DDR 1978 – DDR-Kosmonaut Sigmund Jähn flog und eine Selbstverbrennung

Das Jahr begann im Januar mit der Schließung des Büros des Hamburger Wochenmagazins „Der Spiegel“ in der DDR-Hauptstadt Ost-Berlin. Die DDR-Behörden hatten Anstoß daran genommen, dass „Der Spiegel“ ein „Manifest“ von einem angeblich in der DDR ansässigen „Bund Demokratischer Kommunisten Deutschlands“ veröffentlicht hatte. Da half auch der Protest der Bundesregierung nicht. Der „Bund Demokratischer Kommunisten Deutschlands“ war eine angebliche Opposition innerhalb der DDR-Staatspartei SED. Das Manifest war von dem Dissidenten Hermann von Berg verfasst worden. Dieser Publizist war von 1962 bis 1972 Geheimdiplomat der DDR gewesen. Nun hatte der Protest der BRD-Regierung zwar nichts gegen die Schließung des „Spiegel“-Büros ausrichten können, aber das Manifest selbst wurde auch im Bundestag diskutiert. Bundeskanzler Helmut Schmidt sah in dem Dokument eine Gefährdung der Entspannungspolitik zwischen beiden deutschen Staaten.
Die DDR-Behörden zeigten ihre Stärke einmal mehr, als sie mehreren Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Einreise nach Ost-Berlin verweigerte. Unter denen, die sich anlässlich einer Fraktionssitzung in West-Berlin aufhielten und in die DDR einreisen wollten, befand sich der CDU-Vorsitzende Helmut Kohl.
Einreisen durfte dafür im März der österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky, der als erster westlicher Regierungschef die DDR besuchte.
Prominente internationale Schriftsteller wie unter anderem Heinrich Böll, Graham Green und Arthur Miller, die sich solidarisch mit der „Charta 77“ zeigten, hatten die Freilassung des Publizisten Rudolf Bahros gefordert. Dieser hatte im Vorjahr mit der Veröffentlichung seines Buches „Die Alternative“ für Aufruhr in den oberen Kreisen gesorgt. Bahro war daraufhin wegen angeblicher Spionage verhaftet und in einem Schauprozess, in dem das Urteil vorab festgelegt war, verurteilt worden.
Das Kulturministerium der DDR nahm es mit der Kunst, aber vor allem mit der Kritik am Regime sehr ernst. Deshalb hatte das Kulturministerium im Februar einen „Plan zur langfristigen Entwicklung der sozialistischen Kultur und ihrer materiell technischen Basis“ veröffentlicht. Was immer sich hinter den „markigen“ Formulierungen verbarg, Tatsache war, dass die DDR-Behörden eine klare Vorstellung davon hatten, wie sozialistische Kunst und Literatur zu sein hatte. Auf keinen Fall kritisch. Deshalb wurden gewisse Künstler von den Bürgern argwöhnisch beäugt, wenn ihr Schaffen in den Augen der Oberen wohlgefällig war. Böse Zungen nannten sie auch „Hofnarren“.
Der August ging mit einem für die DDR sensationellen Ereignis zu Ende. Zusammen mit dem sowjetischen Kosmonauten Valerij Bykowski war der Oberstleutnant der Nationalen Volksarmee (NVA), Sigmund Jähn, an Bord des sowjetischen Raumschiffs „Sojus 31“ gegangen. Der erste Deutsche im Weltall war aus der DDR. Die Presseberichte überschlugen sich vor Begeisterung, denn natürlich war dies ein Zeichen, dass der Sozialismus auf dem Vormarsch und also erfolgreich war. Das Raumschiff wurde an die Raumstation „Saljut 6“ angekoppelt. Diese umkreiste seit September 1977 die Erde. Noch spektakulärer als der Start war die Rückkehr des tapferen Helden: Am 21. September wurden die Kosmonauten Sigmund Jähn und Valerij Bykowski von der Partei- und Staatsführung der DDR in der Hauptstadt Ost-Berlin empfangen und mit hohen Auszeichnungen überhäuft und zu Ehrenbürgern von Berlin ernannt.
Wenige Tage zuvor, am 17. September 1978 hatte ein Ereignis im vogtländischen Falkenstein für große Aufregung gesorgt, aber für wenige Schlagzeilen. Schließlich sollte keine negative Presse in der Bundesrepublik provoziert werden. Das Ereignis selbst war jedoch ein Schock. In der Heilig-Kreuz-Kirche hatte der Pfarrer Rolf Günther sich selbst verbrannt. Der 41-Jährige, der seinen Talar bereits mit Benzin getränkt hatte, schüttete weiteres Benzin auf die Altarteppiche und hielt seine Arme über die brennenden Altarkerzen. Er entrollte noch ein Plakat mit der Aufschrift „Wacht endlich auf!“ und starb dann unmittelbar in den Flammen. Keiner der Gottesdienst-Besucher wurde verletzt, alle konnten den Kirchenraum wohlbehalten verlassen. Es blieb das Entsetzen. Dieser Selbstverbrennung ging innerhalb der Gemeinde ein schwerer Konflikt voraus, in dem theologische Positionen und Frömmigkeitspraxis das Hauptthema waren. In der Folge dieses Konflikts war Rolf Günther vom Kirchenvorstand faktisch entlassen worden.
Die DDR hatte noch einen anderen Todesfall zu verkraften. Das Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK der SED hatte im Rahmen einer Afrika-Reise im März Libyen besucht. Verhandlungen mit der libyschen Regierung über die Gewährung von Krediten und ein Abkommen, das die Finanzierung von Technikexporten der DDR in Drittländer durch Libyen standen zur Debatte. Die Vereinbarungen konnten nie konsequent umgesetzt werden, weil Werner Lamberz gemeinsam mit dem ZK-Abteilungsleiter für internationale Verbindungen Paul Markowski, dem Dolmetscher Armin Ernst und dem Fotoreporter Hans-Joachim Spremberg beim Absturz eines Hubschraubers in Libyen tödlich verunglückten.
Im Vorjahr hatte das BRD-Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ einen Auszug aus dem schon länger angekündigten Buch und ein Interview mit Rudolf Bahro veröffentlicht, worauf der Philosoph, Politiker und Sozialökologe am Tag darauf verhaftet und in das Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen gebracht worden war. Nun wurde er am 30. Juni 1978 zu acht Jahren Haft verurteilt. Bahro gehörte zu den profiliertesten Dissidenten der DDR, der durch sein sozialismuskritisches Buch „Die Alternative“ bekannt geworden war.
Die DDR legte großen Wert auf die Wehrerziehung in ihrem Land. Bereits im Jahr 1976 hatte das Politbüro des ZK der SED beschlossen, eine Arbeitsgruppe unter Verantwortung des Ministeriums für Volksbildung unter Bildungsministerin Margot Honecker, dem Ministerium für Nationale Verteidigung und der Abteilung Volksbildung des ZK der SED zu bilden, um die Einführung des Schulfachs Wehrkunde vorzubereiten. So wurde dieses Schulfach am 1. September 1978 zum regulären Unterrichtsfach, zunächst für die 9. Klassen, im Jahr darauf auch für die 10. Klassen. Die Teilnahme war Pflicht. Das Recht auf Verweigerung blieb den Schülern verwehrt, so wie auch die Verweigerung des Wehrdienstes in der DDR nicht möglich war. Der Unterricht war in die Theorie an den Schulen, einem Wehr- oder Zivilverteidigungslager und den abschließenden „Tagen der Wehrbereitschaft“ gegliedert.
Das Jahresende wurde vom Wetter dominiert. Ein Wintereinbruch großen Ausmaßes legte mit meterhohen Schneeverwehungen den Straßen- und Eisenbahnverkehr lahm. Die Insel Rügen war von der Außenwelt abgeschnitten. Die meisten Verkehrswege im Nordosten der DDR waren unpassierbar. Starker Sturm machte die Versorgung aus der Luft unmöglich.
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