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1909
Das
Modejahr 1907 Mode – Paris setzte erste Zeichen
Einen kleinen Sieg in Sachen Gleichberechtigung der
Frauen hatte die französische Physikerin Marie Curie
erreicht. Sie hatte bereits am Ende des Vorjahres
ihre erste Vorlesung an der Pariser Universität
Sorbonne gehalten. Damit übernahm sie die erste
Stelle einer Professorin an dieser weltberühmten
Universität. Eine Wendepunkt in der Geschichte
schien erreicht, den auf ihre Weise auch die Mode
mitmachte. Das Reformkleid, dass sich in seiner
sackartigen Form nicht durchsetzen konnte, wich
einem ebenfalls korsettlosen Kleid, dass aber
bereits einen gewissen Schick aufwies. Es war aber
nach wie vor knöchellang. Auch die Schleppe fehlte
nicht. Sein Schnitt bediente die natürliche
Körperform, die ohne das einengende Korsett auskam.
Zumeist waren es noch Frauenrechtlerinnen, Künstler
und
Intellektuelle, die sich zusammen mit Ärzten für
diese Mode einsetzten. Modeschöpfer in Deutschland,
die dem Reformkleid huldigten, gab es kaum. Wohl
aber gab es sie in Paris. Allen voran kehrte Paul
Poiret der Sans-Ventre-Linie zunehmend den Rücken.
Noch waren es nur Vorzeichen, die eine neue Mode
ankündigten. Es waren auch nur Vorzeichen, als
Kaiser Wilhelm II. sich zu Jahresbeginn klar zum
Imperialismus in Deutschland bekannte und der
Sozialdemokratie den Kampf ansagte.
Es war schwer für die mondäne Frau von Welt, sich
von der schlanken Linie zu verabschieden und einer
neuen Natürlichkeit Raum, bzw. Körper zu geben.
Deshalb tat sie es auch noch nicht, sondern
favorisierte weiterhin den Sans-Ventre-Stil und
lebte das am meisten bei den großen Abendroben aus.
Hier konnten Modeschöpfer und die
Schneider-Handwerkskünstler ihre ganze Fantasie
spielen lassen. Wenn auch die Silhouette unverändert
blieb, so konnte sie dennoch durch die
verschiedenen, dekorativen Ausschmückungen eine
lockere Optik aufweisen. Seidenstoffe und Spitzen
waren mindestens so beliebt wie Samtstoffe.
Spitzeneinsätze, Applikationen oder Einlegearbeiten
mit anderen Materialien erfreuten sich bei den
Verzierungen enormer Beliebtheit. Ergänzend waren
Fächer aus Straußenfedern besonders angesagt. Und
wenn ein Stück Haut den Arm bloßzulegen drohte,
machten Spitzenhandschuhe oder solche aus
Glacé-Leder die drohende „Peinlichkeit“ zunichte.
Die Damen der Gesellschaft fühlten sich in ihrer
Abendgarderobe wie berühmte Schauspielerinnen, deren
Bilder sie – die Fotografie machte es möglich – gut
kannten. Sie wurden in den Gazetten der Haute
Couture gern veröffentlicht.
Was die Damenmode noch nicht geschafft hatte, war in
der Mode für Kinder längst kein Thema mehr.
Hier
waren die Kleidchen bequem und locker, reichten auch
nur bis zur Wade oder sogar bis zum Knie. Praktisch
waren sie allerdings nicht unbedingt, denn das
Spitzenmaterial war nicht robust und deshalb auch
nicht zum unbeschwerten Spielen gemacht. Selbst ein
Schürzchen konnte da keinen ausreichenden Schutz
bieten. Bequem und dennoch unpraktisch. Natürlich
hielten sich die Kinder nicht an ein strenges
Spiel-Verbot, was dem Handel oder dem Schneider in
Sachen Kinderkleidung dienlich war.
In der sportlichen Bekleidung ging es schon seit
einigen Jahren etwas lockerer zu. Doch Mode stand
auch hier vor dem eigentlichen Sport-Vergnügen. Die
Damen, die aus purer Freude das Automobil nutzten,
wussten ihre elegante Kleidung durch einen weiten
sogenannten Staubmantel abzuschirmen. Der Hut war
mit einem Schleier versehen, der das Gesicht
bedeckte und schützte. Die Damen aber, die sich dem
Rausch der Geschwindigkeit im Sinne eines
Autorennens verschrieben, bevorzugten Kleidung, die
in der Hauptsache funktionell war. Sie tendierten zu
einem Ledermantel mit Kapuze, alternativ zu einem
Gummimantel, der mit einer Kappe ergänzt wurde.
Nichts ging ohne Handschuhe. Die Autofahrerin trug
wie die Herren Automobilisten derbe Handschuhe aus
Leder. Besondere Sportlichkeit wurde durch die
Autobrille betont. Die Ziele, die die wohlhabenden
Bürger per Auto erreichen wollten, bliebe unbekannt.
Doch die wenigsten fuhren zum VII. Internationalen
Sozialistenkongress, der in Stuttgart und damit
erstmalig in Deutschland stattfand. Zu den
prominenten Teilnehmern aus aller Welt, die ihre
Haltung zu einem drohenden Krieg äußerten, gehörte
Rosa Luxemburg. Ob sie schon der Mode der
Reformbekleidung gefolgt war?
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