Die Mode des 10. Jahrhunderts

Bevor die Kleidung näher betrachtet werden kann, muss die Zeit, in der sie getragen wurde, umrissen werden. Die Jahre von 900 bis zur nächsten Jahrhundertwende waren zunächst geprägt von dem Zerfall des Reiches Karls des Großen (742-814), der für den deutschen und den französischen Sprachraum als maßgebend gilt, was die geschichtlichen Anfänge dieser Länder anbelangt. Dass er im großen Stil das Reich der Franken durch siegreiche Eroberungen erweitert hatte, ist historisch belegt. Er sah sich als den wahren Verteidiger der Christenheit. Seine Reformen waren nachhaltig gewesen. Neue Bistümer waren entstanden. Die weltliche Macht war eng mit der Kirche verbunden. Karl der Große hatte sich dennoch das Recht vorbehalten, seine Bischöfe selbst zu benennen. Die ihm nachfolgenden Herrscher, die
sachsischen Kaiser und auch die Ottonen – benannt nach Otto I. (912-973) – hatten im 10. Jahrhundert die Machtbefugnisse im Heiligen Römische Reich deutscher Nation. Otto I., der dem Hause der Liudolfinger entstammte, war ab 936 Herzog von Sachsen und König des Ostfrankenreichen. Er regierte ab 951 als König von Italien und ab 962 war er von Papst Johannes XII. (937-964) römisch-deutscher Kaiser. Ein Kaiser war zu jener Zeit ein Reisender. Eine feste Residenz hatte er nicht. Er reiste von einer Pfalz zu nächsten und sah selbst vor Ort, was in seinem Reich geschah. Und umgekehrt sahen seine Untertanen modische Wandlungen. Klöster stellten einen der wichtigsten Faktoren dar, juristisch und regierungsmäßig. Sie waren eine Konstante, die sogar Einfluss auf die Kleidung im weltlichen Bereich hatte. Angelehnt an die priesterliche Tracht war auch Kleidung der Laien von einfacher Art, hatte Merkmale der Mönchsgewandung und wurde zu einem geringen Teil auch in Klöstern hergestellt. Wie in den Jahrhundert zuvor war es ansonsten den Frauen vorbehalten, für die Kleidung zu sorgen, sie in Heimarbeit herzustellen. Von einer Mode im heutigen Sinne war noch keine Rede, aber Einflüsse wurden aufgenommen und spiegelten sich in der Gewandung der Menschen wider. Vor allem die byzantinische Art der textilen Umhüllung wurde neben der Art priesterlicher Gewänder immer mehr zum Vorbild für die Garderobe. Die Kleidung einfacher Leute blieb trotz der Einflüsse schlicht und bequem. Die Herrschenden konnten die prunkvollen Einflüsse aus Byzanz übernehmen, die es teilweise schon in der Zeit von Karl dem Großen gegeben hatte, die dieser aber wegen seiner die Prunksucht ablehnenden Haltung nicht verbreitete. Erst im jenem 10. Jahrhundert, als Otto II. (955-983), der zu den Lebzeiten seines Vaters bereits als Mitkönig und später auch Mitkaiser war, die Nichte des oströmischenbyzantinischen Kaisers Johannes I. Tzimiskes (925-976) ehelichte, konnte der Adel sich an der Pracht aus Byzanz orientieren und sie für sich übernehmen. Die Frauen der oberen Gesellschaftsschicht trugen lange Kleider, die in Höhe der Taille gegürtet waren und letztendlich aus dem einfachen Schnitt der Überwürfe mit einer Aussparung für den Kopf entwickelt wurden. Hierbei waren am Gürtel Verzierungen aus Edelsteinen angebracht, die den gesellschaftlichen Stand betonten. Das Kleid, das meist locker durch einen Faltenwurf war, reichte den Damen bis etwa zur Wadenmitte. Darunter trugen sie ein Untergewand – Casula – das bodenlang war. Die Umhänge, die am Hals geschlossen wurden, hatten edle Verzierungen und Borten. Das konnten wertvolle Fellumrandungen sein oder ein Aufputz aus Brokat, der den Rand in Längsrichtung und am Saum abschloss. Der Schnitt der höfischen Garderobe war auch von einfacher Art, aber die Stoffe der kaiserlich-höfischen Garderobe wurden aus edlem Material gefertigt, das nicht aus heimischen Quellen stammte. Handelsreisende brachten diese Materialien ins Land, wobei diese teuren Stoffe ausschließlich der Oberschicht vorbehalten waren. In sich waren die Stoffe mit Gold- und Purpurfäden durchzogen, die es einmal mehr kostbar aussehen ließ. Für die einfachen Menschen, die Bauern und Leute des niederen Volkes war die Alltagskleidung grob und unauffällig. Hier waren Leinen und Wolle die bevorzugten Materialien. Diese einfache Garderobe hatte nach der Karolingerzeit nicht viele Veränderungen erfahren. Ähnlich einer spätrömischen Tunika, nur etwas enger am Körper anliegend und meist auch gegürtet, war dieser fränkische Leibrock der Hauptbestandteil der Kleidung bei den Männern. Wenn der Leibrock ohne Gürtel getragen wurde, dann war er etwa knielang. Ein Gürtel konnte das Kleidungsstück je nach Gusto und durch eine entsprechende Aufbauschung kürzen. Es gab zwar mehrere Schnittvarianten, aber dennoch blieb das Obergewand sehr einfach. Wesentlich war, dass es über den Kopf angezogen werden konnte. Zu so einem Hemdkittel, der fast immer langärmelig war, hatten sich mittlerweile lange Hosen durchgesetzt, die noch nicht dem heutigen Gebrauch des Wortes entsprachen. Es waren Beinlinge, die mit Binden umwickelt waren. Die Oberschicht hatte auch schon strumpfähnliche Beinbekleidung. Das Ober- und Untergewand der Frauen bestand ebenfalls in seiner Grundform aus der römischen Tunika. Das war vom Schnitt her in den einzelnen Gesellschaftsschichten ähnlich. Meist hatten diese Kleider schmale Ärmel, bei der Oberschicht konnten diese allerdings sehr weit im Handgelenkbereich sein. Die weiten Ärmel hätten eine einfache Frau bei der täglichen Arbeit behindert, wobei erwähnt sei, dass Frauen aus den höheren Ständen ebenfalls Hand- und Näharbeiten verrichteten. Das war durchaus standesgemäß. Einen guten Ruf in Sachen Näharbeit hatten aber vor allem die Frauenklöster. Während sich die Frauen der höfischen Gesellschaft mit prächtigen Mäntelumhängen vor den Witterungen schützten, warfen sich die Landfrauen für solche Gelegenheiten einen Umhang, der zwar ebenfalls am Hals geschlossen werden konnte, aber durchaus nicht mit einer Goldspange oder ähnlichem Zierrat. Manchmal war es auch nur ein einfaches Band oder ein Holzknopf.
Maßgebend für die Kleidung der Menschen waren vor allem die Weisungen der Kirche, die innerhalb ihrer eigenen Hierarchie ja bereits eine Rangliste der Kleidung zu entwickeln begonnen hatte.
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