Biografie Leo Tolstoi Lebenslauf
Leo Tolstoi war ein russischer
Schriftsteller und Politiker. Geprägt von
Kriegserlebnissen und dem Elend von Arbeitern und Bauern
im russischen Zarenreich entwickelte Tolstoi alternative
Visionen einer gerechteren Gesellschaft. Zuletzt
allerdings vertrat er einen religiös inspirierten
Anarchismus. Während seine politischen Visionen von
Zeitgenossen und Nachlebenden häufig missverstanden
wurden, erlangte Tolstoi für seine Romane „Anna
Karenina“ und „Krieg und Frieden“ internationale
Anerkennung und ist nach wie vor einer der berühmtesten
russischen Schriftsteller aller Zeiten.
Tolstois Jugend
Leo Nikolajewitsch Tolstoi wurde am
9. September 1828 auf dem Landgut Jasnaja
Poljana in der Nähe der zentralrussischen Stadt Tula als
Sohn einer Adelsfamilie geboren.
1844 begann Tolstoi ein
Studium in Kasan, das er jedoch
1847 abbrach, um sich um
das Gut der Familie zu kümmern.
1851 wurde er als
Fähnrich zum Militärdienst in einer Artilleriebrigade
eingezogen. Tolstoi war an Kampfhandlungen des
Kaukasuskrieges bis zum Ende
1855 an mehreren Fronten
beteiligt.
Seine Kriegserlebnisse verarbeitete er in mehreren
Erzählungen, die ihm den Durchbruch als Schriftsteller
brachten. Das Zarenreich empfand Tolstoi als
rückständig, weshalb er sich auf Reisen durch
westeuropäische Länder über die dortigen Schulsysteme
und pädagogischen Konzepte informierte. Er begegnete
namhaften Schriftstellern, z.B. Charles Dickens, traf
mit dem deutschen Pädagogen Friedrich Fröbel zusammen
und sammelte reformistisches Gedankengut. Nach seiner
Rückkehr nach
Russland richtete er Dorf- und
Volksschulen ein, die sich an einer westlichen
Pädagogik, vor allem aber am Vorbild des französischen
Philosophen und Pädagogen Jean-Jacques Rousseau
orientierten. Außerdem verfasste Tolstoi Schulbücher und
trug damit nicht unwesentlich zur Alphabetisierung
Russlands bei.
1862 heiratete Leo Tolstoi die Hauslehrerin und
Schriftstellerin Sofja Andrejewna, mit der er dreizehn
Kinder hatte. Während seiner Ehe widmete sich Tolstoi
wieder verstärkt seiner schriftstellerischen Arbeit.
Seine Erfolgsromane „Krieg und Frieden“ und „Anna
Karenina“ entstanden in dieser Zeit.
Krise und Umbruch
Trotz seines schriftstellerischen Erfolgs empfand
Tolstoi die Zeit, in der er lebte, als
krisengeschüttelt. Er lebte abwechselnd in Moskau, St.
Petersburg und auf seinem Landgut. Der
Industrialisierung und der Landflucht, die er kennen
lernte, wollte er durch die Verbesserung der Lage der
Bauern entgegenwirken. Er unterstützte politische
Gefangene und setzte sich für demokratische Reformen
ein. Als rigider Moralist wurde Tolstoi zum Vorreiter
der Lebensreformbewegung, die auf den Genuss von
Alkohol, Nikotin und Fleisch verzichtete.
Seit 1881 wandte sich Tolstoi religiösen Fragen zu,
lehnte aber rituelle Frömmigkeit und die Theologie der
Amtskirche ab. Als maßgebend betrachtete er allein die
Lehren Jesu, die er im Sinne des Pazifismus und
Anarchismus interpretierte. Dieses Gedankengut führte
zwangsläufig zu Konflikten mit Staat und Kirche.
Anarchismus
Tolstoi wurde seit 1881 überwacht und nur wegen seines
internationalen Ruhmes nicht inhaftiert.
1901 wurde er
von der Synode der orthodoxen Kirche exkommuniziert.
Tolstoi antwortete mit harscher Kritik an der Ignoranz
der Mächtigen und an der hedonistischen Lebensweise von
Adel und Bürgertum. Aber auch sozialistischen Ideen
konnte er nichts abgewinnen. Gewaltlosigkeit,
Nächstenliebe, Besitzlosigkeit und Tugendhaftigkeit
setzte Tolstoi gegen die politische Unterdrückung im
Zarenreich, aber auch gegen den materialistischen
Fortschrittsglauben des Westens.
Mit diesen Ideen beeinflusste er unter anderem Mahatma
Gandhi.
Leo Tolstoi starb am
20. November 1910 an den Folgen einer
Lungenentzündung unweit seines Familienlandgutes in
einem Bahnwärterhäuschen von Astapowo. Tolstois Leichnam
wurde auf sein Gut überführt und dort fand der Künstler
und Reformer auch seine letzte Ruhestätte.