Die Entwicklung des Arbeitsrechts

Das Bürgerliche Gesetzbuch sollte, so das Bestreben seiner Autoren, alle zivilrechtlichen Verhältnisse der Bürger zueinander regeln. Doch schon bald zeigte sich, dass vor allen Dingen das Arbeitsrecht als eines der wichtigsten Rechtsmaterien nur lückenhaft geregelt wurde und es deshalb weiterer Gesetze bedurfte, die das BGB insoweit ergänzten.

Die Wurzeln des deutschen Arbeitsrechts
Bereits das alte römische Recht, auf dessen Prinzipien das moderne deutsche Zivilrecht gründet, kannte das Arbeitsrecht. Unter der Bezeichnung locatio conduktio subsumierten die Römer diverse Vertragstypen, die dem heutigen Dienstvertrag sehr nahe kommen. Das römische Recht war aber nicht das Einzige, was bis in das heutige bürgerliche Recht fortwirkte. Das unter den Germanen geltende Germanenrecht kannte den Treudienstvertrag, der auf eine lebenslange Gefolgschaft der beteiligten Parteien basierte. Dieses Prinzip gilt noch heute: Die sogenannten Schutzpflichten, die mit jeder (Primär-)Vertragsleistung einhergehen, verpflichten sowohl Schuldner als auch Gläubiger eines Vertrages, stets Rücksicht auf ihren Vertragspartner zu nehmen. So ist anerkannt, dass der Arbeitnehmer auch nach Beendigung des Arbeitsvertrages Treupflichten gegenüber seinen ehemaligen Arbeitgeber hat. Er darf zum Beispiel Betriebsgeheimnisse nicht an Dritte weitergeben.

Die industrielle Revolution zwingt zum Umdenken
Wie wichtig das Arbeitsrecht sein kann, zeigte sich erst während der industriellen Revolution, als sich durch die Umsiedelung der Landbevölkerung in die Städte große Arbeitnehmerschaften bildeten. Das deutsche Recht ging damals von (zu) liberalen Grundgedanken aus, das heißt, es überließ es den Vertragsparteien selbst, jeweils „gerechte“ Bedingungen auszuhandeln. Schnell zeigte sich, dass die wirtschaftlich übermächtigen Unternehmer ihre Stärke auszunutzen verstanden, um Arbeitern einseitige arbeitsrechtliche Bedingungen zu diktieren. Erst spät erkannte der Staat seine Pflicht, regulierend einzugreifen. Als eine der ersten arbeiterschützenden Vorschriften wurde 1839 ein Regulativ verabschiedet, das Arbeitsverhältnisse mit Jugendlichen in Fabriken verbot; Kinder unter neun Jahren durften grundsätzlich nicht arbeiten. Da ein Gesetz allein nicht weiterhalf, wurden 1853 Fabrikinspektionen eingeführt, die 1878 durch eine behördliche Gewerbeaufsicht ersetzt wurden. Angesichts des Umstandes, dass die Arbeitnehmerschaft sich radikalisierte und Ideologen wie Karl Marx sogar zu einer gewaltbereiten Revolution aufriefen, sah sich der Staat endgültig dazu genötigt, die Arbeitgeber durch strengere arbeitsrechtliche Regeln zu zügeln.

Arbeitsrechte als Grundrechte

Auf Drängen des Reichskanzlers Otto von Bismarck erließ das Deutsche Reich als weltweit erster Staat 1883 ein Gesetz zur Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung, um Arbeiternehmer im Falle einer

 
Krankheit nicht ihrem Schicksal zu überlassen. Weitere arbeitnehmerschützende Regeln im Arbeitsrecht folgten alsbald. Damit Arbeitnehmer ihre Rechte auch durchsetzen konnten, wurde 1926 eine umfassende Arbeitsgerichtsbarkeit errichtet, die bis heute - wenn auch unter anderem Namen - existiert. Einen ersten Dämpfer bekam die Entwicklung des deutschen Arbeitsrechts während der Zeit der Nationalsozialisten. Beispielsweise wurden Gewerkschaften und das Recht auf Arbeitskämpfe abgeschafft. Doch bereits kurze Zeit nach Kriegsende wurden die Rechte wiedereingeführt - dieses Mal wurden sie als arbeitsrechtliche Grundrechte im Grundgesetz kodifiziert, die nach Artikel 79 Absatz 3 (Ewigkeitsklausel) durch kein Gesetz und durch keine Regierung mehr abgeschafft werden dürfen. In den Siebzigern gipfelten schließlich die arbeitsrechtlichen Bemühungen im Kündigungsschutzgesetz, das Arbeitgebern mit mehr als fünf Angestellten verbot, diese ohne Vorliegen bestimmter gesetzlich geregelter Gründe zu entlassen.

Der Spagat zwischen Wirtschaftsförderung und Arbeitsschutz – das moderne Arbeitsrecht
Unter dem Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) begann die Zeit der „Deregulierung“, in der viele

arbeitsrechtliche Errungenschaften wieder abgeschafft bzw. abgemildert wurden. Beispielsweise wurde das Kündigungsschutzgesetz durch Heraufsetzung von fünf auf zehn Mitarbeitern gelockert. Doch auch mit der Abwahl Kohls blieben die seitens der Gewerkschaften gewünschten arbeitsrechtlichen Fortschritte aus. Wegen der wachsenden internationalen Wirtschaftskonkurrenz verzichteten die Sozialdemokraten unter Gerhard Schröder auf eine Verschärfung des Arbeitsrechts zulasten der Unternehmer. Die letzten großen Änderungen am Arbeitsrecht stellen das Teilzeitarbeitsgesetz, das jedem Arbeitnehmer das Recht auf Reduzierung seiner Arbeitszeiten erlaubt, sowie das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz dar. Letzteres schützt Arbeitnehmer, bevor sie eingestellt werden. So dürfen Arbeitgeber einen Bewerber nicht aufgrund seines Geschlechts oder seiner Herkunft und Glaubens abweisen. Zwar erhält der Bewerber in einem solchen Fall nicht automatisch das Recht, als Bewerber angenommen zu werden, kann aber geldwerte Ansprüche gegen den Arbeitgeber geltend machen.