Geschichte der Kirchensteuer
Trotz der in der Weimarer Verfassung
1919 und in
Anlehnung daran auch im Grundgesetz
1949 postulierten
Trennung von Staat und Kirche überschneiden sich in
Deutschland in Übereinstimmung mit herrschender Meinung
der juristischen Fachwelt kirchliche und staatliche
Verwaltungsebenen. Bei diesem Konzept der „hinkenden
Trennung“ gehen Verfassungsrechtler seit den
1920er
Jahren im Prinzip unverändert davon aus, dass
Religionsausübung eine zwar nicht-staatliche, aber
dennoch öffentliche
Bei Francis Bacon fand sich die erste, heute bekannte
Bedeutung des Wortes in Verbindung mit der
Angelegenheit ist, die in bestimmten Fällen
Zusammenarbeit von Staat und Kirche nicht nur erlaubt,
sondern sogar erfordert. Zu den heute wichtigsten
Feldern dieser Zusammenarbeit gehören Aspekte des
Besoldungswesens in Bezug auf kirchliche Amtsträger, die
Teil- oder Vollfinanzierung kirchlicher Einrichtungen
und landesrechtliche Bestimmungen, die eine
Sonderstellung von Kirchen bei der Gestaltung des
schulischen Religionsunterrichts ermöglichen, sowie die
Kirchensteuer.
Diese Steuer wird als zusätzlich zur allgemeinen
Einkommensteuer festgesetzte Steuer auf das Einkommen
den Angehörigen der jeweiligen Religionsgemeinschaften
von den staatlichen Finanzbehörden erhoben und in der
Regel auch für die Religionsgemeinschaften eingezogen.
Neben dieser Kircheneinkommensteuer gibt es noch einige
weitere, weniger bedeutende, Kirchensteuerarten wie die
Kirchengrundsteuer oder das in Fällen von Ehen mit
glaubensunterschiedlichen Partnern einschlägige
Kirchgeld. In Deutschland finanzieren sich die meisten
Religionsgemeinschaften, soweit sie den Charakter einer
öffentlich-rechtlichen Körperschaft für sich in Anspruch
nehmen können, zum größten Teil durch die Kirchensteuer.
Außer für die evangelisch-lutherischen und –reformierten
Landeskirchen und der römisch-katholischen Kirche trifft
das auch für die altkatholische Kirche sowie einige
freikirchliche und jüdische Gemeinden zu. Islamische
Gemeinschaften in Deutschland haben dagegen bisher auf
die Kirchensteuereinzug voraussetzende Anerkennung als
Körperschaft öffentlichen Rechts verzichtet.
Die in vergleichbarer Form außerhalb von Deutschland nur
in
Österreich, in der Schweiz sowie in Elsass-Lothringen
erhobene Kirchensteuer hat seine Wurzeln in der
eigentümlichen Entwicklung im Verhältnis von Staat zu
Kirche im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation.
Einerseits waren die Landesherren der einzelnen
deutschen Territorien seit dem Augsburger
Religionsfrieden von 1555 oberste Kirchenherren, die
zudem in den evangelischen Ländern zum Teil direkt in
die internen Belange der Religionsgemeinschaften in
ihren Staaten eingreifen konnten, andererseits gab es
eine Reihe von geistlichen Territorien mit
eigenstaatlichen Charakter auf Reichsebene. Dazu zählten
kurfürstliche Erzstifte wie Köln oder Trier,
fürstbischöfliche Hochstifte wie Paderborn oder
Osnabrück sowie Reichsabteien und sonstige Klöster. In
der napoleonischen Zeit verloren diese geistlichen
Territorien ihre Selbstständigkeit. Ihre Gebiete und ihr
Vermögen fielen an weltliche Fürsten
(Reichsdeputationshauptschluss 1803), ohne dass diese
die von den Kirchen wahrgenommenen Aufgaben übernommen
hätten. Zur Deckung der erforderlichen Kosten für
Armenpflege und Seelsorge erwiesen sich in Folge die
verbliebenen kirchlichen Einnahmen aus Spenden, Pfründen
und Stiftungen als nicht ausreichend und die
öffentlichen Kassen mussten unterstützend eingreifen. Um
die kommunalen
Finanzsäckel zu entlasten, wurde erstmals im Fürstentum
Lippe-Detmold
1826 eine von staatswegen erhobene, die
Kirchenmitglieder belastende kommunale Sondersteuer
eingeführt, die den kirchlichen Gemeinden zufließen
sollte. Die anderen deutschen Staaten folgten in zum
Teil großen zeitlichen Abständen. 1906 war diese
Entwicklung abgeschlossen. Die zunächst auf kommunaler
Ebene geregelten Kirchensteuern wurden schließlich bis
1912 in allen deutschen Gliedstaaten Landesrecht.
Die Weimarer Republik übernahm im Artikel 137 der
Reichsverfassung von 1919 die Garantie und den Einzug
der Kirchensteuer und auch das grundsätzlich
kirchenfeindliche NS-Regime beließ es zunächst bei
dieser Praxis. 1941 schaffte die NS-Regierung allerdings
die Erhebung der Kirchensteuer durch staatliche
Finanzämter ab und stellte es den Kirchen anheim,
Kirchensteuer durch eigene Kirchensteuerämter
einzuziehen.
Die Bundesrepublik Deutschland und ihre Länder
übernahmen
1949 die Regelungen der Weimarer Republik
(Art. 140 GG). Es hat seitdem Anläufe gegeben, eine
unterstellt fehlende Verfassungsmäßigkeit der
Kirchensteuer juristisch feststellen zu lassen (
1957/58
vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof, 1965 vor dem
Bundesverfassungsgericht). Beide Versuche scheiterten
allerdings ebenso wie Versuche, im Rahmen der
Grundgesetzänderung im Zuge der Wiedervereinigung
1990
eine politische Mehrheit für eine Änderung des Art. 140
GG zu erreichen.
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