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Das
Modejahr 1908 Mode – Die neue dekorative Kunst
In Paris brachte Paul Poiret das Modegeschehen
erfolgreich durcheinander. Endlich wurde seine Linie
„Le Vague“, die noch kaum Aufmerksamkeit erreicht
hatte, von der Damenwelt beachtet. Diesmal schlug
die Linie ein. Gerade geschnittene Kleider im
Empire-Stil, die bodenlang waren und von den
Künstlerkreisen inspiriert wurden, machte Poiret zu
einer neuen Kunstform. Der Jugendstil ging in die
neue, dekorative Kunst über, die „Art Déco“. Die
leuchtenden Farben waren expressionistischen
Ausmaßes, ganz so wie es die Maler vorgemacht
hatten, die sich „Les Fauves“ nannten. Die
Pastelltöne, die vordem die Mode beherrschten,
wirkten halbherzig und vorsichtig, verglich man sie
mit den nun angesagten grellen Farben
wie
strahlendem Zitronengelb, sattem Orange und
leuchtendem Grün. Die Farben waren nicht das
Einzige, was die Poiret-Kleider ausmachte. Es war
auch die Leichtigkeit der Stoffe, die für einen
fließenden Fall sorgte, der in einer kleinen
Schleppe endete. Diese Kleider waren zwar der
Reformkleidung ähnlich, wichen aber durch ihre
künstlerische Note derart von ihr ab, dass die
Frauen sie durchaus mit Neugier betrachteten. Fast
hatte es den Anschein, als hätte Poiret die
Damenwelt zu ihrem Glück gezwungen, sie zumindest
überlistet. Auch einem spanischen Modeschöpfer
namens Mariano Fortuny gelangen erfolgreiche
Kreationen in seiner italienischen Wahlheimat. Von
der griechischen Antike inspiriert bot er Kleider
aus selbst eingefärbtem Seidenstoff an, die er zudem
plissierte. Völlig ohne Nähte hingen sie von den
Schultern herab und wurden lediglich von Muscheln
und Perlen zusammen gehalten. Diese Modelle
verursachten einen Aufschrei in der Damenwelt der
feinen Gesellschaft. Für Poirets und Fortunys
Kreationen war ein Korsett nicht mehr erforderlich.
Die Kleider sollten nur mit einem Hüftgürtel und
einem Brustleibchen getragen werden. Doch diese
Reform der Haute Couture konnte sich immer noch
nicht allen Damen begeistern.
Anders war es mit den einfachen Straßenkostümen, die
mit leichten Puffärmeln etwas Neues darstellten. Die
mutigen Damen trugen über der Bluse eine Weste nach
männlichem Modevorbild und eine Seidenkrawatte. Der
Rock aus mehreren Bahnen war an den Hüften eng
anliegend, ebenso der Glockenrock. Noch reichte der
Saum bis an die Knöchel, doch die hinderliche
Schleppe wurde allmählich kleiner.
Unverändert war die Abendgarderobe. Hier herrschte
der strenge Sans-Ventre-Stil vor, als wäre er für
die Ewigkeit gemacht. Alles war im Jugendstil
gehalten, vor allem die nach vorn gedrehte Schleppe.
Die Optik eines geraden Falls wurde durch das
Gewicht aufgenähter Perlen erzielt. Das war jedoch
noch keine Abkehr von der konservativen Bekleidung
der letzten Jahre.
Schwarz und weiß waren die Lieblingsfarben der
Damen, die von grellen und leuchtenden Tönen noch
nichts wissen wollten. Die Tageskleider waren
hauptsächlich weiß. Das unverwüstliche Korsett
erfuhr in diesem Jahr eine Veränderung. Zwar
bevorzugte Frau diese Unterkleidung noch immer, aber
die Formen wurden vielfältiger und konnten sogar
getrennt voneinander angezogen werden. Es gab ein
Brustleibchen aus Fischbein und den Hüftgürtel.
Hierfür war fast ein zehnjähriger Kampf nötig
gewesen, um dieses kleine Änderung an die Frau zu
bringen. Gleichzeitig wurden aber auch Korsetts
hergestellt, die aus einem Stück bestanden und an
denen die Beinkleider mit angearbeitet waren. So
sollte nicht nur der Bauch verschwinden, es sollten
auch die Oberschenkel und die Hüften schmal wirken.
Bei genauer Betrachtung hatte sich nur wenig
geändert. Das Korsett hatte noch nicht ausgedient.
Frau trug es tapfer über dem Unterrock und dem
Brustleibchen. Hatte Frau die Strümpfe erst einmal
an den Strapsen befestigt, konnte das Unterkleid
angezogen werden. Dann erst kam die äußere
Bekleidung an die Frau. Dieser Blick unter die
Damengarderobe lässt ein großes Verständnis
aufkommen für die Kleidungs-Reformer, die auch im
Jahre 1908 noch nicht gewonnen hatten. Schade, dass
Wilhelm Busch keine lustigen Verse über die Mode
gedichtet hatte. Nun war es zu spät. Max und Moritz
haben die Zeiten überdauert. Wilhelm Busch hatte die
Welt schon am 9. Januar verlassen.
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