Musikerlaufbahn

Lemmy zäumte seine Musikerlaubahn von hinten auf, soll heißen, seine Laufbahn nahm keinen „klassischen“ Verlauf. Er konnte hart arbeiten und war sich für nichts zu schade, wenn es ein bisschen Geld einbrachte. Er war nicht der Dachkammer-Künstler, der aus Not hungerte und sich vom Leben fern hielt. Im Gegenteil, er wollte so viel wie möglich sehen und hören. Die Musikszene jener Zeit brachte die aufregendsten Stile und Bands hervor. Musikalische Grenzen gab es nicht. Alles war neu, alles war aufregend. Einzig und allein das Publikum entschied. Und das war vom Rock’n’Roll begeistert, der sich in jener Zeit herausbildete und jahrzehntelang ein Charakteristikum für Rebellion war.
Zunächst waren es Handlangerarbeiten, mit denen Lemmy sich bei Johnny Kid and the Pirates verdingte. Er trug das Equipment für Mick Green, den Gitarristen. Das ersparte Lemmy das Eintrittsgeld für die Shows. Er mochte die Band. Sie war einfallsreich genug, sich äußerlich tatsächlich von den anderen zu unterscheiden. Johnny Kid stach schon mit seiner Augenklappe aus der Masse hervor. Dazu Piratenstiefel und ein gestreiftes Hemd. Lemmy war beeindruckt. Außerdem belebten sie ihre Bühnenbeleuchtung durch das schnelle An- und Ausschalten des Lichtschalters, woraus der Stroboskop-Effekt entstand.
Auch The Birds beeindruckten ihn. Letztendlich lernte er in den sechziger Jahren viele Musiker kennen, sehr viele. Er bestaunte manche sehr, aber vor allem lernte er von ihnen. Immerhin hatten sie alle irgendwie schon ihren Platz gefunden – die Bühne. Es waren auch Musiker unter ihnen, die später zu Weltruhm kamen. Bei den Birds war es beispielsweise Ronnie Wood, der mit seiner Gitarre dann nach einigen Umwegen bei den Rolling Stones landete.
Den Birds folgte Lemmy überallhin nach, schlief in ihrem Tour-Bus und verfolgte während der Show das Geschehen auf der Bühne. Damals gehörte er schon selbst einer Band an, die sich The Motown Sect nannte.
In den sechziger Jahren hat Lemmy in verschiedenen Gruppen gespielt. Band- und Bühnenerfahrungen konnte er schon in Wales sammeln. Er gründete die Sundowners, die sich später DeeJays nannten. Mit dieser eigenen Band hatte er seinen ersten großen Auftritt in einem Kellercafé. Ansonsten bestritten sie ihren Lebensunterhalt auf Hochzeiten und Tanzveranstaltungen, bevor er zu den Sapphires wechselte. All das waren kurze Aufenthalte.
Lemmy ging nach Manchester, war dort mit den Rainmakers unterwegs und stieg schließlich bei The Motown Sect als Gitarrist ein. Dort blieb er drei Jahre. Um das Singen riss er sich nicht, doch irgendwer musste den Gesang übernehmen. Lemmy gewöhnte sich daran. Die Band spielte durchaus nicht den typischen Motown-Soul. Sie war eine ausgezeichnete R&B-Band, mit der Lemmy auch einmal als Vorgruppe der Pretty Things auftrat, eine der wildesten Rock-Bands, die England hervorgebracht hat und die im 21. Jahrhundert noch immer existiert. Die Musiker von Motown Sect, die alle lange Haare hatten, orientierten sich an dieser Gruppe, nicht nur äußerlich. Irgendwann hatte allerdings nur noch Lemmy lange Haare.
Lemmy ging unentwegt zu anderen Bands, um deren Musik zu hören und deren Shows zu sehen. Einer der angesagten Clubs in Manchester war der „Oasis Club“. Alles, was schon annähernd einen Namen hatte, trat dort auf. Als Lemmy in dem Club zum ersten Mal Reverend Black and the Rocking Vicars erlebte, haute es ihn um. Die Gruppe war zwar nicht so sehr angesagt, hatte aber etliche Gigs und die Mädchen standen auf sie. Ja, schon deshalb beeindruckte ihn diese Band gewaltig. Allein das Outfit! Total abgefahren! Die Jungs trugen Tracht, eine Art finnische Tracht. Rentierfell-Stiefel zu weißen Hosen, dazu Kittel aus Lappland, Vikarskragen und Hundehalsbänder. Es sah so grottenschlecht aus, dass es schon wieder gut war. Und alle hatten lange Haare, richtig lange Haare.

wow, das war der Hammer! >>>

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