DDR 1976 – Selbstverbrennung aus Protest und
Biermanns Ausbürgerung
Der „Lampenladen“, soll heißen, der Palast der Republik,
der in der DDR-Hauptstadt gebaut worden war, wurde am
23. April feierlich eröffnet. Baubeginn war 1973 gewesen
und der „Palazzo Prozzo“ stand am Marx-Engels-Platz auf
der Spreeinsel im Ost-Berliner Stadtbezirk Mitte. Nun
hatte die Volkskammer der DDR ihr eigenes
Tagungsgebäude, das gleichfalls für eine große Zahl von
Veranstaltungen genutzt werden konnte. Im Gegensatz zu
anderen Jahrhundert-Gebäuden hatte der Palast der
Republik keine langes Leben. Ab 1990 wurde er wieder
geschlossen. Grund war die Emission krebserregender
Asbestfasern. In den Jahren 1998 bis 2003 wurden die
Asbest-Einbauten entfernt. Dennoch brachte ein
entsprechender Beschluss des Deutschen Bundestages im
Jahr 2003 das Gebäude endgültig zum „Einsturz“, es wurde
von Anfang Februar 2006 bis Anfang Dezember 2008
abgerissen. Dafür begann im März 2013 an seiner Stelle
der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses. Das ahnte
allerdings bei der Palast-Eröffnung noch niemand. Auch
nicht, dass der Marx-Engels-Platz späterer wieder in
Schlossplatz umbenannt wurde. Zunächst feierten die
Erbauer – Bauleute, Monteure, Ingenieure und Architekten
– ein großes Eröffnungsfest unter Ausschluss der
Öffentlichkeit. Diese durfte aber zwei später den Bau
„erobern“.
Der IX. Parteitag der SED fand vom 18. Mai bis zum 22.
Mai statt und beschloss ein neues Statut. Am Ende des
Parteitages nahm Erich Honecker den Titel
„Generalsekretär“ der SED an. Zu Beginn hatte Honecker
in einer vierstündigen Rede wenig gesagt, was die Bürger
vom Hocker gerissen hätte. Die Rede war einem
„allmählichen Übergang zum Kommunismus“ und davon, dass
in der deutschen Frage „nichts mehr offen“ sei. Dass
überall Anstrengungen verstärkt werden müssten und der
Übergang zu einer 40-Stunden-Woche angestrebt werde,
deutete ebenfalls keine konkreten Fortschritte an. Alles
ging schrittweise. Es gab seitens des Generalsekretärs
nichts Bedeutendes zu versprechen, denn die
wirtschaftliche Situation im Land war längst nicht
rosig.
Dennoch hatten das ZK der SED, der Vorstand des FDGB und
der Ministerrat im Mai die Verbesserung der „Arbeits-
und Lebensbedingungen der Werktätigen“ von 1976 bis 1980
beschlossen. Darin enthalten waren unter anderem die
Erhöhung der Mindestlöhne, die Ende Juli von 350 auf 400
Mark erhöht worden sowie die Erhöhung der Mindestrenten.
Zudem war eine Arbeitszeitverkürzung auf 43 ¾ Stunden
und für Schichtarbeiter auf 42 Stunden vorgesehen.
Als im Oktober die Wahlen zur Volkskammer stattfanden,
erhielt die Einheitsliste der Nationalen Front 99,86
Zustimmung. Im Ergebnis waren dann Willi Stoph als
Vorsitzender des Ministerrats, Horst Sindermann als
Präsident der Volkskammer und Erich Honecker als
Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrats und
Vorsitzender des Staatsrats bestätigt worden.
Sportlich machte die DDR bei den Olympischen
Sommerspielen im kanadischen Montreal Schlagzeilen. Bei
der Olympiade, die vom 17. Juli bis zum 1. August
ausgetragen wurde, hatte die DDR in der inoffiziellen
Medaillenwertung hinter der Sowjetunion den zweiten
Platz erkämpft. Herausragend war dabei die
DDR-Schwimmerin Kornelia Ender, die mit vier Mal Gold
und einmal Silber zurückkam. Insgesamt hatte die DDR 90
Medaillen errungen (40 Goldmedaillen, 25
Silbermedaillen, 25 Bronzemedaillen).
Doch der Medaillen-Glanz konnte nicht über die Strenge
auf kulturellem Gebiet hinwegtäuschen. Auf Kritik
jeglicher Art reagierte die Führungsspitze
„verschnupft“, schließlich gab es nichts zu kritisieren.
Wer das anders sah, wurde als Feind gewertet.
So war auch Pfarrer Oskar Brüsewitz eingestuft worden,
der von der SED öffentlich diffamiert wurde und der sich
am 18. August als Fanal auf dem Platz vor der
Michaeliskirche in Zeitz (Sachsen-Anhalt) anzündete, um
damit die DDR-Schulpolitik anzuklagen. An seinen
Verbrennungen starb der mutige Mann wenige Tage später.
Innerhalb und außerhalb der Kirchen kam es zu
Solidaritätsbekundungen, die ebenfalls von der SED nicht
gern gesehen wurden. Zu den bekennenden Oppositionellen
gehörten unter anderem Bettina Wegner und Wolf Biermann.
Dieser wurde noch im selben Jahr ausgebürgert. Nach
einem Gastspiel im Westen durfte er nicht mehr in die
DDR einreisen, was einen Tag später sofort zu einer
Petition von Intellektuellen führte, die sich gegen die
Ausbürgerung des Liedermachers aussprachen und damit
selbst ins Fadenkreuz gerieten.
Die DDR tat sich keinen Gefallen mit ihrem Unverständnis
gegenüber konstruktiver Kritik. Der Schriftsteller
Rainer Kunze war wegen der Veröffentlichung von „Die
wunderbaren Jahre“ in der BRD aus dem
Schriftstellerverband der DDR ausgeschlossen worden. Der
Wissenschaftler und Regimekritiker Robert Havemann wurde
unter Hausarrest gestellt.
Und als der ARD-Korrespondent Lothar Loewe wegen des
Satzes „Sie schießen auf Menschen wie auf Hasen“ aus der
DDR ausgewiesen wurde, war das Jahr auch schon so gut
wie zu Ende.
Während sich die Führung des Landes im Selbstlob sonnte,
gärte in kleinen Kreisen, vor allem in Kreisen der
Kulturschaffenden, der Wunsche nach Ehrlichkeit. Für
einen großen Teil der Bevölkerung war allerdings die
unterschwellige Unzufriedenheit noch nicht deutlich
wahrnehmbar. Insgesamt gab es viele Befürworter des
Systems in der DDR, wenn nur die verflixte Bevormundung
und Beobachtung nicht gewesen wäre...
<<
DDR 60er Jahre
|
DDR
80er Jahre
>>