Geschichte der Raumfahrt
Sich von der Erde zu lösen und ins All vorzustoßen,
ist ein uralter Menschheitstraum. Als eine – nach
heutigen, wissenschaftlichen Maßstäben – erste,
ernstzunehmende Erörterung zum Thema „Raumfahrt“
zählt nach Meinung vieler Fachexperten die 1638 in
London erschienene Denkschrift „The discovery of a
world in the moon; discourse concerning a new
planet“ des britischen Geistlichen John Wilkins
(1614-
1672), einem Mitbegründer des legendären
Gelehrtenzirkels „Royal Society“. Wilkins war
wahrscheinlich durch den frühen
Science-Fiction-Roman „The Man in the Moon“ (1638)
seines Landsmannes und Berufskollegen Francis
Goodwin (1562-1633) zu seiner Abhandlung über die
Möglichkeiten einer Reise zum Mond und eines
dortigen Überlebens inspiriert worden.
Wilkins´ Vorstellungen wurden, wie auch die
Raumfahrt-Debattenvorschläge seiner vielen
Nachfolger, von den Zeitgenossen fast durchweg als
bloße Phantasterei abgetan, sogar als
Gotteslästerung oder als Angriff auf die
Gesellschaftsordnung verfolgt.
Erst im Zusammenhang mit der rasanten Entwicklung
der Luftfahrt seit Ende des 19. Jahrhunderts
begannen sich Öffentlichkeit und Wissenschaft
ernsthafter mit den Bedingungen zu befassen, wie
Raumfahrt möglich werden könnte. Was unter
„Raumfahrt“ zu verstehen ist, war und ist nicht
endgültig geklärt. Nach einer in der Fachwelt
gängigen Mehrheitsmeinung wird „Raumfahrt“ aber als
das Erreichen des Bereichs oberhalb der
Erdoberfläche ab einer Höhe von etwa 100 Kilometern
definiert.
Am Anfang der Raumfahrt standen die theoretischen
Überlegungen von Physikern zum Problem eines
Antriebs, der stark genug sein musste, Körper aus
dem Bereich der Erdanziehungskraft heraus zu
transportieren. Epochal in diesem Zusammenhang waren
die Arbeiten des russischen Physikers Konstantin
Ziolkowski (1857-1935) und seines deutschen Kollegen
Hermann Oberth (1894-1989) zur Entwicklung des
Raketenantriebs. Oberths 1922/23 veröffentlichte
Diplomarbeit „Die Rakete zu den Planetenräumen“ gilt
als Urschrift der modernen Raumfahrt.
Vor allem in Militärkreisen wurde die
Raketentechnologie-Forschung in Folge systematisch
betrieben. Insbesondere in den Forschungs- und
Versuchanstalten der deutschen Wehrmacht in
Peenemünde wurden unter anderem unter der
Federführung von Wernher von Braun (1912-1977)
Kriegsraketen wie die V1 und V2 entwickelt. Nach der
deutschen Niederlage 1945 sicherten sich die
Sieger-Großmächte USA und
UdSSR, die von der
militärischen Bedeutung der Raketen überzeugt waren,
sowohl die Unterlagen als auch viele
Peenemünde-Fachleute, um die jeweils eigene
Raketenforschung zu forcieren.
Die als Nebenprodukt der Entwicklung von
sprengkopfbestückten Raketen betriebene
Raumfahrt-Forschung wurde rasch wichtiges
Versatzstück in der Propaganda des
Kalten Krieges.
Mit dem Start von Sputnik 1 am 4. Oktober 1957 mit
Hilfe der Trägerrakete R-7 sah sich der Westen mit
der mutmaßlichen Tatsache konfrontiert, dass die
Sowjetunion in der Lage war, technologisch die USA
zu übertreffen.
In den USA der Eisenhower-Ära, wo
1955 die Entwicklung eines eigenen Satelliten in
Aussicht gestellt worden war, führte der
„Sputnik-Schock“ zu einer massiven Förderung der
Raumfahrt und damit zum „Wettrennen der Systeme im
Weltraum“.
Zunächst hatte die UdSSR die Nase vorn: Dem („Never
Come Back“-)Flug des ersten Lebewesens im All
(Hündin Laika, 1957) und der ersten (harten) Landung
eines Satelliten auf dem Mond (Lunik 2, 1959)
(wy0z9q) folgte der erste Flug eines Menschen im
Kosmos. Kosmonaut Juri Gagarin (1934-1968) umkreiste
an Bord von Wostok 1 am 12. April
1961 im Orbit
einmal die Erde. Am 5. Mai 1961 folgte mit Alan
Shephard (1923-1998) der erste US-Astronaut im All
(15 Minuten in der Mercury-Kapsel „Freedom 7“).
Gagarins 106 Minuten langer Aufenthalt im All führte
zum programmatischen Versprechen von US-Präsident
John F. Kennedy am 25. Mai 1961, noch in den 1960er
Jahren US-Astronauten auf dem Mond landen zu lassen.
Es folgte das vom NASA-Zentrum Cape Canaveral
(1964-1973 umbenannt in „Cape Kennedy“) gestartete
und von Wernher von Braun mitgeleitete
Gemini-Programm mit zehn bemannten Raumflügen, bei
denen Weltraumaustiege der Astronauten und
Kopplungsmanöver besonders spektakulär waren.
25 Milliarden für das Apollo-Programm
1966 schloss sich das etwa 25 Milliarden Dollar
teure Apollo-Programm an, das zur Mondlandung führen
sollte. Bei einem Bodentest von Apollo 1 kam es am
27. Januar 1967 zu einem Unfall, bei dem drei
Astronauten ums Leben kamen. 1968 umrundete Apollo 8
den Mond und am 21. Juli 1969 betrat Neil Armstrong
(1930-2012) als erster Mensch den Mond. Fünf weitere
Mondlandungen folgten. Letzter Mensch auf dem Mond
war der Kommandant von Apollo 17, Eugene Cernan
(geb. 1930), der den Mond am 11. Dezember 1972
verließ. Ingesamt haben 12 Menschen den Mond
betreten: Alles weiße US-Männer zwischen 36 und 47
Jahren. Alan Shephard war nicht nur der älteste
Mondbesucher, sondern auch der erste Mensch, der auf
dem Mond Golf gespielt hat (5. Februar 1971).
Das Mondlandeprogramm war ein weltweit überaus
aufmerksam beobachtetes Medienereignis und gilt als
Höhepunkt der bemannten Raumfahrt, die aber
zunehmend wegen der enormen Kosten und der im
Verhältnis dazu als eher gering erscheinenden
wissenschaftlichen Erkenntnisse bald in die Kritik
geriet.
Die Sowjetunion konnte dem Mondlandeprogramm nichts
Gleichwertiges entgegensetzen und legte den
Schwerpunkt ihrer vom Raumfahrtszentrum Baikonur aus
gesteuerten Aktivitäten auf das 1971 mit Saljut 1
begonnene Raumstationsprogramm.
Seit der Mondlandung konzentrierte sich auch die
US-Raumfahrt vor allem auf die Erforschung und
Nutzung des Orbits durch Raumstationen. Dabei
spielte auch Entwicklung und Einsatz mehrmals
verwendbarer Versorgungsfähren (US Space Shuttle
Program, ab 1981) eine wesentliche Rolle. Ferner
nimmt die Erforschung des Erd-Nachbarplaneten Mars
durch unbemannte Satelliten und Landfahrzeuge
(„Rover“) zunehmend an Wichtigkeit zu.
Ein wichtiger Schritt weg von der als veraltet
geltenden Wettlauf-Mentalität und hin zu
zukunftsorientierter Kooperation ist die seit 2000
betriebene internationale Raumstation ISS
(International Space Station), an der neben USA und
Russland auch Japan, Kanada sowie zur europäischen
Weltraumorganisation ESA zählende Länder, darunter
Deutschland, beteiligt sind.
Einen Sonderweg geht China, das
2003 mit Yang Liwei
(geb. 1965) an Bord von Shenzhou 5 erstmals einen
eigenen Raumfahrer („Taikonaut“) ins All schickte.