Literatur 1932 Das literarische Jahr
Er flog als erster Mensch über den Atlantik. Charles
Lindbergh war einer der Flugpioniere Amerikas. 1932
wurde sein zweijähriger Sohn entführt und nach der
Übergabe des Lösegelds ermordet aufgefunden. Für die
Entführung wurde der Deutsche Bruno Hauptmann
verhaftet und hingerichtet, da bei ihm eine große
Summe des markierten Lösegelds gefunden worden war.
Seine Schuld war allerdings nicht eindeutig
bewiesen. Die Geschichte erregte große Empörung in
der Öffentlichkeit, Agatha Christie fühlte sich
durch die traurige Entführung zu ihrem Krimi „Mord
im Orient-Express“ angeregt, der zwei Jahre später
gedruckt wurde.
In Paris fiel 1932 der französische Staatspräsident
Paul Doumer einem Attentat zum Opfer. Die
Revolverschüsse gab der russische Arzt und
Schriftsteller Pawel Timofejewitsch Gogulow auf ihn
ab, als der Präsident sich gerade im Hotel „Salomon
de Rothschild“ aufhielt, in dem eine der größten
Buchmessen dieser Zeit stattfand.
Der Schriftsteller litt seit dem Ersten Weltkrieg an
Paranoia, hielt sich für einen Diktator. Der Prozess
gegen den offensichtlich Geisteskranken endete,
trotz seines Zustandes und einem eher unklaren
Gutachten, mit dem Todesurteil durch die Guillotine.
In Deutschland erreichte die NSDAP zum ersten Mal
die meisten Stimmen während der Reichstagswahl und
wurde somit die stärkste Fraktion. Hindenburg gewann
nur noch ganz knapp gegen Hitler bei der Wahl zum
Reichspräsidenten.
Befürwortet wurde die Entwicklung in Deutschland von
einigen, später auch von dem Arzt und französischen
Schriftsteller Louis-Ferdinand Céline. 1932 erschien
sein Meisterwerk „Reise bis ans Ende der Nacht“.
Céline hatte als Arzt im Ersten Weltkrieg
unglaublich viel Leid und Elend miterlebt, so dass
der Roman durch seine bildhafte Schilderung und die
häufig genutzte direkte Rede sehr lebendig und
gleichzeitig dennoch poetisch wirkte. Célines Zeilen
waren ein Angriff auf den Militarismus, Patriotismus
und die Scheinheiligkeit des Groß- und
Kleinbürgertums. Im Grunde zog der Franzose
schimpfend über alles her und der Blick des Arztes
ermöglichte eben auch die kalte Schilderung all
dessen, was im Krieg geschah, mit all seinem Dreck,
Tod, Rotz und Blut.
Der Amerikaner William Faulkner brachte „Licht im
August“ heraus. Zunächst lautete der Titel „Das
dunkle Haus“, bis das vorherbstliche Wetter und
Licht Faulkner noch während des Schreibprozesses zu
einem neuen Titel inspirierte. Der Roman ist eine
Glanzleistung der Beschreibung und bewies erneut das
erzählerische Können des Schriftstellers.
John Dos Passos veröffentlichte den zweiten Teil
seiner USA-Trilogie „1919“ und von Aldoux Huxley
erschien der düstere Zukunftsroman „Schöne neue
Welt“, der mit Orwells „1984“ und Samjatins „Wir“ in
einer Reihe steht.
Das Werk offenbarte eine Welt, in der der Mensch nur
noch eine Nummer ist, je nach Charakter und Können
in eine Kategorie gepresst wird, während zunächst
scheint, dass Stabilität und ein friedliches
Miteinander gegeben sind. Bald stellt sich heraus,
dass die verschiedenen Kategorien-Menschen gezüchtet
und mit oberflächlichen Bedingungen wie Sex, Konsum
und der Droge „Soma“ befriedigt werden, damit das
kritische Hinterfragen eines solchen maschinellen
Daseins nicht aufkommen kann. Huxleys Warnung vor
einer totalitären Diktatur ist bezeichnend, gerade
im Hinblick auf das damals so aktuelle
Weltgeschehen.
Vladimir Nabokov schrieb 1932 „Gelächter im Dunkeln“
und „Die Mutprobe“. Ersterer Roman behandelte eine
tragische Dreiecksbeziehung voller Liebe,
Eifersucht, Betrug und Spektakel, die spannender
nicht hätte sein können. Eine der beeindruckenden
Szenen war u. a., als der Ehemann, da erblindet, mit
dem Liebhaber und seiner Frau in einem Haus wohnt,
ohne zu wissen, dass er nicht die Zweisamkeit seiner
Ehe teilte, sondern nur geduldeter Gast im Szenarium
des Betruges war. Im Russischen nannte sich das Buch
nicht umsonst „Camera Obscura“, denn Nabokov
bediente sich hier einer Art Film-Sequenz und
parodierte in der Übertreibung die Handlung vieler
Filmmelodramen. „Die Mutprobe“ dagegen war ein
einfacher Roman über Nabokovs Erfahrungen mit dem
Emigrantenleben und der Flucht als Kind aus
Russland.
Ein weiteres Highlight an Veröffentlichungen bildete
Joseph Roths Roman „Radetzkymarsch“, der 1932 beim
Kiepenheuer Verlag erschien. Hier beschrieb Roth den
Zerfall einer Familie unter der Monarchie in
Österreich-Ungarn. Tatsächlich war Roth von den
Ereignissen erschüttert, die langsame Entfaltung des
Faschismus‘, die heraufkommende Macht der
Nationalsozialisten, das Scheitern der Habsburger
Monarchie. All das erschien ihm wie der Untergang
einer ganzen Epoche.
John Galsworthy bekam 1932 den Nobelpreis für
Literatur überreicht. Er war einer der bekanntesten
Schriftsteller Großbritanniens und wurde für seine „Forsyte
Saga“ geehrt. Leider verstarb er ein Jahr später an
Krebs, an den Folgen eines Gehirntumors.
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