Antoine de
Saint-Exupéry - der Mann, der mit dem Herzen sah
Kaum ein Zitat, das der Weltliteratur entlehnt ist, hat
so eine Bekanntheit erlangt wie der Satz aus dem 1943
erschienen Buch „Der kleine Prinz“: „Man sieht nur mit
dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen
unsichtbar.“
Mit seiner Romanerzählung hat sich der französische
Schriftsteller und leidenschaftliche Flieger Antoine de
Saint-Exupéry in die Herzen der Erwachsenen geschrieben,
hat ein behütendes Verständnis für Kinder schriftlich
fixiert und hat zudem ein klares Bekenntnis zur
Menschlichkeit abgelegt, wie es in dieser märchenhaften
Form einmalig ist. Die Erzählung „Der kleine Prinz“
wurde weltweit mehr als 80 Millionen Mal verkauft, ein
unglaublicher Rekord, mit dem das Werk die Liste der am
meisten verkauften Bücher anführt. Lediglich das
„Kapital“ von Karl Marx und die Bibel haben höhere
Verkaufszahlen, doch im literarischen Genre ist
Saint-Exupérys Buch seit Jahrzehnten an der Spitze.
Am 29. Juni 1900 wurde Saint-Exupéry in Lyon geboren.
Sein vollständiger Name lautete
Antoine Jean-Baptiste
Marie Roger Graf von Saint-Exupéry. Der Junge wurde als
drittes Kind von insgesamt fünf Geschwistern in
aristokratische Verhältnisse hineingeboren und
verbrachte auf dem elterlichen Besitz, dem Schloss La
Môle im Süden Frankreichs und in Lyon eine glückliche,
wohlbehütete Kindheit, die einen jähen Einbruch erlitt,
als Saint-Exupérys Vater starb. Da war der Junge gerade
vier Jahre alt. Die Erziehung oblag von da an allein der
Mutter. Seit seinem neunten Lebensjahr besuchte
Saint-Exupéry in Le Mans ein Jesuiten-Internat. Als
Vierzehnjähriger kam er in ein Internat in der Nähe von
Villefranche, wo er 1917 sein Abitur machte.
Saint-Exupéry studierte anschließend an der Schule für
Bildende Künste (École des Beaux Arts) in Paris. Die
Aufnahmeprüfung für die École navale hatte er vordem
nicht bestanden, so dass er seinen ursprünglichen
Berufswunsch, Marineoffizier zu werden, nicht
verwirklichen konnte. Sein Studium beendete er ohne
Abschluss. Während seines Wehrdienstes (1921 bis 1923),
den Saint-Exupéry in Straßburg ableistete, durchlief er
eine Ausbildung zum Flugzeugmechaniker. Seine
Pilotenausbildung konnte er allerdings nicht, wie
erhofft, bei der Armee absolvieren, da ihm der
vorbereitende Kurs fehlte. Er nahm privaten
Flugunterricht und wurde dann letztendlich doch Pilot.
Die Familie seiner damaligen Verlobten aus adeligem
Hause war strikt dagegen, dass Saint-Exupéry eine
Offiziers- und Pilotenlaufbahn bei der Luftwaffe
einschlug. Dieser Berufsweg des Bräutigams ihrer Tochter
schien ihnen zu gefährlich. Der künftige Schwiegersohn
fügte sich zunächst. Zur geplanten Hochzeit kam es dann
dennoch nicht. Saint-Exupéry hatte aber seine
Leidenschaft, das Fliegen, nie aufgegeben. Er nutzte
privat jede Gelegenheit dazu und 1923 bekam er
schließlich doch eine Stellung als Pilot für
Touristen-Rundflüge an. Er hatte auch in der
Zwischenzeit Kontakte zu Pariser Autoren geknüpft und
auch selbst das Schreiben als zweite Leidenschaft
gefunden. Seine erste Novelle, „L’Aviateur“ („Der
Flieger“), erschien im Jahr 1925.
In Toulouse, bei der Luftfrachtgesellschaft „Latécoère“,
ergab sich für Saint-Exupéry 1926 eine Anstellung. Nach
einer kurzen Phase, in der er beim Bodenpersonal
arbeitete, wurde er schließlich für die Route von
Toulouse nach Casablanca und wenig später für die Etappe
von Casablanca nach Dakar eingesetzt.
In den Jahren 1927 und 1928 wurde Saint-Exupéry der
Chefposten bei Tarfaya angeboten, in dessen Nähe ein
fast verwaister Flugplatz für Zwischenlandungen
existierte. Der Ort gehörte
zu Spanisch-Marokko, einer
ehemaligen Kolonie. Hier hatte Saint-Exupéry viel Zeit,
seiner schriftstellerischen Arbeit nachzugehen, war aber
auch mit der Rettung beauftragt, wenn Kollegen in der
Wüste notgelandet waren. Seine Rettungsarbeiten war von
so ausgezeichnetem Engagement, dass Saint-Exupéry 1930
mit dem „Chevalier de Légion d’Honneur“ geehrt wurde,
der in Frankreich als höchste Auszeichnung für
Zivilisten vergeben werden kann.
In dieser Zeit auf dem Cabo Juby entstand Saint-Exupérys
Roman „Courrier Sud“ (1928).
Im Jahr 1929 nahm Saint-Exupéry eine leitende Stellung
in Argentinien an, wo er Post- und
Fracht-Luftverkehrslinien einrichtete. Dort lagen auch
die Nachtflüge in seinem Verantwortungsbereich. Hautnah
schilderte er die Erlebnisse, die er bei diesen
gefährlichen Flügen hatte, in seinem Roman „Nachtflug“
(„Vol de nuit“), der 1930 erschien. Dieses Buch hatte
einen durchschlagenden Erfolg und bekam den „Prix femina“,
einen sehr begehrten Buchpreis. „Nachtflug“ war für
Saint-Exupéry der endgültige Durchbruch auf dem
Literaturmarkt.
Nach dem der Flieger und inzwischen auch erfolgreiche
Schriftsteller die junge Witwe Consuelo Suncin Sandoval
(1901-1979), eine Salvadorianerin, kennengelernt hatte,
die selbst Künstlerin in verschiedenen Genres war, hatte
er mit ihr seine große Liebe und auch seine Muse
gefunden. Das Paar heiratete 1931. Saint-Exupéry setzte
seiner Frau ein grandioses Denkmal. In seinem
bedeutendsten Werk, „Der kleine Prinz“, lässt er sie als
„die Rose“ zur zentralen Symbolfigur werden.
Nach der Hochzeit war Exupéry als Streckenpilot und u.
a. auch als Testpilot für Wasserflugzeuge in Westafrika
beschäftigt. Im Jahr 1934 stellte ihn dann die neue,
französische Fluggesellschaft Air France ein. Das Leben
Saint-Exupérys war abwechslungsreich. Er schrieb, er
flog, er war als Werbebeauftragter unterwegs und
unternahm Vortragsreisen, wobei das Fliegen immer die
vordergründigste Leidenschaft für ihn war, die in jeder
seiner Veröffentlichungen eine wesentliche Rolle
spielte. Manches Erlebnis kam einem unglaublichen
Abenteuer nahe. Wenn er in seinem Buch „Der kleine
Prinz“ von einer Notlandung in der Wüste erzählt, dann
konnte Saint-Exupéry auf reale Erfahrungswerte
zurückgreifen, denn im Winter 1935 war er tatsächlich
gezwungen gewesen, in der Wüste (etwa 200km von Kairo
entfernt) notzulanden.
Saint-Exupéry nutzte jede sich bietende Gelegenheit aus,
um seine Gedanken zu Papier zu bringen. !939 erschien
„Die Erde der Menschen“, der in Deutschland unter dem
Titel „Wind, Sand und Sterne“ bekannt wurde. Mit diesem
Sammelband, in dem er neue und ältere Texte
zusammengestellt hatte, traf Saint-Exupéry genau das,
was die Menschen zu jener Zeit bewegte. Da waren
Freundschaft und Kameradschaft, Idealismus und
Menschlichkeit die Themen, die das Buch zu einem
riesigen Erfolg werden ließen. Es wurde nicht nur in
Frankreich verkauft, sondern konnte auch in der
amerikanischen Übersetzung zu einem preisgekrönten
Bestseller werden. In seinem Heimatland bekam es den
„Grand Prix du Roman de l’Académie française“.
Gleich zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde
Saint-Exupéry eingezogen. Anfangs (1939)
noch als
Pilotenausbilder aktiv, wurde er bald einem
Aufklärungsgeschwader zugeteilt, bei dem er selbst als
Pilot zum Einsatz kam. Zum Ende des Jahres 1940 – die
Streitkräfte Frankreichs waren demobilisiert worden -
reiste er in die USA. Die dort lebenden Landsleute, mit
denen er in Kontakt kam, wurden ihm nicht zu Freunden,
da die meisten von ihnen mit der rechtsautoritären
Politik des Marschalls Pétain sympathisierten.
Seine Kriegserlebnisse und Gedanken verarbeitete
Saint-Exupéry in „Pilote de guerre“, einem Werk, das
1942 erschien und unter dem Titel „Flug nach Arras“
später auch in Deutschland auf den Markt kam. In
Frankreich war das Buch unmittelbar nach seiner
Veröffentlichung verboten worden, was nicht weiter
verwunderlich war, denn die Zensur unterlag den
Machtbefugnissen des Marschalls Pétain und dessen
Regime.
In New York erschienen zu Beginn des Jahres 1943 zwei
Texte von Saint-Exupéry. In dem einen – „Lettre à un
otage“ („Brief an eine Geisel“) – versuchte er in einem
nichtrealen Brief an einen Freund, der Jude ist, auf
poetische Weise die Franzosen zum solidarischen
Zusammenhalt aufzurufen, unabhängig davon, wo auf er
Welt sie sich gerade aufhielten. In dem zweiten Text,
der auf märchenhaft-poetische Art die Begegnung zwischen
einem Flieger schildert, der über der Wüste abgestürzt
war und einem kleinen Jungen von einem anderen Stern.
Dieser zweite Text mit dem Titel „Der kleine Prinz“
sollte Saint-Exupéry einen unerschütterlichen Weltruhm
einbringen. Hierin verarbeitete er die Bedrückung, die
er beim Gedanken an das kriegsgeschüttelte Frankreich
empfand, das Unbehagen, das ihm ein so kulturell
andersartiges Land wie Amerika einflößte und schließlich
die Gewissensqualen, die ihn plagten, weil er seine Frau
in Frankreich zurückgelassen hatte, seine „Rose“, die er
literarisch weiterleben ließ.
Saint-Exupéry wurde ab 1943 wieder Luftwaffenpilot. Er
war nach Algerien gegangen, das Land, das inzwischen
unter britisch-amerikanischer Kontrolle stand. Da nach
den langen Flugpausen Saint-Exupérys Flugkünste nicht
mehr zufriedenstellend waren, er sogar eine Bruchlandung
verursachte, wurde er vom aktiven Armeedienst
ausgemustert.
Es blieb ihm die intensive Beschäftigung mit der Technik
neuer Düsentriebwerke und das Schreiben. Aufgrund seiner
schriftstellerischen Berühmtheit schaffte er es, dass
man ihn für zahlreiche Aufklärungsflüge reaktivierte.
Seinen letzten Aufklärungsflug unternahm Saint-Exupéry
am 31. Juli 1944 von Korsika aus zur französischen
Südküste. Von diesem Flug kehrte er nicht zurück.
Vermutlich war er während seines Fluges abgeschossen
worden und ins Meer gestürzt. Er galt seitdem als
verschollen. Sein Sterbedatum wurde auf den Tag seines
letzten Abfluges datiert.