Das Modejahr 1975 Mode – Enge Schnitte, weite Hosen

Die Jugend wurde schneller erwachsen. Jedenfalls auf dem Papier, denn ab 1 Januar galt: Die Volljährigkeit beginnt mit 18 Jahren. Und die UNO rief das „Jahr der Frau“ aus. Motto: Gleichberechtigung, Entwicklung, Frieden. Was tat die Mode? Glaubte man den einschlägigen Presseerzeugnissen, dann war mit Vielseitigkeit und modischer Demokratie zu rechnen. Das sah in der Praxis wie ein großes, nicht überschaubares Durcheinander aus.
Wenn es nicht gerade die folkloristischen Empfehlungen waren, die die Frau zur bunt ausstaffierten Zigeunerin machten, dann waren es chinesische Elemente, die sich Bahn brachen. Der Kimono wurde als gesteppte, wattierte Jacke empfohlen. Es gab Blusen, deren Stickereien asiatisch anmuteten und in den Röcken verbargen sich unter gekräuselter Paspelierung Einstecktaschen.
Overalls kamen in Mode. Dieses Kleidungsstück, das Yves Saint-Laurent laufstegfähig machte, war schlanken Mädchen und Damen vorbehalten. Die figürlich nicht so makellosen Trägerinnen bevorzugten Kaftankleider, unter denen sich eine Menge verbergen ließ, sogar eine Schwangerschaft. Der karierte oder einfarbige Rock aus mehreren Bahnen war modisch ein Renner. Man trug dazu Poloblusen, deren kurze Halsausschnitte bis oben zugeknöpft werden konnten. Das tat man auch. Die Blusen waren körperbetont geschnitten, wurden vor allem mit Gürtel getragen. Sie erinnerten an den rumänischen Trachtenstil. Unverändert im Modejahr 1975 war die Hose. Der Schlag war immer noch modern und die dazu engen, halboffenen Hemden der Jungs waren das ideale Outfit der 70er für die Tanznächte in der Diskothek. Und die entsprechende Musik kam als Gemisch von Soul, Funk und Latin-Rock aus Amerika. Die große Zeit der Schweden-Gesangsgruppe ABBA war angebrochen. Da sah man auch die Knickerbocker, die unbedingt mit engen, hochhackigen Stiefel getragen werden mussten. Man konnte die Stiefel aber auch durch Kniestrümpfe ersetzen, um einen ähnlichen Effekt zu erzielen.

Die Stars spiegelten die Mode der Straße wider.

Die engen Schnitte der Schlaghosen wurden unmerklich etwas weiter. Schließlich brauchte man für den neuen Hüftschwung in der Diskothek Kleidung, die diesen Schwung auch aushielt. Ein besonderes Accessoire eroberte das Herz, bzw. den Hals der Mädchen und Frauen: ein schmaler, langer Schal. Er war so lang, dass man ihn mühelos doppelt um den Hals winden konnte und noch genügend Länge übrig hatte, damit er vorn auffallend sichtbar herab hing. Dieser Longschal wurde bald zu einem zeitlosen Accessoires für alle Altersgruppen und sogar modemutige Männer nutzten ihn, um ihrem Aussehen etwas Fesches zu verleihen.
Die Alltagskleidung unterschied sich von der Abendgarderobe in der Schnittform nur unwesentlich. Lediglich das Material und die Länge ließen einen festlichen Anlass erkennen. Abendkleider waren knöchellang. Ein wenig Abwechslung brachten die Sirenenkleider von Yves Saint-Laurent oder die festlichen Kreationen, die Karl Lagerfeld für Chloë kreierte. Die verzauberten die Trägerin mit einem Hauch Antike.
Die Mode für die Herren wies keine aufregenden Veränderungen auf. Lediglich der Bundeskanzler Helmut Schmidt zeigte mit seiner Prinz-Heinrich-Mütze eine Kopfbedeckung, die, etwas schräg getragen, angenehm keck aussah. Das EG-Gipfeltreffen in Dublin glich zwar keinem Laufsteg, aber die Mütze fand mindestens die gleiche Beachtung, als wäre sie von der Haute Couture präsentiert worden. Nachahmer fanden sich jedenfalls sofort. Was sollte man dazu sagen? Mike Krüger brachte es auf den Punkt: Mein Gott, Walther!