Biografie
Bilkay Öney Lebenslauf
Im Mai 2011 holte der baden-württembergische
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (B 90/Die
Grünen) die Sozialdemokratin Bilkay Öney in sein
grün-rotes Kabinett. Die Berufung der in der
Türkei
geborenen Anatolierin zur Landesministerin für
Integration war nicht ganz ohne Kritik in der Partei
von Kretschmann akzeptiert worden. Einige Grüne
standen Öney, der ersten türkischstämmigen deutschen
Ministerin, wegen ihres Parteiwechsels im Jahr 2009
von Grün zu Rot skeptisch gegenüber.
Bilkay Öney war am
23. Juni 1970 in der
400.000-Einwohner-Stadt Malatya (Ostanatolien), vor
dem Ersten Weltkrieg eine Stadt mit einer großen
armenischen Minderheit im Osmanischen Reich, auf die
Welt gekommen. Ihre türkischen Eltern waren 1973
nach Berlin gezogen. Hier arbeiteten sie zunächst
als Hilfsarbeiter und später in ihren erlernten
Lehrer-Berufen.
Bilkay Öney wuchs mit zwei
Schwestern im Berliner Stadtviertel Spandau in einem
politisch linkssozialdemokratisch ausgerichteten und
religiös toleranten, alevitischen Elternhaus auf.
Die Eltern hielten ihre Töchter zu
Eigenverantwortung, Kritikfähigkeit und
Leistungsbereitschaft an.
Nach dem Abitur am Siemens-Gymnasium studierte Öney,
die
1987 die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen
hatte (Zitat Öney: "Ich bin länger Bundesbürgerin
als Angela Merkel"), BWL und Medienwesen an der TU
Berlin. Zunächst machte die junge Diplom-Kauffrau
bei einer Bank berufliche Erfahrungen und wechselte
später zur Berliner Niederlassung des türkischen
TV-Staatssenders TRT, bei dem sie als
Geschäftsführungsassistentin, in der Redaktion und
schließlich als Moderatorin arbeitete.
Die in der Pfadfinderbewegung lange aktive Bilkay
Öney trat 1994 der Partei „Bündnis 90 /Die Grünen“
bei, die sie damals für die einzige Partei hielt,
die es hundertprozentig ernst mit der
Migranten-Integration meinte. Öney, die zeitweise
integrationspolitische Sprecherin ihrer Partei war,
wurde
2006 in das Berliner Abgeordnetenhaus gewählt.
2009 trat sie nach einem in der politischen
Öffentlichkeit Aufsehen erregenden Entschluss aus
der Grünen-Partei aus und in die SPD ein.
Vorangegangen war der Wechsel der ebenfalls in
Malatya geborenen SPD-Abgeordneten Canan Bayram
(geb. 1966) zur Grünen-Fraktion. Um zu verhindern,
dass der regierende Senat (SPD/Linke) von
Bürgermeister Wowereit bei den entstandenen neuen
Sitzverteilungsverhältnissen durch eine
CDU-Grünen-Koalition gestürzt werden würde,
wechselte Öney ins SPD-Lager. Dieser vordergründig
pragmatische Grund war aber nur ein Teil der
Motivation für den Partei-Wechsel. Öney und Teile
ihrer Partei hatten lange Probleme miteinander
gehabt.
Die selbstbewusste und ledige Bilkay Öney hatte
weder Lust, sich als attraktive Quoten-Türkin in
PR-Aktionen der Partei einspannen zu lassen noch als
Vorzeige-Muslima die vermeintliche Toleranz des
„guten“ Islam zu symbolisieren. Stattdessen fand sie
in ihrer Eigenschaft als Integrationspolitikerin
deutliche Worte, die sich sowohl von den
rechtslastigen Thesen ihres späteren Parteigenossen
Thilo Sarrazin unterschieden als auch von den
Beschwichtigungs- Reden vieler ihrer grünen
Parteifreunde. Offen und für viele unangenehm klar,
nahm sie sowohl die alteingesessene deutsche
Bevölkerung als auch die Bürger mit migrantischen
Wurzeln in die Pflicht, beim „Projekt Integration“
ihren Teil beizutragen und nicht nur den jeweils
anderen
Teil in der Bringschuld zu verorten. Auch in der
Palästina-Frage vertrat sie bei aller Kritik an Israels
Regierungspolitik früh anders als viele andere Grüne
eine Hamas- und PLO-kritische Meinung. Ihr Eintreten
für ein Kopftuch-Verbot im öffentlichen Dienst
sorgte ebenfalls für Murren in der grünen Partei.
Ihre Offenheit kostete ihr 2006 sogar die
TRT-Anstellung, denn als Kandidatin zum
Abgeordnetenhaus hatte sie zum Reizthema „Völkermord
an den Armeniern 1915/1916“ eine andere Haltung als
die offizielle Meinung der türkischen Regierung
eingenommen.
Als Chefin der 50 Mitarbeiter ihres Stuttgarter
Integrationsministeriums, das sie zur Überraschung
ihrer Berliner SPD-Genossen, die sie als
Spitzenkandidatin in Berlin-Mitte für die
Landtagswahl im September 2011 eingeplant hatten,
übernommen hatte, sorgte sie rasch für bundesweite
Schlagzeilen. So setzte sie sich 2011 im Bundesrat
gegen den Zwang bei Nicht-EU-Bürgern ein, sich für
eine einzige Staatsbürgerschaft entscheiden zu
müssen und forderte stattdessen die Möglichkeit
einer doppelten Staatsbürgerschaft bei allen in
Deutschland lebenden Einwohnern mit ausländischen
Wurzeln. Bei der Beschneidungs-Debatte 2012 sprach
sie sich vehement gegen ein rigides
Beschneidungsverbot aus.
Bilkay Öney
Seiten
Bilkay Öney
Bücher