Literatur 1937 Das literarische Jahr
In Paris wurde ein herabfallender Ast dem
Schriftsteller Ödön von Horváth zum Verhängnis. Als
er die Straße überquerte, wurde er von diesem
erschlagen. Auch der Autor Thomas Wolfe, von dem
Romane wie „Schau heimwärts, Engel“ oder „Es führt
kein Weg zurück“ stammten, erlag der Tuberkulose und
starb 1937.
Pablo Picasso malte in diesem Jahr eines seiner
Meisterwerke, dass gleichzeitig Mahnmal für den
Luftangriff der Deutschen auf die Stadt Guernica
wurde. Das Bild „Guernica“ wurde auf der
Weltausstellung in Paris gezeigt und fand großen
Anklang.
Die Kunst war allgemein ein Thema jenes Jahres.
Während in Spanien weiterhin der Bürgerkrieg tobte,
wurde in Deutschland die Ausstellung „Entartete
Kunst“ gezeigt. Sie sollte demonstrieren, was ab
sofort nicht mehr unter den Begriff „Kunst“ fallen
würde. Die dort gezeigten Werke wurden nach der
Eröffnung vernichtet.
Das Staatsoberhaupt Italiens stattete Hitler
währenddessen einen Besuch ab. Mussolini und Hitler
nutzten dieses Treffen für die eigene Propaganda und
beschlossen gemeinsam die Unterstützung Francos.
Neben diesen Schlagzeilen erweckte auch der Absturz
der „Hindenburg“ großes Aufsehen. Der Zeppelin
explodierte bei seiner Landung in Amerika und riss
dreiunddreißig Menschen in den Tod.
„Selbst das Tragische mit Humor nehmen“ - das könnte
ein Leitmotiv zweier anderer Schriftsteller gewesen
sein. Samuel Beckett, bekannt geworden durch sein
Stück „Warten auf Godot“, brachte 1937 seinen ersten
und humorvollsten Roman „Murphy“ heraus. Von Evelyn
Waugh erschien „Scoop“, ein satirisches Werk, das
später Woody Allen verfilmen sollte.
Eine andere Schriftstellerin, die wiederum Hitchcock
zu einigen seiner Filme inspirierte, darunter auch
„Die Vögel“, brachte ihren Roman „Rebecca“ heraus.
Sie hieß Daphne du Maurier und war 1937 über den
Erfolg ihres Buches ebenso erstaunt wie so mancher
Kritiker ihrer Zeit, da ihr Werk als nicht
anspruchsvoll genug galt. Ihre Romane fielen in den
Bereich der Kriminalliteratur und Romanze. Um
dennoch die psychologische Tiefe ihrer Werke richtig
beurteilen zu können, ließe sich anmerken, dass sich
nicht nur Hitchcock an ihrem Stoff bediente, sondern
auch ein anderer Regisseur eine ihrer Erzählungen
auf die Leinwand brachte. Der Film hieß „Wenn die
Gondeln Trauer tragen“ und Donald Sutherland spielte
die Hauptrolle.
Von Henri Miller erschien „Im Wendekreis des
Steinbocks“, William Faulkner veröffentlichte den
Erzählband „Die Unbesiegten“ und John Dos Passos
hatte seine Amerika-Trilogie vervollständigt, so
dass sie im Gesamten gedruckt werden konnte.
Vladimir Nabokov lieferte gleich zwei Romane, „Die
Gabe“ und „Einladung zur Enthauptung“. Beide Romane
sind mitunter die anspruchsvollsten des Russen, in
ihrem Inhalt dennoch völlig verschieden. „Die Gabe“
war in vielerlei Hinsicht autobiografisch angelegt.
Ein russischer Schriftsteller, der im Exil lebte,
verfolgte zwei Projekte: eine Biografie über seinen
Vater, einen fiktiven Forschungsreisenden, und eine
Biografie über den Schriftsteller und
Revolutionshelden Nikolai Gawrilowitsch
Tschernyschewski, der den Roman „Was tun?“ schrieb
und Leitmotiv des Bolschewismus wurde. Lenin war
nicht nur ein Fan des Autors, sondern bediente sich
an dessen Romantitel auch für das eigene Werk.
Nabokov räumte in „Die Gabe“ mit dem Mythos „Tschernyschewski“
auf, kritisierte nicht nur den eher schlecht
geschriebenen Roman, sondern zeigte auch auf, dass
Tschernyschewskis Leben nicht ganz so ruhmreich war,
wie es später der Sowjetstaat darstellte. Er betonte
dabei, dass die Idee des Romans dermaßen gepriesen
wurde, dass darüber hinaus der eigentliche Held, der
Schriftsteller selbst, vergessen wurde, der während
der allgemeinen Huldigung in Sibirien schmorte.
Durch seine Kritik an dem zu dieser Zeit noch
unumstößlichen Thron Tschernyschewskis, musste
Nabokov bei der Veröffentlichung das vierte Kapitel
über Tschernyschewski herausnehmen. Der Roman
erschien unvollständig und zensiert in einer
russischen Emigrantenzeitschrift.
„Einladung zur Enthauptung“ wiederum kann als
Metapher auf das diktatorische Regime betrachtet
werden, in der das Individuum ein Verbrechen begeht,
wenn es es selbst ist. Nabokov schrieb den Roman in
einem Schaffensrausch von gerade einmal vierzehn
Tagen herunter. Ein Mann wird zum Tode verurteilt,
ohne dass er sich erklären kann, weshalb, geschweige
denn weiß, ob das Gefängnis, in dem er sitzt, real
ist. Sein Verbrechen ist der Wunsch, ein Einzelwesen
zu sein und damit für die anderen undurchschaubar.
Er verweigert den Einklang mit der Masse im
totalitären System, trägt also die Maske seines
eigenen unabhängigen Ichs. Mit seiner Verhaftung
gerät alles zu einer Attrappenwelt, offenbart damit
jedoch nur, dass außerhalb des Gefängnisses die Welt
nicht anders ist. Der Inhalt des Romans war
bezeichnend. Nach der Veröffentlichung beider Werke
mussten Nabokov und seine Frau Vera aus Deutschland
fliehen, da Vera jüdischer Herkunft war.
Von dem Philosophen Jean Paul Sartre erschien sein
Roman „Der Ekel“, der zum Hauptwerk des
Existentialismus wurde. Sartre setzte sich in diesem
mit einem Individuum auseinander, das die
Wirklichkeit und Existenz als Belastung empfand. Im
Buch versucht der Ich-Erzähler dann anhand seiner
niedergeschriebenen Gedanken herauszufinden, was den
Ekel verursacht.
Den Literaturnobelpreis erhielt Sartre 1937 zwar
noch nicht, den lehnte er als einer der wenigen erst
viel später ab, dafür bekam ihn die Schriftstellerin
Pearl S. Buck als Anerkennung für die epische
Schilderung in ihren Werken. Die Entscheidung des
Nobelpreiskomitees stieß auf große
Verständnislosigkeit, während Buck selbst zwei
Alternativen vorschlug, die Schriftstellerin
Gabriela Mistral und den indischen Philosophen
Aurobindo. Am Ende blieb der Preis in ihren Händen
und trug dazu bei, die Schriftstellerin bekannter zu
machen.
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