Geschichte der Salafisten

Als „Salafisten“ werden die Anhänger der extrem konservativen Islam-Strömung Salafiya (Salafiyya) bezeichnet. Diese sich der Rückbesinnung auf die „Altvorderen“ (Salaf) verschriebene religiös-politische Richtung innerhalb der Gemeinschaft der Muslime (Umma) bildet keinen einheitlichen Block, sondern umfasst sowohl Gruppen, die die Vereinbarkeit von „reinem“ Islam und Moderne betonen, als auch Gruppen, die solche Überlegungen strikt ablehnen. Mit dem nicht klar definierten Begriff „Salafisten“ werden sowohl Reformer und wahhabitische Gruppen als auch Mitglieder extrem militanter Fraktionen wie Al-Qaida oder Fatah al-Islam bezeichnet. In Deutschland wird der oft als „islamistischer Hassprediger“ für Schlagzeilen sorgende Rheinländer und Konvertit Pierre Vogel (geb. 1978) zum Salafismus gerechnet. Nach Verfassungsschutzangaben galten 2012 etwa 4500 der in Deutschland lebenden Muslime als Salafisten
Gemeinsam ist allen Salafisten ein geschlossenes Weltbild, das die Akzeptanz anderer Meinungen nicht oder nur bedingt zulässt.
Die Salafisten bauen ihr Weltbild auf dem Wirken der Muslime auf, die den Religionsgründer Muhammed entweder noch persönlich gekannt hatten oder diese „Sahaba“ genannten Vertreter der ersten muslimischen Generation kannten. Ferner gelten auch diejenigen, die mit Vertretern dieser zweiten Generation („Tabuin“) noch Kontakt hatten, als dritte Gruppe („Atba at-Tabiin“) der Altvorderen.
In den ersten islamischen Jahrhunderten entwickelte sich als Folge von intensiven theologischen Diskussionen im Diskurs mit Christentum, Judentum und antiker Philosophie eine Reihe von muslimischen Rechtschulen und Sekten. Die Anpassung und Weiterbildung der sich rasch über den gesamten Nahen Osten sowie Mittelasien, Spanien und Balkangebiete ausbreitenden islamischen Lehre wurde von vielen Muslimen als Zeichen von Dekadenz und Verfälschung gewertet. Konservative Gelehrte wie der wie in Anatolien geborene Ibn Taimiya (1263 - 1328) stellten der Metaphorik anderer Gelehrter, dem Mystizismus der Sufis und der volkstümlichen Heiligenverehrung Koran und Sunna als zentrale und wörtlich zu nehmende Grundlagen des Islams gegenüber. Die Salafisten wollten eine Rückkehr zu der als ideal verstandenen Glaubens- und Lebenspraxis der puristischen Zeit der Altvorderen („Islamische Klassik“) und forderten ein Ende der theologischen Diskussionen.

Neue Ausrichtung der Salafisten

Der mittelalterliche Salafismus erfuhr im 19. Jahrhundert eine neue Richtung. Als Reaktion auf die durch das französische und britische Vordringen im islamischen Raum ausgelöste Erkenntnis der militärischen und wirtschaftlichen Unterlegenheit gegenüber dem Abendland wurde der Ruf nach einer Reform der islamischen Gesellschaft laut. Dabei beriefen sich die „islamistischen Modernisten“ auf die Gedankengänge der vormodernen Salafisten. Wortführer wie der Iraner Jamal ad-din al-Afghani (1838 - 1897), der Libanese Raschid Rida (1865 – 1935) oder der von 1899 bis 1905 als Goßmufti von Ägypten wirkende Muhammad Abduh (1849 - 1905) traten im Sinne des Grundsatzes von der Einheit von „Staat und Religion“ für den Aufbau eines wiederbelebten islamischen, von einem Kalifen als „Einigendes Band der Umma“ geführten Großreiches ein. Dabei setzen Radikale wie Afghani auf Umsturz und bewaffneten Widerstand, Gemäßigte wie Abduh bevorzugten Reformvorschläge. Zu den von den Ideen von Abduh und Afghani beeinflussten Gläubigen gehörte auch der ägyptische Lehrer Hassan al-Banna (1906 - 1949). Al-Banna gründete 1928 mit der Muslimbrüderschaft eine der bis ins 21. Jahrhundert hinein einflussreichsten Fundamentalisten-Gruppierungen der islamischen Welt.
Mit dem Aufkommen des säkularen Nationalismus in den islamischen Staaten und der Ausbildung von Nationalstaaten in den 1950er und 1960er Jahren verlor der panislamische Salafismus vorübergehend an Bedeutung. Nach der Niederlage der arabischen Armeen im Sechstage-Krieg gegen Israel (1967) erlebte der Säkularismus und Nationalismus vor allem bei jungen Muslimen zunehmend einen Attraktivitätsverlust. Parallel dazu suchten zahlreiche Muslime Hoffnung beim Salafismus. Diese ständig wachsende neofundamentalistische Stimmung führte im Ergebnis zu einer Stärkung des erzkonservativen Wahhabismus saudi-arabischer Ausprägung mit seiner rigiden Reglementierung des gesellschaftlichen und familiären Lebens durch am Koran ausgerichtete Vorschriften. Daneben bildeten sich aber auch neofundamentalistische Gruppen, für die die „Anstrengung, ein gottgefälliges Leben zu führen“ („Dschihad“, „Heiliger Krieg“) ausdrücklich auch die Anwendung von Gewalt bis hin zur Beteiligung an Terroranschlägen umschließt. So sollen alle am Terrorschlag „11. September 2001“ beteiligten Täter Salafisten der dschihadistischen Richtung gewesen sein.