Biografie
Leonid Breschnew Lebenslauf
Am
19. Dezember 1906 (dem
selben Tag, an dem in bereits gregorianisch
datierenden Ländern das Jahr 1907 begann) wurde
im ukrainischen Kamenskoje (heute
Dniprodserschynsk) Leonid Iljitsch Breschnew als
Sohn eines Hüttenarbeiters geboren. Seine
Jugendzeit war vom Aufbau der
Sowjetunion
geprägt. Für jemanden, der wie er der
Arbeiterklasse entstammte, war es eine Zeit des
Aufbruchs und der durch Propaganda zusätzlich
befeuerten großen Hoffnungen. 1923 wurde er
Mitglied der Jugendorganisation Komsomol. Bei
der Roten Armee wurde er zum Politkommissar
ausgebildet. Mittels Abendkursen erwarb er
parallel zum Militärdienst eine technische
Ausbildung auf dem wirtschaftlich bedeutsamen
Fachgebiet der Bodennutzung. Dieser Umstand war
dem Aufstieg des bedingungslosen Stalinanhängers
ebenso nützlich wie sein Eintreten in die KPdSU
im Jahre
1931. Stalins große "Säuberungsaktion",
die viele unangepasste oder unbequem gewordene
Genossen die Freiheit und oft genug auch das
Leben kostete, überstand er dementsprechend
unbeschadet.
Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion
trat der inzwischen hochrangige Parteifunktionär
Breschnew wieder als Politoffizier in den
Armeedienst, wo er bald Freundschaft mit Nikita
Chruschtschow schloss. Das Kriegsende erlebte er
in Prag. Danach leitete er als Parteisekretär
mehrere Wiederaufbauprojekte. 1950 wurde er zum
Ersten Parteisekretär der Moldauischen
Sowjetrepublik ernannt, zwei Jahre später berief
man ihn ins Zentralkomitee der KPdSU.
Nach Stalins Tod verlor Breschnew 1953
vorübergehend seinen Posten im Zentralkomitee.
Damit er nicht gänzlich aus der Führungsriege
weichen musste, schickte Chruschtschow ihn
zeitweise als Ersten Parteisekretär nach
Kasachstan. 1956 kehrte er ins Zentralkomitee
zurück. Im Jahr darauf verhalf Chruschtschow ihm
zur Mitgliedschaft im Politbüro.
Breschnews Freund und Gönner, der amtierende
Parteichef, hatte sich durch die demonstrative
Abkehr vom Stalinismus nicht nur Freunde
gemacht. Wiederholt versuchten hochrangige
Parteimitglieder, Chruschtschow zu stürzen.
Breschnew hielt sich bei all dem eher bedeckt,
teilte aber nach außen hin Chruschtschows
Positionen.
Verschiebungen im Machtgefüge der KPdSU machten
ihn
1960 zum Vorsitzenden des Präsidiums des
Obersten Sowjets und damit zum formellen
Staatsoberhaupt der Sowjetunion. Dank seiner
Beharrlichkeit war er bald unangefochtener
Nachfolgekandidat des innenpolitisch schwer
angeschlagenen Parteichefs, dessen schlecht
durchdachte politische Reformen einige
potenziell destabilisierende Wirren nach sich
gezogen hatten. Als dieser im
Oktober 1964 unter
diversen Vorwänden, unter anderem wegen seiner
Konfrontationshaltung gegenüber China,
entmachtet wurde, wobei die Frage nach
Breschnews Mitwirkung nach wie vor ungeklärt
ist, war dessen Ernennung zum Ersten Sekretär
der KPdSU fast nur noch Formsache.
Während der folgenden Jahre wurden
Chruschtschows Reformen weitgehend
zurückgenommen. Das deutlichste innenpolitische
Signal war sicherlich die Rehabilitierung
Stalins, die vor allem darauf abzielte, diesem
eine besondere Rolle beim Aufbau der Sowjetunion
und beim Sieg über Deutschland zuzuschreiben,
während über weitere, unangenehmere Aspekte
seiner Herrschaft geschwiegen werden sollte.
Passend dazu führte Breschnew 1966 für sein Amt
die Bezeichnung "Generalsekretär" wieder ein,
die zuletzt
Stalin getragen hatte. Da sein
Gebaren zumindest Stabilität versprach, konnte
er sich zunächst der Sympathie weiter Teile der
Bevölkerung sicher sein.
1968 forderte der Prager Frühling mit der Losung
des "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" die
Moskauer Machthaber heraus. Breschnew reagierte
mit unerwarteter Härte. Im August ließ er
Truppenverbände aus mehreren Staaten des
Warschauer Vertrags in die Tschechoslowakei
einmarschieren und die alte Ordnung wieder
herstellen. Einige Monate später konkretisierte
er seine Haltung mit der Breschnew-Doktrin, die
schon das Motto "Keine sozialistischen
Experimente!" vorweg zu nehmen schien. In dieser
behielt er sich das Recht vor, unerwünschte
Entwicklungen in jedem sozialistischen Staat zu
unterbinden, indem er die These von der
"beschränkten Souveränität" dieser Staaten
aufstellte.
Dem stand eine erstaunliche Zurückhaltung bei
dem von Lenin propagierten Projekt der
Weltrevolution gegenüber. So beschränkte sich
die Unterstützung für den chilenischen
Präsidenten Salvador Allende weitgehend auf
Solidaritätsbekundungen. Während Breschnew sich
im sozialistischen Teil der Welt die Hausmacht
sicherte, praktizierte er gegenüber den USA und
ihren europäischen Verbündeten eine Politik der
Entspannung. Resultate waren unter anderem der
Atomwaffen-Sperrvertrag und die Schlussakte von
Helsinki. Er traf sich mit dem US-Präsidenten
Richard Nixon zu Gesprächen und stattete sogar
der Bundesrepublik Deutschland einen
Staatsbesuch ab.
Nachdem er
1976 zum Marschall der Sowjetunion
ernannt wurde, erreichte er den Gipfelpunkt der
Macht: Ab 1977 bekleidete er erneut das Amt des
Staatsoberhauptes und vereinigte somit als
erster die beiden höchsten Ämter der UdSSR in
einer Person.
Zwei Jahre später machte er alle seine
Bemühungen um Entspannung zunichte, als er den
Einmarsch sowjetischer Truppen in
Afghanistan
befahl. Zwar handelte er eigentlich nur im
Rahmen seiner Doktrin, denn seit dem Vorjahr
hatte
Afghanistan eine kommunistische Regierung,
und diese hatte ihn ausdrücklich um Hilfe
gebeten, doch hier kollidierten Moskaus
Interessen frontal mit denen der US-Regierung,
die den Kampf der gestürzten Eliten gegen die
neue Kabuler Obrigkeit tatkräftig unterstützte.
Während in
Afghanistan ein zehnjähriger
Stellvertreterkrieg tobte, dessen Nachwirkungen
bis hin zur Entstehung des Terrornetzwerkes Al
Qaida noch immer die Weltpolitik beeinflussen,
gefror
der Kalte Krieg zur Eiszeit.
Fortan war er zu keinerlei Zugeständnissen mehr
bereit. Seine unnachgiebige Haltung in
Abrüstungsfragen hatte den Nachrüstungsbeschluss
der NATO zur Folge. Nicht zuletzt deshalb
bewertete sein späterer Nachfolger Gorbatschow
die Regierungszeit Breschnews als Phase der
Stagnation. Das hing allerdings auch damit
zusammen, dass der Staatschef trotz einer schon
1974 diagnostizierten Hirngefäßverkalkung sowie
mehrerer Herzinfarkte und Schlaganfälle nicht
genötigt wurde, seine Ämter abzugeben. Außerdem
setzten ihm das Wissen um den wirtschaftlichen
Niedergang seines Landes und die seiner
Kontrolle zu entgleiten drohende politische
Weltlage schwer zu. Immer mehr zog er sich aus
der Öffentlichkeit zurück.
Leonid Breschnew verstarb am
10. November 1982
in Moskau. In dem seiner Führung ergebensten
sozialistischen Bruderland, der DDR, wurde die
Nachricht von seinem Tod erst am Tag darauf
verbreitet. Das sorgte vielerorts für Unmut,
denn bei rechtzeitiger Bekanntgabe hätte man
sich einen Großteil der aufwändigen
Vorbereitungen für den Karnevalsauftakt ersparen
können, die durch die nun folgende Staatstrauer
sowieso hinfällig waren.