Musikgeschichte der 80er Jahre
Dies war das "Jahrzehnt der
klaren Fronten". Hatten sich früher die
Stilrichtungen oft gegenseitig befruchtet und
ergänzt, so standen nun (möglicherweise analog zum
sich gerade wieder verschärfenden Kalten Krieg) zwei
die aktuelle Entwicklung hauptsächlich bestimmende
"Musikblöcke" fast monolithisch nebeneinander: Pop
(von bedingungslosen Anhängern als schöne und
anspruchsvolle Musik angesehen,
von unversöhnlichen
Gegnern als kommerziell, gekünstelt und gesichtslos
geschmäht) und Metal (von Fans wegen der
instrumentellen Handarbeit sowie der Tatsache, dass
fast alle Bands ihre Stücke selbst verfassten, für
reell und unabhängig erachtet, von Verächtern als
laut, hässlich und überhaupt unerträglich abgetan).
Die Bezeichnung "Pop" etablierte sich endgültig als
Genre-Oberbegriff. Seine Hauptvertreter standen
zunächst meist in der Tradition der dem Umfeld des
Punk entstammenden New Wave. Die Vorarbeit mit
elektronischen Mitteln arbeitender Avantgardisten
wie Kraftwerk,
Brian Eno oder David Bowie trug
besonders in der New Romantic-Szene um Ultra Vox und
Culture Club reiche Frucht. Synthie-Pop-Gruppen wie
Depeche Mode, die Pet Shop Boys oder Erasure wurden
während des gesamten Jahrzehnts zur dominierenden
Kraft im Popbereich. Außerdem gewann die
elektronische Tanzmusik an Bedeutung, die den
bereits abgeklungenen Disco-Trend mit anderen
Mitteln fortsetzte.
Bisher hatte innerhalb der Popmusik eine gewisse
Trennung zwischen Schwarz und Weiß geherrscht. Doch
nach Michael Jacksons epochalem "Thriller"-Album gab
es kein Halten mehr, denn auf dieser Platte waren
alle Grenzen gesprengt. Scheinbar kunterbunt
gemischte Elemente aus Soul, Funk, Synthiepop oder
Hardrock ergaben eine organische Einheit, die
restlos überzeugte. Fortan fand man Tina Turner,
Elton John, Prince, die Eurythmics, Lionel Richie,
Phil Collins oder a-ha meist problemlos im selben
Plattenregal des Fachhandels. Es dauerte nicht
lange, bis die ersten Rapper die Charts stürmten.
Die wahren Erben Karlheinz Stockhausens werkelten
derweil, meist nur von Insidern beachtet, an den
Konzepten House, EBM und Industrial. Neben
reichlichem Elektronikeinsatz stand der Rhythmus
(der Beat) sehr im Vordergrund. Diese Vorarbeit
sollte in den Neunzigern noch reiche Frucht tragen.
Ein gesondertes Popphänomen bildete ab 1980 zwischen
Rhein und Elbe die Neue Deutsche Welle, die schon
während der späten Siebziger im Underground
existierte. Eigentlich dem Punk und New Wave
entstammend, wurde auch diese Sparte bald von
Synthieklängen beherrscht und firmierte als
Deutschpop. Nachdem die Welle jedoch auf Betreiben
diverser Plattenfirmen künstlich "aufgebauscht"
wurde, brach sie um 1985 in sich zusammen.
Das Schicksal der NDW hatte schon vorher den
gesamten sogenannte 77er Punk ereilt, nachdem der
scheinbar grenzenlose Hype um die Sex Pistols
verflogen war. Viele seiner Hauptvertreter hatten
sich der New Wave angeschlossen, so dass die
Fortentwicklung dem Underground vorbehalten war.
Discharge wiesen 1982 mit "Hear Nothing, See Nothing,
Say Nothing" den Weg zum Hardcore Punk. Parallel
dazu entstand in den USA die Hardcore-Szene, die mit
der disziplinierteren Spielweise des Heavy Metal
Klänge mit höherer Durchschlagskraft erzielte. Kurz
darauf entlehnten Metalbands einige Stilmittel des
Hardcore, um ihrerseits höhere Härtegrade zu
erreichen. Nun wetteiferten beide Sparten um das
Privileg, sich als
die Schnellsten und Härtesten
betrachten zu dürfen - auf Hardcore-Seite durch die
Entwicklung des weitaus extremeren Grindcore, im
Metalsektor durch die Eskalation über Speed und
Thrash zum Death Metal. Den Zuschlag erhielt 1989
die Band Terrorizer, die stilistisch beiden
Wettbewerbern gleichermaßen zuzuordnen war. Die
Extremleistungen des "World Downfall"-Albums konnten
auch später nur unwesentlich übertroffen werden.
Im Windschatten dieses Wettbewerbs entfaltete sich -
wie natürlich auch in den Popmusikbereichen abseits
der reinen Tanzmusik - ein reges kreatives
Potenzial. Albumklassiker vom Schlage eines "Master
Of Puppets" von
Metallica, "Ample Destruction"
von Jag
Panzer oder "Awaken The Guardian" von Fates Warning
treiben heute noch vielen Metalheads Freudentränen
in die Augen.
Während der Eiserne Vorhang zu fallen begann, bahnte
sich bereits die Aufhebung der strikten Trennung
zwischen Pop und Metal an.
Faith No More zeigten mit
"The Real Thing", dass diese Verknüpfung doch um
einiges leichter war als eine Vereinigung von Feuer
und Wasser, an die man angesichts (missglückter)
früherer derartiger Versuche unwillkürlich denken
musste. Nicht nur datumsbedingt waren die Achtziger
vorbei.
Werbung