1930
1931
1932
1933
1934
1935
1936
1937
1938
1939
Das Musikjahr 1939 – Schwarzer Blues in den USA und Kriegsbeginn in Deutschland
Mit dem Angriff auf Polen, der angeblich als
deutscher Racheakt erfolgte, brach 1939 der Zweite
Weltkrieg aus. Später stellte sich natürlich heraus,
dass das fingierte „Zurückschießen“ ein lang
gehegter Plan war, den die Nazis endlich in die Tat
umsetzten. Im September erklärten Frankreich und
England den Deutschen den Krieg. Polen hatte bereits
kapituliert.
Innerhalb des Deutschen Reichs war nun die
„Judenfrage“ das eigentliche Thema. Immer mehr
Menschen wurden verhaftet und verschleppt, Ghettos
errichtet, jüdischen Menschen das Mietrecht
entzogen. Synagogen brannten, Geschäfte wurden
boykottiert. Bösartige Karikaturen zeugten von der
Rolle, die der Jude unter den Deutschen zu spielen
hatte. Wer jüdische Geschäfte aufsuchte, musste sich
der Verachtung seiner Mitbürger stellen.
Die Zeit war ganz „Blues“. Traurige Ereignisse
lösten einander ab, Menschen begannen sich auf den
Krieg einzurichten, die Dinge nahmen ihren grausamen
Lauf. Währenddessen war auch der echte Blues
allmählich im Kommen, so z. B. die zwölfseitige
Gitarre von
Leadbelly, eigentlich Hodson William
Ledbetter, ein schwarzer Blues-Sänger, der neben der
Gitarre auch Klavier, Akkordeon, Mundharmonika und
Mandoline spielte und einen ungewöhnlichen Ruf als
Musiker genoss.
Leadbelly hatte seinen eigenen Stil auf der Straße
gelernt, insbesondere in den Rotlichtbezirken und
Hintergassen, in denen er auftrat, um etwas Geld zu
verdienen. Auch das Gefängnis kannte der Musiker von
innen, saß zuerst wegen Körperverletzung, dann wegen
Mordes ein.
Seine Entlassung erhielt er wegen guter Führung und
weil er dem zuständigen Gouverneur seine Bitte auf
Begnadigung als Lied vortrug. Das alles fand 1925
statt und der Blues-Sänger war nicht gerade von Reue
geplagt. 1930 wurde er erneut verhaftet, diesmal
wegen Raubes und Mordversuchs.
Und wieder wurde er fünf Jahre später entlassen,
machte sich in der damaligen Musikszene schnell
einen Namen. 1939 kamen Songs wie „De Kalb Blues“, „The
Gallis Pole“ oder „The Bourgeois Blues“ von ihm
heraus.
In Richtung Jazz war Artie Shaw mit „Begin the
Beguine“ in den Charts vertreten. Seine 1936
gegründete Big Band wurde eine der Sensationen der
Swing-Ära. Sein Klarinettenspiel und einige seiner
Platten, wie z. B. „Stardust“, waren
richtungsweisend für den Jazz.
Ursprünglich war der 1939 erschienene Song von Cole
Porter geschrieben worden, der „Beguine“ ein
karibischer Tanz, wobei die Wörter „Beguine“ und „begin“
im Englischen gleich ausgesprochen werden. Der Text
wiederum war leicht verwirrend und hinterfragte die
romantische Atmosphäre der Tropennächte.
Durch die einprägsame Melodie und trotz des eher
komplexen Aufbaus wurde der Song bald zum
Jazz-Standard, interpretiert von Jimmy Dorsey, Benny
Goodman, Glenn Miller, Ella Fitzgerald, Frank
Sinatra und viel später auch von Julio Iglesias.
Fred Astaire tanzte dazu und der Künstler Max
Beckmann ließ sich durch den Song zu einem seiner
bekanntesten Gemälde inspirieren.
Auch Billie Holiday machte 1939 von sich reden, sang
gegen den Rassismus und die Lynchmorde in den
Südstaaten von Amerika an. Das Lied hieß „Strange
Fruit“, im Ausdruck ein Symbol für die Schandtaten
an Schwarzen. Als Holiday diesen Song im „Café
Society“ zum Besten gab, wurde er schnell
weltbekannt. Er passte im Grunde nicht in ihr
übliches Programm, das auf ein ausgewähltes
Jazz-Liebhaber-Publikum abgestimmt war. Dennoch
entschied sie sich, den Song zu singen und brachte
ihn dermaßen aufwühlend herüber, dass danach
Totenstille herrschte und erst zögernd der erste
Applaus einsetzte. Kein Wunder. Die Kritik im
Text
war bewegend, aber Holidays Ausdruck und Stimme
machten daraus ein musikalisches Gebet. Die
besungene Frucht war der Körper einer Schwarzen,
hängend an einem Baum, die Blätter mit Blut
besudelt. Obwohl die Sklaverei in den USA längst
abgeschafft war, blieb der Rassismus gegen Schwarze
und die Rassentrennung weiter ein alltägliches
Problem. In nur kurzer Zeit, bis etwa 1940, wurden
fast viertausend Menschen gelyncht und ermordet,
alleine aufgrund ihrer Hautfarbe.
Holiday hatte später durch einen Ghostwriter ihre
Memoiren schreiben lassen, in denen sie davon
berichtet, wie sie sich aus dem Elend ihrer Kinder-
und Jugendzeit herausgearbeitet hatte. Das „Café
Society“ in New York, einziger Ort in „Greenwich
Village“, in dem schwarze und weiße Gäste willkommen
waren, wurde eine wichtige Auftrittsmöglichkeit für
die Sängerin, die bald als elegante Bühnenpräsenz
populär war, hinter der ihre Vergangenheit zu
erlöschen drohte.
Als Schwarze war Holiday zuvor noch gezwungen
gewesen, in Häusern und Hotels den Frachtaufzug zu
benutzen und hatte häufig rassistische Angriffe zu
erdulden. Nur zwei Jahre vor ihrem Auftritt und dem
geschichtsträchtigen Song starb ihr Vater, weil
einige Krankenhäuser sich geweigert hatten, ihn zu
behandeln. Für Holiday war eindeutig, dass nicht die
Lungenentzündung ihren Vater getötet hatte, sondern
der Rassismus. Der Song wurde Sinnbild dafür.
Zwar der letzte große Hit von ihm, aber 1939
besonders angesagt, war „Deep Purple“ von Larry
Clinton. Der Song wurde im gleichen Jahr auch von
anderen Musikern übernommen, die ebenso häufig in
der Hitparade landeten, darunter Bing Crosby oder
Jimmy Dorsey.
Louis Armstrong wiederum brachte sein berühmtes „When
the Saints Go Marching In“ heraus, und Glenn Miller
erschien mit seinem melancholisch schönen Song „Moon
Love“.
Country-Musik 1939
In Atlanta, Georgia (USA) ging das "WJTL Fulton
County Jamboree" zum ersten Mal auf Sendung. Das
Jahr wurde durch Top-Hits wie "Annabelle" von den
Hoosier Hot Shots, "Back In The Saddle Again" von
Gene Autry oder "Convict And The Rose" von den Bob
Wills and his Texas Playboys geprägt. Weitere
nationale Hits in diesem Jahr waren aber auch "It
Makes No Difference Now" von Jimmie Davis, "San
Antonio Rose" und "Silver Bell" von den Bob Wills
and his Texas Playboys. Außerdem "South of the
Border (Down Mexico Way)" von Gene Autry, "That's
What I Like About the South" von den Bob Wills and
his Texas Playboys und "Truck Driver Blues" von Ted
Daffan's Texans. Insbesondere ragte aber "Footprints
In The Snow" von Cliff Carlisle heraus.
<<
Musikjahr
1938
|
Musikjahr
1940 >>