Heinrich von Kleist Lebenslauf
Heinrich von Kleist gilt als einer
der großen Grenzgänger der deutschsprachigen Literatur.
Seine Werke, deren Bedeutung erst Jahre nach seinem
frühen Tod erkannt wurden, bewegen sich im Spagat
zwischen Klassik und Romantik und spiegeln in dieser
Unmöglichkeit ihrer Fixierbarkeit die Tragik seines
kurzen Lebens wider.
Die Figuren seiner Dramen und Novelle leben von ihrer
Bindung an das Gefühl, sie zeichnen sich aus durch
Brüchigkeit, durch den Spannungskonflikt zwischen einem
Leben in Hingabe an das Gefühl und der Relevanz
gesellschaftlicher Ordnung und Notwendigkeit.
Heinrich von Kleist wurde nur 34 Jahre alt. Er wurde im
Jahre
1777 als Sprössling einer preußischen
Offiziersfamilie geboren. Gemäß der Familientradition
trat er
1792 eine militärische Laufbahn an, die er
jedoch bereits
1799 aus freien Stücken wieder beendete,
um in seiner Heimatstadt Frankfurt an der Oder ein
Studium zu beginnen. Obwohl sein Aufenthalt an der
Universität nur drei Jahre währte, fällt in diese Zeit
das Erweckungserlebnis, das die eigentliche Tragik
seines Lebens bestimmte. Während der Studienzeit kam er
in Berührung mit den Werken des deutschen Philosophen
Immanuel Kant. Die Kant-Lektüre, im biographischen
Kontext Heinrichs von Kleist auch als "Kant-Krise"
bekannt, stellt eine Zäsur im Leben des Dichters dar.
Kants Gedanken und Untersuchungen über die Möglichkeit
und Grenzen menschlicher Erkenntnis führten den jungen
Kleist zu der Anschauung, dass die Möglichkeit der
Erkenntnis letztendlich unmöglich ist, dass die
Wirklichkeit als solche nicht erkennbar und nicht zu
durchdringen ist.
Dieser radikale Einschnitt in seinem Denken bewirkte
eine Krise, aus der er in letzter Hinsicht keinen Ausweg
sah, auch eine rückhaltlose Bindung an das Gefühl als
einzige und handlungsbestimmende Instanz schien keine
Lösung der Aporie zu bieten.
Der junge Kleist war innerlich zerrissen, unstet reiste
er in Europa umher, wurde zeitweilig in
Frankreich
verhaftet und festgehalten unter dem Verdacht, ein Spion
zu sein.
Zeitweilig versuchte er sich im Staatsdienst, was er
jedoch bald wieder aufgab, um sich ganz seinen
literarischen Arbeiten zu widmen. Unter dem Eindruck der
politischen Spannungen seiner Zeit, die vor allem durch
das Regime und die Außenpolitik
Napoleon Bonapartes
geprägt waren, versuchte er, seine Anschauungen in
seinen Werken zu verarbeiten, Freiheitsdrang und
Widerstandsgedanken führten zu den Plänen politischer
Wochenblätter, die jedoch nicht realisiert wurden.
Heinrich von Kleists Leben war in sozialer wie
individueller Hinsicht geprägt von Brüchen und
Spannungen. Die Erkenntnisohnmacht führte zur
Verzweiflung an der Unmöglichkeit eines Lebens im Wahren,
und so trat er in letzter Konsequenz am
21. November
1811 zum Suizid. Gemeinsam mit der unheilbar an Krebs
erkrankten Henriette Vogel fuhr er zum Kleinen Wannsee
in Berlin. Mit ihrem Einverständnis erschoss er zuerst
seine todkranke letzte Begleiterin und dann sich selbst.
Ihre Ruhestätte fanden die beiden gemeinsam aus dem
Leben Geschiedenen an Ort und Stelle, aufgrund der
gesellschaftlichen Ächtung des Suizids wurde kein
Begräbnis auf dem Friedhof gestattet.
So starb Heinrich von Kleist, wie er gelebt hatte: in
Rückbindung an das Gefühl als einzige Instanz, in der
Erkenntnis der Erkenntnisunmöglichkeit, zerrissen in
metaphysischer Heimatlosigkeit.