Equipment zerkloppten

Dröhnende Lautstärke und wie respektlos sie ihr Equipment zerkloppten – wow, das war der Hammer!
Kurze Zeit später sah er sie erneut und erfuhr von ihrem Roadie, dass ihr Gitarrist die Band verlassen wollte. Bei den Motown Sect sah Lemmy für sich ohnehin keine große Zukunft mehr. Von den Jungs, die inzwischen alle kurze Haare hatten, war er allmählich ziemlich genervt. Bei den Vicars winkte viel Spaß. Also spielte er bei ihnen vor. Er litt nicht an Selbstüberschätzung und wusste sehr wohl, dass er nicht der ideale Leadgitarrist war. Er glich dieses Manko durch seine Show aus, sprang aufs Klavier, das davon zu Bruch ging und zerschlug seine einzige Gitarre. Ein hoher Preis für ein Vorspielen. Doch der zahlte sich aus. Er wurde sofort in diese Chaoten-Truppe aufgenommen, mit der er dann von 1965 bis 1967 umherzog.
Lemmy war bei den Rocking Vicars nicht nur Gitarrist. Er hatte auch seine besondere Showeinlage, einen Klassiker: Er musste Pete, dem Bassisten, eine Torte ins Gesicht werfen. Die Kids grölten vor Vergnügen. Auch als einmal ein Zinnteller anstelle eines Papptellers unter der Torte war und Lemmy ihm damit die Nase brach, johlten sie. Sie dachten, der ganze Rotz und das Blut gehörten zur Show.
Es war eine irre Zeit. Die Jungs wohnten auch zusammen, nachdem der Manager ihnen eine Wohnung nahe des jüdischen Viertels Cheetham Hill besorgt hatte. Die Beliebtheit der Musiker in den Konzerten war allerdings nicht auf die Nachbarschaft übergeschwappt. Die beäugte die Langhaar-Typen eher skeptisch. Vor allem ablehnend.
Im Norden Englands hatten sich die Rocking Vicars einen Namen gemacht. Im Süden Englands wusste fast niemand von ihrer Existenz. Aber das war egal. Die Jungs hatten viele Auftritte, es kam eine Menge Geld in die Kasse und Lemmy fuhr abwechselnd einen seiner zwei Jaguars oder den Chevy. Sie lebten nicht schlecht, konnten sich einiges leisten und gaben ihr Geld mit vollen Händen aus.
Mit der Truppe erlebte er eine lustige, eine verdammt wilde Zeit. Und – sie nahmen drei Singles auf. Von dem Song „It’s All Right“ behauptete Ciggy Shaw, der Drummer, dass er ihn geschrieben hätte. Doch es war unüberhörbar, dass es ein dürftiger Abklatsch von „The Kids Are All Right“ von The Who war. Sie selbst hatten überhaupt keine eigenen Titel. Auch keinen Hit, der vordere Chartplätze erreichte. Trotzdem wurden sie im Norden geliebt wie kaum eine andere Band. Ihre Auftritte waren spektakulär, Kreischen und Handgreiflichkeiten von Mädchen, die ihnen die Klamotten vom Leib zerrten, waren keine Seltenheit.
Mit der Truppe gab es sogar ein paar Auslands-Gastspiele. In Finnland hatten sie dann tatsächlich einen Nummer-eins-Hit. Das war kein großes Kunststück, denn schon bei 30.000 verkauften Singles war einem dort der erste Platz sicher.
Sie kamen zudem als erste britische Band hinter den Eisernen Vorhang, spielten in Ljubljana, Montenegro und Bosnien. Sie erlebten dort den Übergang zum Ostblock und waren ständig mit einem Fremdenführer im Schlepptau unterwegs, der ihnen die schönen Seiten des Landes schmackhaft zu machen versuchte. Ein eigenes Urteil konnten sie sich nicht bilden.
Die Vicars haben nicht nur als wilde, finanziell einträgliche Phase in Lemmys Leben einen Platz. In jener Zeit wurde er auch zum zweiten Mal Vater.
Tracy, eine Sängerin aus einer Band, die sich die Jungs öfter angeschaut hatten, war eines Morgens zu ihm gekommen, um ihm die frohe Botschaft zu bringen. Was sie auch erwartet hatte, seine Antwort im morgendlichen Halbschlaf stellte sie nicht zufrieden. Sie war eingeschnappt und verschwand.
Der Junge heißt Paul, und Lemmy lernte ihn erst kennen, als er sechs Jahre alt war. Es war kein Wunschkind, aber der Kontakt, der Jahre später erneut zustande kam - Paul war inzwischen 23 Jahre alt – hielt an und festigte sich.
Zu Beginn des Jahres 1967 verließ Lemmy die Rocking Vicars. Später erklärte er seinen Weggang damit, dass er höhere Ziele hatte. Der Norden Englands war nicht die Welt. Nicht für ihn. Er zog weiter, er ging nach London.

Nach den Londoner Konzerten >>>

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