Die Geschichte Thüringens
Der Freistaat Thüringen ist mit 16.172 qkm Fläche eines der kleinsten Länder der
Bundesrepublik. Er grenzt im Osten an Sachsen, im Norden an Sachsen-Anhalt und
Niedersachsen, im Westen an Hessen und im Süden an Bayern. In Thüringen leben
etwa 2,2 Millionen Menschen. Mit der Landeshauptstadt Erfurt und mit Jena gibt
es zwei Großstädte im Bundesland. Prägend für den mitteldeutschen Staat ist eine
hohe Dichte an kulturhistorischen Stätten.
Thüringen ist, gemessen an seiner Größe, das waldreichste Bundesland.
Kennzeichnend sind zahlreiche Hügellandschaften, die nach Süden in das
Mittelgebirge des Thüringer Waldes übergehen. Der höchste Berg ist der Große
Beerberg mit 983 Meter Höhe. Im Vorland des Thüringer Waldes erstrecken sich mit
dem Thüringer Becken und der Goldenen Aue fruchtbare Gebiete, die zu den
ältesten Kulturlandschaften Deutschlands zählen. Die bedeutendsten Flüsse sind
die Saale mit ihrem Nebenfluss Unstrut und die Werra. Der Nationalpark Hainich
gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Vorgeschichte
Der Stamm der Thüringer bildete sich während der Völkerwanderungszeit in der
Spätantike. Ein Königreich im Thüringer Becken existierte bis 531, als es die
Franken mit Gewalt in ihr Reich integrierten. Aus der Zeit des von den
Merowingern gebildeten Herzogtums Thüringen sind erste Ortsgründungen
nachweisbar (Arnstadt 704, Erfurt 742). Zeitgleich kam es zur Christianisierung
des Landes und er Gründung eines Bistums Erfurt. Unter den Ottonen im 10.
Jahrhundert wurde das Gebiet ein Zentrum der Königsherrschaft. Im 11. und 12.
Jahrhundert konnten die Landgrafen von Thüringen ein größeres Gebiet unter ihrer
Herrschaft vereinen. 1264 gingen große Teile des Landes an die Wettiner, die bis
1918 über dieses Territorium walteten. Der Name Thüringen als Bezeichnung einer
territorialen Herrschaft verschwand für fast 700 Jahre.
1485 teilten die wettinischen Herzöge Ernst und Albrecht ihr Herrschaftsgebiet
auf, so dass die Ernestiner über große Teile Thüringens herrschten. Aufgrund
folgender Erbteilungen begann ab 1572 die fortwährende Zersplitterung des
ernestinischen Besitzes in zahlreiche Herzogtümer. Aus dem Hause Sachsen-Gotha
stammten in den folgenden Jahrhunderten einige europäische Könige
(Großbritannien, Belgien, Portugal, Bulgarien).
Mit der 1833 erfolgten Gründung des Zoll- und Handelsvereins der Thüringischen
Staaten gab es erstmals wieder einen Erfolg versprechenden Versuch, eine größere
territoriale Einheit herzustellen. Doch erst die Abdankung der Monarchen im Zuge
der Novemberrevolution 1918 machte den Weg zur Gründung des Freistaates
Thüringen frei.
Freistaat und Bundesland Thüringen
Nach den Landtagswahlen von 1919 beschlossen die noch verbliebenen acht
Kleinstaaten, sich zum Freistaat Thüringen zu vereinigen. Man griff hier bewusst
auf den alten Stammesnamen zurück, um so von vornherein Sonderwünsche einzelner
Territorien auszuschließen. Der 1816 gebildete Regierungsbezirk Erfurt mit der
Stadt Erfurt, dem Eichsfeld und den Reichsstädten Mühlhausen und Nordhausen
gehörte zunächst noch zum Land Preußen. Die erste Hauptstadt war Weimar.
1944
wurden die preußischen Gebiete um Erfurt in das Land Thüringen eingegliedert.
Diese Territorialreform wurde nach dem Kriegsende 1945 nicht nur bestätigt,
sondern Erfurt auch neue Landeshauptstadt. Die Verwaltungsneugliederung in DDR
1952 beendete bereits wieder den Bestand eines Landes Thüringen und gliederte
das Gebiet in die drei Bezirke Erfurt, Gera und Suhl.
Im Prozess des politischen Zusammenbruchs
der DDR 1989/90 breiteten sich auch
Ideen einer politischen Neustrukturierung des ostdeutschen Gebiets aus.
Letztlich setzten sich die Traditionalisten durch und es kam zur Bildung von
fünf verhältnismäßig kleinen und damit wirtschaftlich relativ schwachen
Bundesländern. Thüringen wurde aus den Bezirken Erfurt, Gera und Suhl sowie aus
den Kreisen Schmölln und Altenburg des Bezirkes Leipzig und des Kreises Artern
aus dem Bezirk Halle zusammengesetzt. Die erste Landtagswahl im neu gegründeten
Freistaat Thüringen fand am 14. Oktober 1990 statt. Zur Landeshauptstadt
bestimmte der Landtag am 10. Januar 1991 Erfurt.
Politik und Verwaltung
Die Verfassung des Landes verabschiedete der Landtag am 25. Oktober 1993 in
einer Sondersitzung auf der Wartburg. Nach einer 70-prozentigen Zustimmung bei
einem Volksentscheid am
16. Oktober 1994 trat sie endgültig in Kraft. Die
Verfassung lehnt sich in Grundzügen an das deutsche Grundgesetz an. Doch geht
sie noch darüber hinaus, da sie in ausführlicher Form Ziele staatlichen Handelns
formuliert. Dazu zählen unter anderem: Sozialstaatlichkeit, Schutz für Menschen
mit Behinderung, die Möglichkeit, durch frei gewählte Arbeit den eigenen
Lebensunterhalt zu verdienen, Tierschutz, ein Angebot angemessenen Wohnraums.
In der Verwaltung weist Thüringen gegenüber den anderen deutschen Flächenstaaten
eine Besonderheit auf: Es gibt keine Regierungspräsidien oder
Bezirksregierungen. Als einzige Behörde mit einer entsprechenden Stellung und
Funktion arbeitet das Landesverwaltungsamt in Weimar. Ihm sind die Landratsämter
der Kreise und die Stadtverwaltungen der kreisfreien Städte unterstellt.
Thüringen ist mit 17 Kreisen das ostdeutsche Bundesland mit der kleinteiligsten
Kreisgliederung. Eine Kreisreform wird zwar seit Jahren diskutiert, scheiterte
bisher aber stets an der stärksten Partei, der
CDU.
Wirtschaft
Die Einführungen der sozialen Marktwirtschaft nach der deutschen Einheit hatte
in Thüringen, wie in den anderen ostdeutschen Bundesländern, tief greifende
wirtschaftliche Umstrukturierungsprozesse zur Folge. Seit der Jahrtausendwende
gelang es dem Land, sich von der geringen Wachstumsdynamik der anderen neuen
Bundesländer abzukoppeln und einige zukunftsfähige Wirtschaftszweige zu
entwickeln. Besonders der Raum Erfurt-Weimar-Jena verzeichnet ein hohes
Wirtschaftswachstum. Große Unternehmen siedelten sich vor allem in Eisenach
(Autoindustrie) und Jena (Optik, Biotechnologie und Mikroelektronik) an.
Ansonsten dominieren im Land klein- und mittelständische Unternehmen. Führende
Wirtschaftszweige sind Glas- und Keramikproduktion, Spielwaren,
Lebensmittelindustrie, Textilien, Holz- und Metallverarbeitung. Der für
Thüringen lange Zeit kennzeichnende Bergbau spielt heute keine große Rolle mehr.
Kultur
Gerade wegen der jahrhundertelangen politischen Zersplitterung entwickelten sich
die thüringischen Territorien Zentren der deutschen Kultur. Hier nahm die
lutherische Reformation ihren Ausgangspunkt. Um die Person Ulrich von Huttens
entwickelte sich zugleich ein Zentrum des deutschen Humanismus. Sachsen-Gotha
führte als erster Staat der Welt 1642 eine allgemeine Schulpflicht für Kinder ab
zwölf Jahren ein. Im 18. und 19. Jahrhundert schließlich erblühten in dieser
Region die Weimarer Klassik um Goethe und Schiller, die Jenaer Romantik um
Novalis, Brentano und Schlegel und mit Fichte, Schelling und Hegel auch ein
Zentrum der deutschen Philosophie.
Die kulturelle Vielfalt spiegelt sich heute in der Vielzahl historischer und
architektonisch wertvoller Bauten und Einrichtungen der ehemaligen Residenzen
wider. So finden sich im Land zahlreiche regionalgeschichtliche Museen.
Hervorzuheben sind die Weimarer Weltkulturerbestätten, das Bauhaus und die
Wartburg. Mit dem Spielzeugmuseum in Sonneberg, dem Deutschen Gartenbaumuseum in
Erfurt und dem optischen Museum in Jena bietet Thüringen Spezialmuseen mit
bundesweiter Bedeutung. Zahlreiche Theater und Orchester konnten sich vor allem
durch ihre Spezialisierungen Weltruf erarbeiten.