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Mode 1850 bis 1859 - Die
Geburtsstunde der Haute
Couture
Die Zeit der verspielten Biedermeier-Mode, die
besonders beim Kleinbürgertum ihren Ausdruck
gefunden hatte, war in ihrer braven Formgebung
allmählich aus der Mode gekommen. Auch wenn sich das
Jahr 1850 nicht als direkter Wandel einordnen lässt,
so ist jenes Jahr doch ein Schnittpunkt, an dem sich
die Mode erneut zu wandeln begann. Zwei Jahre nach
der Revolution von 1848, deren Scheitern in Europa
die Großbourgeoisie zu Macht und Größe erhoben
hatte, verschwand zusehends die
freundlich-friedliche Biedermeierkleidung von der
Bildfläche. Das Großbürgertum, das sich stets
neidvoll am Adel orientiert hatte, konnte nun
auftrumpfen und dieser Genuss musste sich unbedingt
auch in textiler Üppigkeit zeigen. Reichtum sollte
zu sehen sein. Reichtum symbolisierte Macht. Die
Mode, die etwa einhundert Jahre zuvor, in der Zeit
von 1750 bis etwa 1780, die Kleidung des
französischen Hofes bestimmt hatte und von da aus
Mode bestimmend für die Garderobe in Europa geworden
war, ist als Rokoko bekannt. Nun, im 19.
Jahrhundert, begannen die Nichtadeligen, aber
einflussreich und mächtig gewordenen Bürger diesem
Trend nachzueifern, der wiederum von Paris aus
seinen Anfang nahm. Es entstand um 1850 das
sogenannte Zweite Rokoko, das etwa zwanzig Jahre
lang das Aussehen der Kleidung ausmachte, vor allem
die Kleidung der Damen. Die französische Hauptstadt
hatte die besten Voraussetzungen, um auch ihrem
Namen als Modehauptstadt zu genügen – die Auswahl an
Putzmacherinnen, Schneiderinnen und Näherinnen war
enorm. Von den speziellen Handwerken, die zum
Fertigen von Zierrat wie Knöpfen und anderer
Accessoires nötig waren, gab es ebenfalls zahlreiche
Vertreter, deren Arbeit einen außerordentlich guten
Ruf hatte. Wer etwas auf sich hielt, ließ in Paris
anfertigen, auch wenn es mitunter nur Kleinigkeiten
waren, denn die edlen Roben waren selbst für die
Großbourgeoisie mitunter zu teuer. Doch die
Krinoline als Vorstellung eines neuen bürgerlichen
Idylls setzte sich als Nachfolgerin des Reifrocks in
der europäischen Damenmode überall durch. Sie war
schon vor 1850 in Mode gekommen, hatte etwa um 1840
ihren Siegeszug angetreten und befand sich im
Jahrzehnt von 1850 bis 1859 und ebenfalls im darauf
folgenden Jahrzehnt in ihrer Blütezeit. Der Ausdruck
„Krinoline“ entstammt dem Französischen. Crin
bedeutet Rosshaar und damit waren die Gestelle, die
unter dem Rock getragen wurden, gepolstert. So
behielten sie ihre vornehme Weite – denn als solches
wurde die Weite gesehen – und machte in jedem Fall
Eindruck.
Nirgends besser als in Paris verstand man es,
Eleganz mit Luxus zu verbinden. Da kam der
Engländer, Charles Frederick Worth (1826-1895), zur
richtigen Zeit an den richtigen Ort. Er war von
Beruf Stoffverkäufer. Als er 1845 nach Paris kam,
verdiente sich Worth ebenfalls in dieser Branche
seinen Lebensunterhalt. Im Jahr 1851 heiratete er
eine Kollegin – Marie Vernet – und kleidete sie
fürstlich. Was Worth kreierte, trug seine Frau und
sie gilt heute als das erste Mannequin der Welt. Die
Seidenkleider, eines schöner als das andere, die
Worth’ Ehefrau trug, erregten Aufmerksamkeit. Sie
trug Worth. Der Name stand für die Mode, womit der
Engländer ebenfalls der Erste war, der seine Mode
namentlich auf den Modemarkt brachte. Als Worth 1858
in Paris ein eigenes Modehaus eröffnete, seine
Modelle generell maßschneiderte, war auch die Haute
Couture als Markenzeichen für exquisite Mode in
aller Munde. Der Engländer Charles Frederick Worth
begründete die Pariser Haute Couture. Die
einzigartigen und kunstvollen Roben, die
entsprechend teuer waren, fanden in den höchsten
Kreisen Anerkennung und natürlich Absatz.
Es waren edle Stoffe gefragt. Aufwändige Schnitte
wurden aus Brokat oder Atlas, aus Samt oder Seide,
Taft und Moiré gefertigt. Unmengen Stoff waren
nötig, um die weiten Rockteile besonders üppig
aussehen zu lassen. Im gesamten Viktorianischen
Zeitalter, das in Anlehnung an die Regierungszeit
der britischen Königin Viktoria (1819-1901) von 1831
bis 1901 andauerte und nach ihr benannt wurde, waren
die Damen der gehobenen Gesellschaft daran
interessiert, sich mit weiten Kleidern und großen
Dekolletés (tagsüber eher hochgeschlossen), später
auch mit dem Cul de Paris (frz. Französischer
Hintern) dem Konkurrenzkampf zu stellen, der durch
die vollbusigen und von Natur aus oft mit üppigen,
gesunden Formen ausgestatten Frauen aus dem Volk zur
Herausforderung geworden war. Während die einfachen
Frauen oftmals kein Korsett trugen und ihre Körper
von der Männerwelt anders, viel natürlicher
wahrgenommen werden konnten, ließen sich die Damen
der Gesellschaft unbedingt ihre Korsetts schnüren.
Nicht wenig Aufwand, denn allein konnte das keine
Dame bewerkstelligen. Doch die Wespentaille war
angesagt. Eleganz stand in jedem Fall gegen
Natürlichkeit, wobei sich die Eleganz vorrangig in
Europa durchsetzte. Auch dank der von Worth
vorgestellten Kleider. Worth kleidete mit großem
Erfolg die berühmtesten Damen ein. Königin Victoria
war nur eine von ihnen. Auch die Kaiserin Eugénie
von Frankreich gehörte zu seinen Kundinnen. Doch
Worth war auch derjenige, der durch alljährliche
Modenschauen, die von Mannequins vorgeführt wurden,
präsentierte, was er geschaffen hatte – textile
Kunstwerke. Die Damen mit dem nötigen Kleingeld
leisteten sich, was die Vorführdamen ihnen zeigten.
Der Kleidermacher Worth gab mit seiner Signatur dem
Modellkleid seine exklusive Einzigartigkeit dazu.
Die Herrenmode
Der Engländer Worth hatte auf die Mode der Herren
keinen Einfluss, obgleich sich die Männer in ihrer
eher schlichten Kleidung an englischen Maßstäben
orientierten. Sie waren so gekleidet, dass die Damen
zweifelsohne den optischen Vorrang hatten. Die
Männer bevorzugten Zweckmäßigkeit. Die Stoffe waren
edel, es wurden jedoch vornehmlich dunkle
Materialien gewählt. Hier waren schwarze, braune,
graue und auch dunkelblaue Farbtöne die erste Wahl.
Die Sakkos, die dem Frack begannen den Rang
abzulaufen, waren aus Wollstoffen und feinen Tuchen.
Der Gehrock, auch als Cutaway oder kurz Cut genannt,
hatte im vorderen Bereich abgeschnittene Schoßteile.
Die Hose war zumeist von anderer Farbe als der
Gehrock oder das Sakko. Hier waren Streifen
besonders angesagt. Die Weste, die einst durch
Farbigkeit bestach, war wieder schlicht und von
dezenten Tönen. Auch die Krawatten und Bindetücher
fielen nicht mehr auf. Alles war sachlich und wirkte
geradezu genügsam. Die Hemdkragen waren nicht groß
und unbequem, sondern kleiner und trugen sich
angenehmer am Hals. Es gab sie auch zum Abknöpfen.
Verbreitet war bereits das Vorhemd, das unter der
Weste den Anschein eines Hemdes hervorrief. Es war
steif. Anstelle von Vorhemd war der Begriff „Chemisette“
geläufig. Das französische Wort „Chemise“ steht für
Hemd. In abgewandelter Form, bzw. in verkleinerter
Form nannte man das Vorhemd, das nur ein optisches,
nicht aber vollständiges Hemd war, deshalb
Chemisette. Die Herren hatten auch noch ihren
Smoking, den Raucheranzug, der zunächst nur im
Rauchsalon getragen wurde. Er setzte sich als Anzug
für gesellschaftliche Ereignisse aller Art als
Gegenstück zum Frack durch.
Mode für Kinder
Eine eigene Mode für die Jüngsten gab es in dem
Sinne nicht. Sie sahen – jedenfalls in den
sogenannten besseren Kreisen – aus wie kleine
Vorzeige-Erwachsene. Das galt für die Jungen genauso
wie für die Mädchen. Die Kinder der einfachen Leute
waren ebenfalls wie ihre Eltern gekleidet.
Entsprechend einfach. Allerdings waren diese Kinder
besser dran, denn beim ausgelassen Spiel war ihnen
ein Rüschenkleid oder ein kleines Sakko nicht
hinderlich. Lediglich die Hosen der Buben, bzw. die
Röcke der Mädchen waren nicht bodenlang.
Kniestrümpfe durften zu sehen sein und
Kinderbeinchen sowieso.
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