Biografie
Rainer Brüderle Lebenslauf
Der in den 1980er Jahren in die Top-Riege der FDP
und zu Minister-Ehren aufgestiegene Rainer Brüderle
wurde in der Öffentlichkeit lange vor allem als
typischer Vertreter des tonangebenden
wirtschaftsliberalen Flügels seiner Partei
wahrgenommen. Spätestens ab 2012 war Brüderle als
aussichtsreicher Anwärter auf den FDP-Parteivorsitz
als Nachfolger des vielen Parteimitgliedern als zu
glücklos erscheinenden
Philipp Rösler (geb. 1973) im
Gespräch. Das gute Abschneiden der von Rösler
geführten FDP bei den niedersächsischen
Landtagswahlen 2013 und vor allem eine im selben
Jahr mit
der Person Brüderles verbundene Sexismus-Debatte
trugen maßgeblich dazu bei, dass der oft „Mr.
Mittelstand" genannte Brüderle seine
Vorsitzenden-Pläne nicht realisieren konnte.
Rainer Brüderle kam am
22. Juni 1945 im von Bomben
größtenteils zerstörten Berlin zur Welt. 1948 zog
die Familie Brüderle in das südpfälzische Landau, wo
der Großvater von Rainer Brüderle ein kleines
Textilgeschäft führte, das schließlich vom Vater
übernommen wurde. Der junge Brüderle, der früh seine
Mutter verloren hatte und regelmäßig hinter der
Ladentheke oder als Botenjunge in den
Geschäftsbetrieb eingegliedert worden war, lernte in
seiner Kindheit nach eigener Aussage die Grundlagen
mittelständischen und pragmatischen Denkens kennen.
Als erstes Mitglied seiner Familie ging Brüderle auf
das Gymnasium. Nach dem Abitur am Landauer
Otto-Hahn-Gymnasium Mitte der 1960er Jahre ging er
an die Mainzer Universität. Ursprünglich wollte der
von Naturwissenschaften begeisterte Pfälzer Tierarzt
oder Physiker werden, aber entschied sich dann doch
für ein Volkswirtschaftsstudium. 1971 schloss er
sein Studium, in dem er außer seinem Hauptfach VWL
auch Jura, Publizistik und Politologie als
Nebenfächer belegt hatte, mit dem Grad eines
Diplom-Volkswirts ab. Bis 1975 blieb der 1973 in die
FDP eingetretene Brüderle als wissenschaftlicher
Mitarbeiter an seiner Universität und wechselte dann
als Direktor des Wirtschafts- und
Verkehrsförderungsamts in den Mainzer
Kommunaldienst. Von
1981 bis
1987 arbeitete er als
Wirtschaftsdezernent von Mainz. 1980 hatte er die
Volkswirtin Angelika Adamzik geheiratet, die er
während des Studiums kennen gelernt hatte.
Brüderle, 1981 zum Vorsitzenden des FDP-Bezirks
Rheinhessen-Vorderpfalz und zwei Jahre später zum
rheinland-pfälzischen Landesvorsitzenden und in den
Bundesvorstand (ab 1995 als einer der
Vize-Vorsitzenden) gewählt, trug mit seinem jovialen
und pragmatischen Auftreten wesentlich dazu bei,
dass seine Landes-FDP bei den Landtagswahlen 1987
wieder in den Mainzer Landtag einziehen konnte.
Brüderle wurde zum Mehrheitsbeschaffer in den
folgenden von der FDP abhängigen christ-
beziehungsweise sozial-liberalen Koalitionen. Sowohl
unter den CDU-Ministerpräsidenten Bernhard Vogel und
Carl-Ludwig Werner (1987-1991) als auch unter den
SPD-Ministerpräsidenten Rudolf Scharping und Kurt
Beck (1991-1998) war Brüderle Landesminister für
Wirtschaft, Verkehr und Weinbau und ab 1988
zusätzlich auch stellvertretender Ministerpräsident.
Der in anderen Zusammenhängen wie zum Beispiel bei
der Forderung nach Einführung eines Mindestlohns auf
das Prinzip der Marktwirtschaft pochende Brüderle
hatte als Minister in Mainz keine ideologischen
Schwierigkeiten, die rheinland-pfälzischen Winzer
massiv mit Staatssubventionen als „Anpassungshilfen"
bei der Gestaltung ihres Auftrittes am Markt zu
unterstützen.
1998 gab Brüderle nach seiner Wahl zum
Bundestagsabgeordneten sein Ministeramt ab und wurde
Vize-Fraktionsvorsitzender der FDP in Bonn,
beziehungsweise in Berlin. 2009 holte
Bundeskanzlerin Angela
Merkel (CDU) den pfälzischen Liberalen als Minister
für Wirtschaft und Technologie in ihr
Bundeskabinett. Brüderle, der sich in der
Öffentlichkeit nie für einen Kalauer zu schade war,
agierte hinter den Kulissen häufig überaus effektiv
und strebte mit seinen Netzwerken den Sturz des
FDP-Vorsitzenden Rösler an. Er schürte damit den
latenten inner-liberalen Machtkampf weiter an, ohne
ihn eindeutig für sich gewinnen zu können. 2011
wechselte Brüderle vom Ministeramt, das der
FDP-Vorsitzende und Brüderle-Rivale Rösler übernahm,
an die FDP-Fraktionsspitze im Bundestag.
In der Vorwahlkampfzeit wurde Brüderle in einem im
Januar 2013 im Magazin „STERN“ erschienenen Artikel
sexistisches Verhalten in Form anzüglicher
Bemerkungen gegenüber einer Journalistin bei einem
gemeinsamen Hotelbar-Besuch vorgeworfen. Der sonst
so redefreudige Brüderle verweigerte zu dem Vorfall
strikt jeden Kommentar. Bei der dem „STERN“-Artikel
folgenden Debatte in den Medien über den
alltäglichen Sexismus wurde Brüderle zum Teil massiv
kritisiert, zum Teil als Opfer einer vermuteten
Anti-FDP-Kampagne des „STERNs“ in Schutz genommen.
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