Literatur 1931 Das literarische Jahr
In New York wurde 1931 das Empire State Building
eingeweiht, zu jener Zeit das höchste Gebäude der
Welt, von dem der Popart-Künstler Andy Warhol in
seiner Bewunderung einen zwölf Stunden lang
andauernden Film drehte, der nur das Gebäude zeigt
und den Verlauf von Tag und Nacht.
Vom Untergrundfilm zum Untergrund an sich wurde in
diesem Jahr Al Capone verhaftet und zu elf Jahren
Gefängnis verurteilt. Dabei lautete die Anklage
aufgrund fehlender Beweise nicht auf Mord, sondern
auf Steuerhinterziehung.
In Deutschland stand in München der Glaspalast in
Brand. Das Feuer war gefräßig und vernichtete mehr
als dreitausend Kunstwerke.
1931 machte sich die Weltwirtschaftskrise bemerkbar.
Arbeitslosigkeit, überteuerte Preise und die
Ernüchterung nach den Goldenen Zwanzigern
überschattete die Gemüter. In der Literatur fand die
Unzufriedenheit weiterhin in der „Neuen
Sachlichkeit“ ihren Ausdruck.
Carl Zuckmayer veröffentlichte sein auf wahren
Begebenheiten beruhendes Werk „Der Hauptmann von
Köpenick“, Bertolt Brecht führte die Oper „Aufstieg
und Fall der Stadt Mahagonny“ auf und erfreute sich
eines großen Erfolges. Brecht war Mitbegründer der
modernen Theaterform. Auch das Epische Theater war
Teil der „Neuen Sachlichkeit“, bei der dem Zuschauer
die Illusion durch Verfremdungseffekte,
Distanzierung des Dargestellten und offene Enden
genommen werden sollte.
Daneben und aus der gleichen Richtung erschienen die
„Geschichten aus dem Wiener Wald“ von dem Autor Ödön
von Horvath, der so erschreckend belanglos 1938 aus
dem Leben schied, als er in Paris eine Straße
überquerte und von einem durch den Sturm
herabfallenden Ast eines Baumes erschlagen wurde.
Die beiden russischen Schriftsteller Ilja Ilf und
Jewgeni Petrow brachten den zweiten Teil ihres so
herrlichen Buches „12 Stühle“ heraus, mit dem Titel
„Das Goldene Kalb“, in der ihre Figur, der
Hochstapler Ostap Bender, erneut auftrat. Beide
Romane fanden in Russland ein begeistertes Publikum
und gehörten zu den meist zitierten Büchern der
russischen Kultur, zumal Ilf und Petrow ihre
Handlung einer simplen Schatzsuche äußerst geschickt
in die zeitgenössische Realität der Sowjetunion
setzten und mit glänzenden Charakteren die
Schattenseiten der Gesellschaft verdeutlichten, ohne
das Ganze direkt beim Namen zu nennen.
Von Virginia Woolf erschien der schwierigste ihrer
experimentellen Romane mit dem Titel „Die Wellen“.
Dieser symbolisierte das Mitgerissenwerden durch die
Kraft der Natur, den Aufstieg und Fall des darin
kleinen Menschen in äußerst poetischer Form, im
literarisch einmaligen Experiment kaum noch als
Roman zu lesen, geschweige denn zu genießen. Woolf
bediente sich verschiedener Zwischenspiele, Episoden
und Metaphern, sechs Personen fühlten sich in eine
sehr lebendige Natur und ihre reine Erfahrungswelt
versetzt, wie auch Woolf die Sätze wie Bilder in ihr
Werk geworfen zu haben schien. Sechs
Bewusstseinsströme wurden auf diese Weise in
Momentaufnahmen verdeutlicht, die abstrakter nicht
sein könnten und doch im Zusammenfließen wieder ein
Ganzes bilden.
Von Erich Maria Remarque erschien 1931 die
Fortsetzung seines Romans „Im Westen nichts Neues“.
Das Buch hieß „Der Weg zurück“ und enthielt eine
allgemein eher pessimistische Grundhaltung, die
gerade in der Zeit des aufkommenden Faschismus‘ in
Deutschland zu negativen Diskussionen führte. Beide
Werke Remarques fielen 1933 dem Feuer der
Nationalsozialisten zum Opfer. In „Der Weg zurück“
traf der Leser auf Soldaten, die aus dem Ersten
Weltkrieg in die zivile Welt zurückkehrten und sich
so mit dem schwierigen Wechsel einer Kriegs- und
Kameradenwelt in die Alltagswelt, in der sich die
vorangegangene Kriegsbegeisterung komplett
verflüchtigt hatte, konfrontiert sahen.
Der Literaturnobelpreis wurde dieses Jahr posthum
verliehen, da der Schwede Erik Axel Karlfeldt im
selben Jahr der Nominierung am 8. April 1931
verstorben war. Karlfeldt war Lehrer und
Bibliothekar, dann Sekretär der Schwedischen
Akademie. Er erhielt den Preis für sein Lyrikwerk,
bediente sich für die Darstellung seiner Themen an
Sagen, Mythologien und häufig auch am biblischen
Stoff.
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