Das Musikjahr 2017 - Musik und Terror
Das in seinen Ereignissen sehr politisch
geprägte Jahr 2017 hatte auch auf die
Musikkultur Auswirkungen. Das betraf besonders
die „R&B“- und „Hip-Hop“-Szene in Amerika.
Gesprochen wurde von einer Politisierung des
Privaten, womit die Präsenz bekannterer Rapper,
Künstler und Musiker gemeint war, die in ihren
Alben eine Vielfalt an Ängsten und
Selbstreflexionen verarbeiteten.
Die „Black Music“ war geprägt von der Wahl des
neuen US-Präsidenten Donald Trump, die sehr
ambivalente Sympathien und Reaktionen auslöste.
Von „Jay-Z“ kam der Song „4:44“, von Vince
Staples die Version „Big Fish Theory“ und von
Kendrick Lamar das Album „To Pimp a Butterfly“
heraus. Gerade letzterer verarbeitete in seinem
lyrischen Statement „Damn“ die seelische
Belastung, die er in der Rolle der Vorbildfigur
für die Schwarzen zu tragen hatte.
Der Schrecken des Terrorismus‘ hielt bereits
2015 und 2016 seinen grausamen Einzug, darunter
auch in einem Konzertsaal in Paris, in dem sich
mehrere Attentäter in die Luft sprengten. Das
war nach den Ereignissen im Vorjahr der Start zu
einer weiteren und größeren Terrorserie, die
auch 2017 ihre Spuren und Auswirkungen
hinterließ.
In Las Vegas ereignete sich ein tragischer
Amoklauf am Rande eines Country-Festivals, die
beliebte Veranstaltung „Rock am Ring“ musste
wegen einer Terrorwarnung geräumt und
unterbrochen werden und bei dem im Mai
stattfindenden Konzert der Sängerin Ariana
Grande sprengte sich der Selbstmordattentäter
Salman Abedi im Foyer der Arena in Manchester in
die Luft und riss 23 Menschen mit in den Tod.
Weitere 59 Menschen wurden verletzt, während der
erschütterten Sängerin nichts passierte.
Dem Täter wurden später Verbindungen zu der
Terrororganisation IS nachgesagt. Für die Opfer
des Anschlags wurde ein Benefizkonzert gegeben,
bei dem u. a. Coldplay, Justin Bieber, Miley
Curay, Katy Perry, Pharell Williams, Niall Horan
und die Gruppe „Take That“ auftraten.
In Sachen Pop wurde „Shape of You“ ein Ohrwurm
und Nummer-Eins-Hit in mehreren Ländern. Er
stammte von dem in
London lebenden Musiker Ed
Sheeran, der sein erstes Album 2005
herausbrachte und durch die englische
Musik-Sendung „Britannia High“ bekannt wurde.
Das 2017 erschienene Album „Divide“ wurde zum
meistverkauften Album in der ersten
Verkaufswoche und landete direkt auf dem ersten
Platz der offiziellen Charts.
Ein anderer Engländer mit einer
unverwechselbaren Stimme war Sampha Sisay. Er
veröffentlichte 2017 sein Debütalbum „Process“,
nachdem er im Umfeld von „Young Turks“ und „XL
Recording“ entdeckt wurde, wo er bereits
häufiger als Backgroundsänger bei Größen wie
Beyoncé, Kanye West oder Solange aufgetreten
war. Das Album half ihm, den Tod seiner Mutter
zu verarbeiten, war damit auch behutsam
komponiert und instrumentiert. Bemerkenswert war
die sich zwischen Beat und Grillengezirpe
entwickelnde rohe Energie der Soul-Musik,
besonders in der Ballade „No One Knows Me Like
The Piano“.
Etwas Latin-Pop gab es 2017 mit „Despacito“,
einer Single, die zum rekordverdächtigen Hit
geriet und von Luis Fonsi und Daddy Yankee
stammte. Gesang und Rap waren stilvoll
kombiniert, wobei der Titel des Songs im
Spanischen genau das bedeutete, was zur Ruhe und
Gelassenheit führen sollte, die langsame und
gemächliche Art. Kein Wunder, dass der Song ein
Sommerhit wurde, obwohl es sich eigentlich um
einen absurd eingängigen Sound handelte mit
einer Botschaft, die viele erreichte und wenige
nervte. Hilfreich war auch der bald folgende
Remix von Justin Bieber.
Bereits 2015 sorgte das Debütalbum „Dark Energy“
von Jerrilynn Patton mit einem Mix aus „Hip Hop“,
„House“ und „Drum ’n’ Bass“ für Aufsehen, das
von Wut, Angst und Freude geprägt zu sein schien
und dabei auch afroamerikanische Themen
verarbeitete.
Im gleichen Jahr hatte Patton, die in einer
heruntergekommenen Arbeiterstadt in Indiana
lebte, ihren Job in einer Stahlindustrie
gekündigt, um sich ganz der Musik zu widmen. Der
Ausstieg erwies sich als gute Entscheidung und
2017 folgte das an das erste Album anknüpfende
„Black Origami“. Hier verdichtete Patton das
„musikalische Tier“ und die rohe Energie ihrer
Musikerseele zu einem fast mathematisch
geschachtelten Stil, der sich einer
vorgefertigten Norm geschickt entzog.
Hintergrund bildeten die Erfahrungen und
Veränderungen, die Patton seit ihrem Debütalbum
durchlebt hatte. Der Titel war so zu verstehen,
dass der kreative Schub von einem weißen Blatt
Papier ausging, das wieder und wieder gefaltet
wurde, während das vorangestellte Schwarz den
offenen Raum repräsentierte, in dem sich die
Ideen entwickelten.
Einen Ein- oder Ausgang suchte auch die
eigenwillige und liebenswerte isländische
Musikerin Björk mit ihrem 2017 erschienenen
Album „Utopia“ und dem speziellen Song „The Gate“.
Es stand mit Orchester, Flöten und Zukunftsmusik
erfrischend lebendig neben den tragischen und
schlechten Nachrichten des Weltgeschehens voller
Klimaabkommen, Atomdeals, Präsidentenwahlen,
Bürgerkriege und Verschwörungstheorien. Björk
zeigte sich weltoffen und optimistisch, ohne
weltfremd zu wirken.
Nachdem Björk sich nach einer langen Beziehung
von ihrem Lebenspartner getrennt und die
schmerzlichen Gefühle auf dem 2015 erschienen
Album „Vulnicura“, stehend für Verletzung und
Heilung, und in zahlreichen tränenreichen
Interviews verarbeitet hatte, war der Aufschwung
des neuen Albums deutlich zu spüren und bildete
einen positiven und fast schwerelosen Kontrast
zu den vorausgegangenen Emotionsschwankungen.
Harfen, Vogelgezwitscher und alle Arten an
Flöten wurden mit interessantem Beat untermalt.
Gleiches galt für die Stimme der Interpretin,
die Leidenschaft und Entflammbarkeit verströmte.
Das Album konnte sich in der Mainstream- und
Independence-Szene behaupten.