Heute vor 1000 Jahren
Genaue Ereignisse lassen sich nicht so minutiös
auflisten wie in der modernen Zeit. Dennoch können
viele
Begebenheiten durch Überlieferungen schriftlicher und
mündlicher Art nachvollzogen werden. Mündliches wurde
irgendwann auch in Schriftform gebracht und
glücklicherweise gab es Chronisten bzw.
Geschichtsschreiber, die es sich zur Aufgabe gemacht
hatten, ihre Zeit für die Nachwelt festzuhalten. Zu den
wichtigsten Quellen geschichtlicher Überlieferungen
gehören auch die Kirchenbücher.
Der zeitliche Rahmen für die Historie um 1012 ist weit
gefächert. Bedenkt man, dass das 10. Jahrhundert am 31.
Dezember des Jahres 1000 endete und mit dem Jahr 1001
das 11. Jahrhundert begann, wird klar, dass es sich in
Europa um die Zeit des Frühmittelalters handelte, wobei
diese begriffliche Zuordnung erst sehr viel später von
den Historikern vorgenommen wurde. Diese Zeit des
Frühmittelalters ging in der Mitte des neuen
Jahrhunderts allmählich in das Hochmittelalter über.
Bedenkt man, dass die Kirche, vor allem das Papsttum im
10. Jahrhundert eine schwere Krise durchlaufen hatte,
deren Ende nicht absehbar war, waren die Kreuzzüge u. a.
ein Mittel, die Festigung des Glaubens der kleinen Leute
zu erhalten und deren Vertrauen in die Kirche und ihre
Machenschaften zu stärken. Was die Päpste des
ausgehenden 10. Jahrhunderts anbelangt, so waren diese
meist selbst in äußerst kriminelle Handlungen
verstrickt. Zudem war es üblich, dass die begüterten
Aristokraten oder auch der Kaiser selbst sich anmaßten,
in die Papstwahl einzugreifen. Sie stellten neben den
kanonisch gewählten Vertreter Gottes auf Erden ihren
eigenen Kandidaten auf, machten ihn zum Gegenpapst und
spalteten damit das ganze Kardinalskollegium. Auch vor
einem Mord schreckte man nicht zurück. Beispielsweise
ist historisch überliefert, dass der Papst Bonifatius
VII. (†985), den römische Adlige an die Macht gebracht
hatten, skrupellos genug war, Benedikt VI. (†974) töten
zu lassen und sich selbst dann als „legitimen“
Nachfolger einzusetzen, zuvor war er als Gegenpapst 974
im Amt gewesen. Der Name Bonifatius bedeutet Wohltäter.
Zu Recht wurde der diktatorische Kirchenmann von den
Menschen als Malefatius (Übeltäter) bezeichnet.
Schließlich wurde er selbst ein Opfer von Intrigen und
musste seines eigenen, gewaltsamen Todes wegen das Amt
seinem Nachfolger, dem geldgierigen Johannes XV.
überlassen.
Der erste Papst des neuen Jahrhunderts war Silvester
II., der 999 sein Amt angetreten hatte und bis zu seinem
natürlich Ableben im Jahr 1003 als Pontifex regierte. Er
war französischer Herkunft und hatte sich vor und
während seiner kirchlichen Laufbahn fortwährend mit
Mathematik und Astronomie beschäftigt. Sein
wissenschaftliches Interesse ging weit über die Theorie
hinaus. Er versah beispielsweise den für
Rechenoperationen damals gebräuchlichen Abakus
(Rechenhilfsmittel mit Kugeln) mit Ziffern und machte
sich Gedanken über die praktische Anfertigung eines
Himmelsglobus.
Im weiteren Verlauf war das 11. Jahrhundert
gekennzeichnet vom Ersten Kreuzzug. Die so genannten
Feinde des christlichen Glaubens, die Andersgläubigen,
zu denen der türkische Volksstamm der Seldschuken und
die arabischen Sarazenen gehörten, sollten dem „einzig
wahren“ Glauben zugeführt werden. Zudem begann die
Verbreitung des
Islam an der kirchlichen Allmacht zu
kratzen, auf die das Leben der Menschen in ihrem Alltag
rundum ausgerichtet war. Im Namen Gottes – das war eine
Formel, die nicht angreifbar war. Das sollte auch so
bleiben. Das
Christentum im Morgenlande sollte durch die
Kreuzfahrer von der muslimischen Herrschaft befreit
werden und die dort ansässigen Christen sollen von
den
angeblichen Misshandlungen durch die Muslime erlöst
werden.
Nachdem Papst Urban II. (1035-1099) sein kirchliches
Herrscher-Amt 1088 angetreten hatte und sich schon vor
seiner Papstwahl als besonnen und diplomatisch gezeigt
hatte, rief er 1095 zum Ersten Kreuzzug auf, der 1096
begann. Dem Heer der Kreuzfahrer gehörten vor allem
französische Ritter an. Die Rechtssprechung während des
Kreuzzuges war ausschließlich an das Kirchenrecht
gebunden. Kurz bevor das 12. Jahrhundert begann, hatte
der Erste Kreuzzug, der wie die folgenden unter dem
Motto „Gott will es!“ stand, 1099 Jerusalem erobert.
Doch außer dem Ereignis des Ersten Kreuzzuges gab es im
11. Jahrhundert noch andere, historisch überlieferte
Sachverhalte. Der Gang nach Canossa beispielsweise ist
noch heute in aller Munde, wenngleich nur noch in
sprichwörtlicher Anwendung. Seinen Ursprung allerdings
hatte dieser Bittgang König Heinrichs IV. (1050-1106),
der zu einem demütigen Kniefall wurde, im Jahr 1077. Zu
dieser unterwürfigen Geste hatte sich Heinrich IV.
entschlossen, um den Papst um die Aufhebung des
Kirchenbanns zu ersuchen, den dieser 1076 über den König
verhängt hatte. Ein Jahr Frist war vorgegeben, wollte
man beim Papst um Gnade bitten. Zu jener Zeit hielt sich
der Papst auf der Burg Canossa auf, letztendlich aus
Angst, weil er eine militärische Auseinandersetzung von
Heinrichs Seite befürchtete, der ihn u. a. wegen der
unrechtmäßigen Einsetzung auf den Papstthron
angeprangert hatte. Heinrich war mit großem Gefolge gen
Italien gezogen, hatte demütig im Büßerhemd drei Tage im
Schnee vor der Burg Canossa ausgeharrt, bis er dann vom
Papst die Erlösung vom Bannfluch bekam. Was wie eine
Niederlage in Heinrichs Biographie scheint, war aber
letztendlich ein diplomatischer Schachzug, mit dem der
König sein Reich rettete und der Papst dennoch sein
Gesicht wahren konnte.
Das 11. Jahrhundert war auch die Zeit, in der die
Rückeroberung der Iberischen Halbinsel in vollem
Gange
war – die Reconquista. Im 8. Jahrhundert waren Spanien
und Portugal der Eroberung ihrer Territorien durch
muslimische Eindringlingen aus Nordafrika zum Opfer
gefallen (711-719), die sie in einer ersten Phase
(Rebellion in Asturien um 718) zurück zu eroberten
begonnen hatten, natürlich ohne dabei, den Begriff
Reconquista zu kennen. Den brachte erst die spätere
Geschichtsschreibung in das Vokabular. Die zweite Phase
der Rückeroberung fiel in die Jahre 1086-1212, in der
die Kämpfe an Stärke zugenommen hatten, bedingt durch
das Eingreifen Nordafrikas. Eine endgültige
Rückeroberung konnte erst in der dritten Phase
(1213-1492)erreicht werden. Dabei waren die Muslime
weitestgehend zurückgedrängt worden. Selbst ihr letztes
Areal um Granada gelang es schließlich, vollends wieder
zu erlangen.
Der kastilische Ritter El Cid (um1043-1099) ist
namentlich einer der führenden Kämpfer der Reconquista
gewesen.
In der Zeit vor etwa 1000 Jahren lebten die Menschen in
Mitteleuropa noch nicht in Häusern aus Stein, selbst die
Adels-Burgen waren aus Holz errichtet worden und sie
befanden sich noch nicht auf Bergrücken. Erst um 1050
begann man damit, Material mittels Seilwinden in luftige
Höhen hinauf zu transportieren. Mit dem Bau von Kirchen
aus Stein begann man etwa ab dem Jahr 1000. Die Wartburg
im thüringischen Eisenach entstand 1067. Die einfachen
Leute, die Bauern und Handwerker lebten nach wie vor in
Holz- oder Lehmhütten. In den Städten breiteten sich die
Steinbauten aus. Sie waren ihrem Stil nach bereits ein
Ausdruck des jeweiligen gesellschaftlichen Status ihrer
Bewohner.
Der schottische König Macbeth (1005-1057), der in
Ermangelung einer erblichen Thronfolge als Berechtigter
in das Königsamt gewählt worden war, bildet übrigens
nicht die authentische Basis für das Shakespeare-Drama
gleichen Namens. Ebenso wenig die
Oper „Macbeth“ von
Verdi.
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