Was Ludwig XIV. trug, wurde in ganz Europa zur neuesten Mode erklärt

In der Regierungszeit des Sonnenkönigs war das herausragende Kleidungsstück des Mannes der Justaucorps.
Eng am Körper anliegend – so auch die wörtliche Übersetzung – war der Justaucorps das Gewand, das seit mehreren Jahrzehnten die vornehmliche Oberbekleidung der Männer darstellte. Seine Entstehung reicht zurück in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts, etwa in die Jahre 1660/1665. Der Justaucorps war ein tailliertes, knielanges Kleidungsstück, das in den adligen und bürgerlichen Kreisen getragen wurde. Man nannte den Justaucorps auch Rock, ein Begriff, der in der damaligen Männerbekleidung durchaus üblich war. Der Justaucorps entsprach dem ähnlich aussehenden Schoßrock der Soldaten, die in sogenannten stehenden Heeren - so bezeichnete man das einsatzbereite Militär - mitunter hochrangigen Besuch bekamen. König Ludwig XIV. ließ es sich nicht nehmen, den Soldaten in ihrer vertrauten Kleidung entgegen zu treten. Aus dieser Art respektablen Verhaltens entstand die große Zäsur in der damaligen Männermode. Da es meist Männer adligen Geblüts waren, die den Soldatenrock in verfeinerter Art trugen, wurde das Kleidungsstück allmählich salon- bzw. hoftauglich. Nicht zuletzt war es der König, der es zur Mode erhob.
Der Justaucorps wurde mit kleinen, kugelförmigen Knöpfen geschlossen. Jedenfalls bis zur Taille. Von da an nach unten blieb er offen, wodurch seine schwingenden Seitenteile zur Geltung kamen. Die Engländer nannten selbiges Gewand übrigens Coat. Zum Justaucorps gehörten noch andere Teile. Da war die enge Hose, die an den Knien zusammengehalten wurde. Sie hatte sich im Laufe der letzten Jahrzehnte aus der sogenannten Rheingrafenhose entwickelt. Den Namen hatte diese wiederum von einem holländischen Gesandten, der in Paris damit bewundert wurde. Karl Florentin Rheingraf von Salm erregte bei den modisch Interessierten mit diesem Kleidungsstück, das einem Hosenrock ähnelte, viel Aufsehen. Das war um 1660. Bald setzte eine modische Entwicklung ein und aus der Landsknechtstracht wurde bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts eine Kniehose, die sich bald auch in Deutschland und England großer Beliebtheit erfreute. Und sie war ein charakteristischer Bestandteil des Justaucorps-Ensembles. Trug man noch um 1673 unter der Rheingrafenhose eine Culotte, eine kurze Hose, die das Gesäß bedeckte, so entwickelte sich diese Culotte ebenfalls zu einer Kniebundhose. Sie wurde länger und lag bereits um 1700 eng und faltenfrei an den Beinen an. Die Beobachtung mag unwissenschaftlich sein; es entsteht jedoch der Eindruck, dass sich die damals gängige Kniebundhose sowohl aus der kurzen Gesäßhose, der ursprünglichen Culotte, als auch aus der sehr weiten Rheingrafenhose entwickelte. Lange Hosen für Männer gab es damals noch nicht.
Außerdem trugen die Herren zu ihrem locker geschnittenen Hemd noch eine lange Weste mit Ärmeln. Die war meist aus farbigem, gemustertem, edlem Brokat gefertigt. Da das Hemd durch die Weste fast vollständig verdeckt war, musste, was sichtbar war, entsprechend dekorativ aussehen. Am Hals war das Hemd deshalb mit vielen großen Spitzenrüschen versehen.
Für die Männer war es außerdem wahlweise modisch korrekt, eine sogenannte Steinkerke zu tragen. Sie gehört in die verschiedenen Arten von Krawatten, die sich im Laufe der Jahrzehnte sehr veränderte. Die Steinkerke war eine lange Halsbinde, die in ihrer ganzen Breite mehrfach um den Hals geschlungen wurde. Sie wurde nicht gebunden, höchsten vorn in sich gedreht und ihre Enden wurden entweder in den Hemdschlitz oder in eines der oberen Knopflöcher des Justaucorps eingesteckt. Den Namen hatte diese Krawattenform von den Franzosen erhalten, die damit an ihre siegreiche Schlacht erinnerten, die 1692 im Zuge des Pfälzischen Erbfolgekrieges im belgischen Steenkerke stattgefunden hatte. Angeblich hatten sie nicht die nötige Zeit, ihre Halsbinde richtig zu binden. Diese Art, ein Halstuch zu tragen, löste den Spitzenkragen ab. Ihren Ursprung hatte diese Halsbinde in der Kleidung kroatischer Söldner, weshalb man den Kroaten heute die „Erfindung“ der Krawatte nachsagt. Auch die Damen trugen diese Halsbinde und schlangen sie zur rechten Seite. Sie gehörte zur Reitkleidung. Eine schlichtere Lösung bei der Betonung der Halspartie und typisch für die bürgerliche Herrengarderobe war das Beffchen, das man heute mit der liturgischen Kleidung in Verbindung bringt. Damals war diese Halsbinde lediglich ein weißes Stück Leinenstoff, das in zwei gleichgroßen, kurzen Streifen herabhing. Es erinnerte an ein Jabot, war aber längst nicht so kunstvoll in Falten gelegt. Im Gegenteil, es waren zwei glatte Enden. Erst auf Geheiß von Friedrich Wilhelm III., dem preußischen König, dessen Amtszeit erst zum Ende des 18. Jahrhunderts begann, wurde der schwarze Talar im evangelischen Gottesdienst mit diesem Beffchen getragen. Bis dahin aber war es ein Überbleibsel des einstigen, sogenannten Mühlsteinkragens.
Vollständig war das Gewand der Herren erst durch die unerlässliche Allongeperücke, die frisch frisiert und gepudert ein kennzeichnendes Merkmal jener Zeit war. Das alles gewann natürlich erst durch den Dreispitz an modischer Vollkommenheit. Dieser Herrenhut der höfischen Mode hatte eine breite Krempe, die an allen drei Seiten hochgeschlagen war und dem Träger ein verwegenes Aussehen gab. Noch verwegener sahen die Frauen damit aus, die sich beispielsweise für die Reitausflüge an dieser Mode orientierten. Bei ihnen war der Dreispitz etwas kleiner als das entsprechende Pendant bei den Männern.
Der Überrock, also der eigentliche Justaucorps, hatte große Ärmelaufschläge, die umso mehr auffielen, weil aus ihnen die Spitzen des Hemdes hervorsahen. Das war gewollt, denn schließlich waren die Spitzen aus edlen und teuren Materialien, die man gern zeigte. Mode war nicht nur ein Betonen des gesellschaftlichen Status, sondern auch ein Spiel mit den eigenen Eitelkeiten. In einer Zeit, da alles auf Pomp und Luxus ausgerichtet war, spielten die Extravaganzen eine besonders wichtige Rolle.
Die Culotte, die Kniebundhose, konnte auch separat getragen werden, obwohl der Überrock normalerweise zu einem korrekt gekleideten Mann gehörte. Diese Hose lag so eng am Bein, dass das Ankleiden nicht ohne Mühe vor sich ging. Ein wenig Erleichterung war durch einen Schlitz am Ende der Außennaht gegeben, der dann mit Knöpfen verschlossen werden musste. Das Band am Kniebund wurde mit einer dekorativen Schnalle zusammengehalten. Die Culotte war bereits sehr durchdacht, denn sie hatte auch einen aufknöpfbaren Hosenschlitz, mit dem Mann bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts seinen Bedürfnissen nachgehen konnte. Erst ab 1750 änderte sich hier die Schnittform.
Wenn auch die entscheiden Mode-Impulse vom französischen Hof kamen, so hatte die Culotte doch in allen Schichten der Bevölkerung Anklang gefunden und wurde in ganz Europa jahrzehntelang getragen. Änderungen gab es nur unwesentlicher Art und Unterschiede bestanden in der Hauptsache in der Wahl der Stoffe. Samt und Seide bevorzugte der Adel für den alltäglichen Bedarf. Aus Leder musste die Culotte sein, wenn sie zum Reiten getragen wurde und Wolle und Leinen waren die bevorzugten Materialien, die von den einfachen Leuten verarbeitet wurden.
Die Kniebundhose erforderte gutes Strumpfwerk. Mechanisch gestrickte Strümpfe, die auf einer Strumpfwirkmaschine gefertigt wurden, waren sehr teuer. Eine Maschine zur Fertigung von Strümpfen hatte der Engländer William Lee bereits im 16. Jahrhundert erfunden. In seiner Heimat war ihm damit kein Glück beschieden. Erst als er mit seiner Erfindung nach Paris ging, fand er Interessenten. Die Strumpf-Herstellung war zu Beginn des 18. Jahrhunderts dennoch aufwändig und deshalb wurden die mechanisch gearbeiteten Strümpfe ihres Preises wegen nur von der Oberschicht getragen. Die Unterschicht musste mit Selbstgestricktem vorlieb nehmen. Zudem waren ihre Strümpfe nicht so farbenfroh wie die der reichen Herren. Für die war es durchaus en vogue, auch einmal ein knalliges Rot oder ein auffallendes Rosa zu tragen. Blautöne waren ebenso gefragt. Den letzten Schick verliehen die Schuhe ihrem Träger. Obwohl sie aus heutiger Sicht recht plump waren, galten sie damals als äußerst apart. Sie waren bis über den Spann geschlossen und hatten auffallende Absätze. Meist waren sie mit einer kostbaren Schnalle verziert. Die Absätze waren unterschiedlich hoch. Diese Herrenschuhe waren annähernd von derselben Art wie die Damenschuhe, wobei die Herrenschuhe vor den Damenschuhen mit auffallend hohen Absätzen in Mode kamen. Der König selbst erhöhte sich damit, denn er war von kleinem Wuchs. Als schließlich die Absatzschuhe zu gängiger Mode wurden, soll er angewiesen haben, dass ihm die höchste Absatzhöhe vorbehalten sein sollte. Die flachen Schuhe wiederum gefielen den Männern nicht sonderlich. Den Damen war das Tragen von Absätzen nicht untersagt und sie fanden Gefallen an den Schuhen – bis heute. Im Allgemeinen wurde feines Leder verarbeitet. Ähnliche Schuhe trugen auch die einfachen Leute, allerdings nicht mit erhöhten Absätzen. Sie bevorzugten zumeist flaches Schuhwerk, das beim Arbeiten nicht hinderlich war. Eine Alternative zu Leder kannte man bei der Herstellung von Schuhen noch nicht, wenn man von derbem Stoff als Fußbekleidung einmal absieht.
Aristokratisch und gleichsam ein charakteristischer Ausdruck der Mode war die Perücke für Männer. Es gab einen großen Bedarf an dieser künstlichen Haartracht, jedoch vorerst nur wenige Handwerker, die sie herstellen konnten. Deshalb war eine Perücke auch entsprechend teuer. Dennoch waren ihre männlichen Träger nicht unglücklich über diese Mode, denn manche hätten sonst gar keine Haare vorweisen können und das wäre bei dem hohen Anspruch an korrektes Aussehen fatal gewesen.
Um sich diese Mode besser vorstellen zu können, denke man nur an Bilder, auf denen beispielsweise der Komponist Johann Sebastian Bach abgebildet wurde. Er lebte zwischen 1685 und 1750 und ist fast auf jedem Bild mit einem Justaucorps abgebildet und ohne Perücke wäre er gleichfalls kaum vorstellbar. Sie war einfach typisch für jene Zeit.
Die französische Mode hatte sich in ganz Europa durchgesetzt und obwohl die Amtszeit des Sonnenkönigs von Prunk gekennzeichnet war, zeigte sich die Mode mit immer weniger Falten. Der Justaucorps ist ein hervorragendes Beispiel dieser Entwicklung. War er zu Anfang seiner Entstehung noch mit sehr vielen Falten versehen, so wirkte er um 1700 schon sehr viel schlichter. Den besonderen Aufputz stellten stattdessen die Knöpfe dar. Sie waren aus Metall, das man mit kostbaren Seidenfäden umsponnen hatte. Auch Metallfäden wurden verwendet. Da der Justaucorps mit sehr vielen Knöpfen versehen war, mussten sie in ihrer edlen Aufmachung ein echter Blickfang sein.
Der Justaucorps, die fast ebenso lange Weste und die Kniehose waren in Vollendung mit dem Dreispitz die Kleidung, die vom Adel und von der Bourgeoisie gleichermaßen getragen wurde. Unterschiedlich waren lediglich die Materialien, die deutlich die jeweilige Standeszugehörigkeit erkennen ließen. Charakteristisch für die Herren des Adels waren Seidenstoffe, kostbare Brokatstoffe und auch feiner Samt. Die Bürger trugen Gewänder aus Wollstoffen, die längst auch nicht so reich aufgeputzt waren wie die Kleidung der Aristokraten.
Der sogenannte Justaucorps à brevet, so nannte man einen auf bestimmte Weise verzierten Rock, war allein dem König vorbehalten. Nur 60 Höflinge, die auserwählt waren, durften diesen so besonders reich geschmückten, diesen „privilegierten“ Rock ebenfalls tragen. Ansonsten fielen die adligen Herren durch ihre roten Absätze an den Schuhen auf. Zudem trugen sie alle die Allongeperücke, die zur Staatsperücke erklärt worden war. Sie durfte nach 1703 ausschließlich weiß gepudert sein. Das Tragen eines Degens war den Adligen vorbehalten. Es erinnerte an die ritterliche Vergangenheit, auf die sie stolz waren.
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