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Das Musikjahr 1939 – Schwarzer Blues in den USA und Kriegsbeginn in Deutschland

Mit dem Angriff auf Polen, der angeblich als deutscher Racheakt erfolgte, brach 1939 der Zweite Weltkrieg aus. Später stellte sich natürlich heraus, dass das fingierte „Zurückschießen“ ein lang gehegter Plan war, den die Nazis endlich in die Tat umsetzten. Im September erklärten Frankreich und England den Deutschen den Krieg. Polen hatte bereits kapituliert.
Innerhalb des Deutschen Reichs war nun die „Judenfrage“ das eigentliche Thema. Immer mehr Menschen wurden verhaftet und verschleppt, Ghettos errichtet, jüdischen Menschen das Mietrecht entzogen. Synagogen brannten, Geschäfte wurden boykottiert. Bösartige Karikaturen zeugten von der Rolle, die der Jude unter den Deutschen zu spielen hatte. Wer jüdische Geschäfte aufsuchte, musste sich der Verachtung seiner Mitbürger stellen.
Die Zeit war ganz „Blues“. Traurige Ereignisse lösten einander ab, Menschen begannen sich auf den Krieg einzurichten, die Dinge nahmen ihren grausamen Lauf. Währenddessen war auch der echte Blues allmählich im Kommen, so z. B. die zwölfseitige Gitarre von Leadbelly, eigentlich Hodson William Ledbetter, ein schwarzer Blues-Sänger, der neben der Gitarre auch Klavier, Akkordeon, Mundharmonika und Mandoline spielte und einen ungewöhnlichen Ruf als Musiker genoss.
Leadbelly hatte seinen eigenen Stil auf der Straße gelernt, insbesondere in den Rotlichtbezirken und Hintergassen, in denen er auftrat, um etwas Geld zu verdienen. Auch das Gefängnis kannte der Musiker von innen, saß zuerst wegen Körperverletzung, dann wegen Mordes ein.
Seine Entlassung erhielt er wegen guter Führung und weil er dem zuständigen Gouverneur seine Bitte auf Begnadigung als Lied vortrug. Das alles fand 1925 statt und der Blues-Sänger war nicht gerade von Reue geplagt. 1930 wurde er erneut verhaftet, diesmal wegen Raubes und Mordversuchs.
Und wieder wurde er fünf Jahre später entlassen, machte sich in der damaligen Musikszene schnell einen Namen. 1939 kamen Songs wie „De Kalb Blues“, „The Gallis Pole“ oder „The Bourgeois Blues“ von ihm heraus.
In Richtung Jazz war Artie Shaw mit „Begin the Beguine“ in den Charts vertreten. Seine 1936 gegründete Big Band wurde eine der Sensationen der Swing-Ära. Sein Klarinettenspiel und einige seiner Platten, wie z. B. „Stardust“, waren richtungsweisend für den Jazz.
Ursprünglich war der 1939 erschienene Song von Cole Porter geschrieben worden, der „Beguine“ ein karibischer Tanz, wobei die Wörter „Beguine“ und „begin“ im Englischen gleich ausgesprochen werden. Der Text wiederum war leicht verwirrend und hinterfragte die romantische Atmosphäre der Tropennächte.
Durch die einprägsame Melodie und trotz des eher komplexen Aufbaus wurde der Song bald zum Jazz-Standard, interpretiert von Jimmy Dorsey, Benny Goodman, Glenn Miller, Ella Fitzgerald, Frank Sinatra und viel später auch von Julio Iglesias. Fred Astaire tanzte dazu und der Künstler Max Beckmann ließ sich durch den Song zu einem seiner bekanntesten Gemälde inspirieren.
Auch Billie Holiday machte 1939 von sich reden, sang gegen den Rassismus und die Lynchmorde in den Südstaaten von Amerika an. Das Lied hieß „Strange Fruit“, im Ausdruck ein Symbol für die Schandtaten an Schwarzen. Als Holiday diesen Song im „Café Society“ zum Besten gab, wurde er schnell weltbekannt. Er passte im Grunde nicht in ihr übliches Programm, das auf ein ausgewähltes Jazz-Liebhaber-Publikum abgestimmt war. Dennoch entschied sie sich, den Song zu singen und brachte ihn dermaßen aufwühlend herüber, dass danach Totenstille herrschte und erst zögernd der erste Applaus einsetzte. Kein Wunder. Die Kritik im Text war bewegend, aber Holidays Ausdruck und Stimme machten daraus ein musikalisches Gebet. Die besungene Frucht war der Körper einer Schwarzen, hängend an einem Baum, die Blätter mit Blut besudelt. Obwohl die Sklaverei in den USA längst abgeschafft war, blieb der Rassismus gegen Schwarze und die Rassentrennung weiter ein alltägliches Problem. In nur kurzer Zeit, bis etwa 1940, wurden fast viertausend Menschen gelyncht und ermordet, alleine aufgrund ihrer Hautfarbe.
Holiday hatte später durch einen Ghostwriter ihre Memoiren schreiben lassen, in denen sie davon berichtet, wie sie sich aus dem Elend ihrer Kinder- und Jugendzeit herausgearbeitet hatte. Das „Café Society“ in New York, einziger Ort in „Greenwich Village“, in dem schwarze und weiße Gäste willkommen waren, wurde eine wichtige Auftrittsmöglichkeit für die Sängerin, die bald als elegante Bühnenpräsenz populär war, hinter der ihre Vergangenheit zu erlöschen drohte.
Als Schwarze war Holiday zuvor noch gezwungen gewesen, in Häusern und Hotels den Frachtaufzug zu benutzen und hatte häufig rassistische Angriffe zu erdulden. Nur zwei Jahre vor ihrem Auftritt und dem geschichtsträchtigen Song starb ihr Vater, weil einige Krankenhäuser sich geweigert hatten, ihn zu behandeln. Für Holiday war eindeutig, dass nicht die Lungenentzündung ihren Vater getötet hatte, sondern der Rassismus. Der Song wurde Sinnbild dafür.
Zwar der letzte große Hit von ihm, aber 1939 besonders angesagt, war „Deep Purple“ von Larry Clinton. Der Song wurde im gleichen Jahr auch von anderen Musikern übernommen, die ebenso häufig in der Hitparade landeten, darunter Bing Crosby oder Jimmy Dorsey.
Louis Armstrong wiederum brachte sein berühmtes „When the Saints Go Marching In“ heraus, und Glenn Miller erschien mit seinem melancholisch schönen Song „Moon Love“.

Country-Musik 1939
In Atlanta, Georgia (USA) ging das "WJTL Fulton County Jamboree" zum ersten Mal auf Sendung. Das Jahr wurde durch Top-Hits wie "Annabelle" von den Hoosier Hot Shots, "Back In The Saddle Again" von Gene Autry oder "Convict And The Rose" von den Bob Wills and his Texas Playboys geprägt. Weitere nationale Hits in diesem Jahr waren aber auch "It Makes No Difference Now" von Jimmie Davis, "San Antonio Rose" und "Silver Bell" von den Bob Wills and his Texas Playboys. Außerdem "South of the Border (Down Mexico Way)" von Gene Autry, "That's What I Like About the South" von den Bob Wills and his Texas Playboys und "Truck Driver Blues" von Ted Daffan's Texans. Insbesondere ragte aber "Footprints In The Snow" von Cliff Carlisle heraus.

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