Der Unbekannte Messias
Seine tragenden Säulen im Leben sind
Sex, Drogen und Rock’n’Roll, Dinge, die
wie für Lemmy gemacht scheinen. Damit
kann man keine große Karriere aufbauen,
würde vielleicht Bürger Spieß sagen. Was
der sagt, ist aber egal.
Lemmy hat es geschafft und auf Sex und
Rock’n‘ Roll ist er verdammt stolz.
Beides gehört für ihn zusammen. Er krönt
all das mit einem täglichen Quantum
Alkohol.
Mit seiner Geradlinigkeit ist der
Musiker zu einem Markenzeichen seiner
selbst geworden, hat im Laufe der
Jahrzehnte weder einen Imagewandel nötig
gehabt oder sich anderweitig dem
Mainstream angepasst. Er ist wie er ist
und wie er immer war. Eiserne Treue zu
sich selbst.
Lemmy ist ein Rebell. Er hat eine
gehörige Portion Anarchismus dazu
kultiviert. Er lebt den Rock’n’Roll so
konsequent wie kein anderer. Seine Musik
ist laut, dröhnend, provokativ und im
besten Fall klingt sie – seinen eigenen
Worten zufolge – nach Tier und nicht
nach Teddybär. Schließlich sind
Rock’n’Roller keine Fußgänger, sondern
Motoristen. Auch seine Worte.
Begonnen hat alles in England.
Eine touristische Attraktion ist die
englische Porzellan-Stadt Stoke-on-Trent
nicht unbedingt, das berühmte
Wedgwood-Geschirr schon eher. Die Stadt
selbst ist schlicht. Schönheiten finden
sich erst auf den zweiten Blick. Wer das
weltberühmte Porzellan liebt und es mit
dem Unternehmer Josiah Wedgwood, in
Verbindung bringt, weiß eigentlich schon
genug von dem Ort, der zu „The Six
Towns“ gehört, den sechs Orten, die von
der Töpferei und ihrer Tradition leben.
Der wirtschaftliche Abwärtstrend ist
unübersehbar.
Stoke-on-Trent liegt in den West
Midlands in England. Der nahe gelegene
Fluss Trent gab dem Ort Stoke seinen
Namenszusatz.
Die Stadt kann neben dem Porzellan mit
einigen renommierten Persönlichkeiten
aufwarten, die hier geboren wurden. Da
sind beispielsweise die berühmten
Snookerspieler David Harold, der hier
1966 zur Welt kam und Jamie Cope, der
1985 in dieser Stadt geboren wurde.
Radsportler, Fußballer und Dartspieler
haben die Stadt als Geburtsort in ihren
Ausweisen. Auf sie alle ist
Stoke-on-Trent heute stolz. Ein weiterer
berühmter Name ist Edward John Smith. Er
war der Kapitän der „Titanic“ – ja, wow!
Musiker kamen auch hier zur Welt. Zum
Beispiel ein Popsänger namens Robbie
Williams, den Rock-Fans vermutlich nur
kennen, weil die kleine Schwester von
ihm schwärmt.
Wenn Weihnachten mit dem Auftauchen des
Messias in Verbindung gebracht wird,
dann hat die Porzellan-Stadt am 24.
Dezember 1945 ein derart bedeutendes,
wenn auch nicht religiöses Ereignis
erlebt, ohne es zu ahnen.
In Stoke-on-Trent wurde Ian Fraser
Kilmister geboren.
Seine Erinnerungen bringen keine
romantischen Bilder hervor, höchstens
dreckige Luft, graue Schlackehaufen,
verschmutzte Straßen. Dennoch gehört
Kilmister in die Riege derer, die als
Sohn der Stadt stolze Erwähnung finden
und die Musikwelt jubelt seit
Jahrzehnten ihrem „Godfather of
Rock’n’Roll“ zu. Eben doch ein Messias.
Und der wichtigste Sohn der Stadt!
Die Freude über die Geburt des Jungen
hielt sich auf Seiten des Vaters in
Grenzen. Sie war eigentlich gar nicht
vorhanden. Das Wort Verantwortung war
ihm auch nicht geläufig, was man bei
einem Feldkaplan der Royal Air Force
nicht zwingend vermuten würde.
Jedenfalls machte er sich schnell aus
dem Staub. Die Mutter mit ihrem Baby und
die Großmutter blieben allein zurück,
bemühten sich, ihr Schicksal zu
meistern.
Zunächst verließ die kleine Familie
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