Stadtinfo Ankara Geschichte
Außerhalb der Türkei unterläuft immer noch vielen Menschen der Fehler, Istanbul für die türkische Hauptstadt zu halten. Richtig ist aber vielmehr, dass nicht die alte Sultanshauptstadt am Bosporus mit ihren 12 Millionen Einwohnern trotz ihrer unbestritten herausragenden kulturellen, wirtschaftlichen und historischen Bedeutung offizielle Kapitale der Türken ist, sondern die anatolische Vier-Millionen-Stadt Ankara.
Ankaras Historie ist maßgeblich geprägt von der Stellung als Symbol des in schroffer Abgrenzung zur Tradition des Osmanischen Reiches stehenden kemalistischen Gründungsmythos am Anfang der Geschichte der türkischen Republik in den 1920er Jahren. Ankaras Geschichte geht aber erheblich weiter in die Vergangenheit zurück.

Frühe Geschichte
Ankara (neugriechischer Name: „Angora“, vom altgriechischen „Ancyra“ für „Anker“) gehört zu den ältesten Zentralstädten der Welt. Die in der Bronzezeit entstandene Stadt war bereits im frühen Altertum ein wirtschaftlicher und politischer Knotenpunkt in der Hethiter-Zeit. Als Teil des phrygischen Reiches war Ankara nach der Zerstörung der 80 km entfernten Königsstadt Gordion durch ein Erdbeben um 400 v. Chr. zeitweise die wichtigste Stadt in Mittelanatolien. Die Herrschaft der Phryger wurde durch die der Lyder und schließlich ab etwa 550 v. Chr. der Perser abgelöst, ohne dass der vorherrschend phrygische Charakter der Stadt und seiner Bevölkerung verschwunden wäre.
334/333 v. Chr. kam Ankara im Zuge der Alexander-Eroberungen unter makedonisch-griechische Oberherrschaft. Alexander der Große hielt sich während seines Vormarsches kurz in der „Ancyra“ genannten Stadt auf. Nach dem Tod Alexanders wurde Ancyra Teil des hellenistischen Diadochen-Reiches von Antigonos I. und dessen Nachfolger. Die Stadt wurde als Umschlagdrehscheibe für Waren von der Krim, aus Armenien und Persien ausgesprochen wohlhabend.
Ende des dritten vorchristlichen Jahrhunderts eroberten die keltischen Galater weite Teile Zentralanatoliens und machten Ancyra zu ihrer Hauptstadt. Die zahlenmäßig relativ wenigen Keltenkrieger bildeten allerdings lediglich die Oberschicht der weiterhin ihre phrygische Sprache und Kultur pflegenden Einwohner. Im Jahr 25 v. Chr. vertrieben römische Truppen die Kelten aus Ancyra und errichteten hier die Verwaltung ihrer neuen Provinz Galatia. Zu Ehren des Kaisers Augustus wurde der imposante Tempel „Monumentum Ancyranum“ errichtet, der unter anderem als Aufbewahrungsort des Rechenschaftsberichts „Res Gestae Divi Augusti“ diente. Noch heute sind Ruinen aus römischer Zeit in Ankara vorhanden.
Es sollen zur römischen Blütezeit etwa 200.000 Menschen in Ancyra gelebt haben. Mit der allmählichen Zerschlagung des Byzantinischen Reiches, zu dem Ancyra, lange einflussreiches Zentrum der orthodoxen Kirche, seit der endgültigen Ost-West-Teilung des Imperium Romanum im 4. nachchristlichen Jahrhundert gehörte, fiel die Stadt an Goten, Seldschuken und Araber. Mitte des 14. Jahrhunderts eroberten die Osmanen Stadt und Umgebung. Damals war Ancyra / Angora bereits zu einem relativ bedeutungslosen Provinzstädtchen herabgesunken. Auch die bessere verkehrstechnische Anbindung an Istanbul durch die „Anatolische Eisenbahn“ (1892) änderte daran nicht viel.

Die moderne Zeit
Erst im Zuge des „Türkischen Befreiungskrieges“ (1919-1923) nach dem Ende des Ersten Weltkrieges geriet Angora wieder in den Mittelpunkt welthistorischer Ereignisse. Das Osmanische Reich hatte als Verbündeter Deutschlands den Krieg 1914/1918 verloren. Es hatte nicht nur seine arabischen Außengebiete an die siegreichen Entente-Mächte abtreten müssen, sondern war auch im anatolischen und rumelischen Kernland in Besatzungszonen aufgeteilt worden. Außerdem stand im Raum, dass nach der Unterzeichnung des Vertrags von Sevres 1920 durch die osmanische Regierung Griechenland und Armenien türkische Gebiete okkupieren würden. Unter Führung des charismatischen Generals Mustafa Kemal (1881-1938), der später den Ehrentitel „Atatürk“ („Vater der Türken“) erhielt, formierte sich als Reaktion auf diese Situation eine nationale Widerstandsbewegung, die den Vertrag von Sevres nicht anerkannte und darüber hinaus allmählich die Idee einer Ablösung des osmanischen Regimes durch eine Republik ausarbeitete. Demokratisch legitimiert wurden diese Forderungen durch Beschlüsse des zunächst noch in Istanbul tagenden Parlaments. Nach der Besetzung Istanbuls durch britische Truppen 1920 verlegte man das Parlament nach Angora, das damit zum Zentrum des türkischen Widerstandes wurde. Das nicht mehr als 30.000 Einwohner zählende Angora wurde auch nicht geräumt, als 1921 griechische Truppen bis auf etwa 50 km an die Stadtgrenzen herangerückt waren. Nach dem Sieg der kemalistischen Truppen wurde 1923 die Republik ausgerufen. Angora wurde als Symbol für den Neuanfang statt der alten osmanischen Metropole Istanbul zur neuen Hauptstadt bestimmt. 1930 wurde der neugriechische Name „Angora“ auch offiziell in das bis dahin bereits in der Umgangssprache übliche „Ankara“ geändert.

Ankara heute
Ankara entwickelte sich rasch zu einer modernen Verwaltungsstadt mit breiten Boulevards und vielen Grünanlagen, die dem bis dahin eher karg-trockenen Ankara zu ihrem attraktiven Gartenstadt-Charakter verhalfen. 1928 lebten bereits über 100.000 Menschen in der neuen Hauptstadt, 30 Jahre später hatte sich diese Einwohnerzahl verfünffacht. Schwerpunkt der architektonischen Entwicklung war das neben der Altstadt Ulus entstehende neue Stadtviertel Yenişehir. Wichtige Akzente im Stadtbild wurden in den ersten Jahrzehnten der Republik von deutschen Architekten und Stadtplanern wie Carl Chistoph Lörcher, Hermann Jansen und Josef Brix gesetzt.