründung der BRD
vereinbarte „Ruhrstatut“ Rechnung getragen. Das Ruhrstatut, durch die der
international besetzten Ruhrbehörde die Kontrolle über die Montanindustrie von
Nordrhein-Westfalen übertragen worden war, wurde 1952 von der „Montanunion“
genannten Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl abgelöst, einer der
wichtigsten Vorläuferorganisationen der EU.
Im Rahmen der Bundesrepublik Deutschland spielte und spielt NRW auch nach der
Umstrukturierung der Montanindustrie („Zechensterben“) in den 60er und 70er
Jahren eine wirtschaftlich zentrale Rolle.
Politisch ist Nordrhein-Westfalen auch nach der Verlagerung des
Bundesregierungssitzes vom rheinischen Bonn nach Berlin in der Bundespolitik
gewichtig geblieben. Herausragende Protagonisten der nordrhein-westfälischen
Politszene waren vor allem die Ministerpräsidenten
Karl Arnold (
CDU,
Regierungszeit 1947 bis 1956), Heinz Kühn (SPD, 1966 bis 1978) und
Johannes Rau
(SPD, 1978 bis 1998).