Die Mode des 14. Jahrhunderts
Die sich über mehrere Jahrhunderte erstreckenden
Kreuzzüge brachten dem Rittertum große Verluste. Mit
der sich entwickelnden Geldwirtschaft vor allem in
den Städten und dem Aufkommen der Söldnerheere
verlor es sowohl seine wirtschaftlichen Grundlagen
als auch seine militärische Bedeutung. Die
Oberschichten der Städte – Kaufleute und Handwerker
– gewannen aus den neuen Handelbeziehungen zu
anderen Städten (z.B. die Hanse) und vor allem mit
dem Orient nicht nur Reichtum, sondern auch geistige
Anregungen. Die reichen Bürger trachteten nun
danach, sich mit entsprechender Kleidung angemessene
Geltung zu verschaffen.
Der im 14. Jahrhundert einsetzende Wandel der
Kleidung war einschneidend. Während ältere und um
ihre Würde bemühte Männer noch bis ins 16.
Jahrhundert den längeren Ärmelrock trugen,
experimentierten jüngere Männer gern mit
kürzeren Kleidungsstücken. Die Landbevölkerung
hielt zunächst auch noch an dem langärmeligen
und gegürteten Hemdrock aus dem Mittelalter
fest.
Die für die Zukunft bedeutsamste Änderung der
Männerkleidung setzte sich ab der Mitte des 14.
Jahrhunderts durch. Der Ärmelrock wurde kürzer
geschnitten und verengte sich. Er konnte nun
nicht mehr über den Kopf gezogen werden. Man
schnitt ihn der Länge nach auf und machte ihn
durch Schnüre oder Knöpfe wieder verschließbar.
Aus dem Surkot entwickelte sich schrittweise
eine kurzschößige Jacke – Jaquette oder Schecke
genannt. Bis 1360 trug man sie hochgeschlossen
und mit einem Stehkragen. Danach bekam die über
der Brust gepolsterte Jacke allmählich einen
breiten Ausschnitt.
Die farbigen Beinlinge, am Unterwams
angenestelt, verlängerten sich entsprechend, wie
sich die Jacke verkürzte. Aus ihnen sollte sich
in den nächsten hundert Jahren die Hose
entwickeln. Männer- und Frauenkleidung konnte
nun eindeutig unterschieden werden. Die
Grundformen der modernen, aus Jacke und Hose
bestehenden Männerkleidung waren gefunden. Eine
Tendenz der Schlankheit griff selbst auf die
Fußbekleidung über, die schmal und spitz geformt
war.
Einige Jahre nach der Männertracht verengten
sich auch die Damengewänder. Diese band man
seitlich in der Taille oder knöpfte sie vorn.
Außerdem prägten sie lange enge Ärmel und ein
breiter Ausschnitt. Im Gegensatz zu den Herren
trugen die Frauen eher längere Gewänder, die
eine Schleppe (das Schwenzlin) erhielten. Der
ärmellose Surkot als Übergewand erlaubte den
Durchblick auf Kleid und Gürtel. Es ging stets
um den Eindruck von Schlankheit und Streckung
des Körpers.
Die Entwicklung der Bekleidung hin zur Verengung
hatte weit reichende Auswirkungen auf die
Entstehung der Mode im eigentlichen Sinne. Ab
jetzt bestimmte nicht mehr die durch den
Webstuhl bedingte Stoffbreite die Grundlage der
Kleidung, sondern sie erhielt ihre Form durch
einen bestimmten Schnitt. Dieser Zuschnitt
ermöglichte erst die Kleidermode im heutigen
Sinne mit ihren vielfältigen und wechselnden
Variationen.
Da die schnittbedingte Verengung der Kleider das
Überziehen erschwerte bzw. unmöglich machte,
mussten neue Kleidverschlüsse gefunden werden.
Neben Bändern und Nesteln (Kordeln mit
Metallspitzen) tauchten nun Knopf und Knopfloch
auf und wurden unentbehrlich für die
körperbetonten Gewänder.
Damit zusammenhängend veränderten sich die
Kleidungsstile ab dem 14. Jahrhundert nun so
schnell und eigenwillig, dass ab da von Mode und
Modewechseln gesprochen wurde. Die Kleidung
wurde gegenüber dem Mittelalter immer bunter und
teilweise extravaganter. Das Aus- und
Zuschneiden der Stoffe schuf zahlreiche neue
Möglichkeiten der Modegestaltung.
Von Frankreich ausgehend breitete sich die
Zattelung der Stoffränder aus. Besonders in der
vornehmen Gesellschaft beiderlei Geschlechts
verbreitete sich ein Auszacken der Mäntel und
Kleider, besonders der zunehmend beliebter
werdenden Flügelärmel, in Zungen- oder
Blätterformen. Selbst die hutartigen Kappen der
Männer wurden mit Hilfe der Zattelung verziert
und machten auf manchen kritischen
zeitgenössischen Beobachter den Eindruck eines
Hahnenkamms.
Da die schnittbedingte Taillierung und Knöpfung
der Männerjacke eine Gürtung überflüssig machte,
entwickelte sich auch der Gürtel allmählich zu
einem schmückenden und die gesellschaftliche
Stellung hervorhebenden Kleidungselement. In
deutschen Territorien bildete sich noch eine
etwas merkwürdige Modeidee heraus: Die
Schellentracht. Sowohl Männer als auch Frauen
schmückten ihre Gewänder zusätzlich mit
Glöckchen, die bei jeder Bewegung klingelten.
Aus dem als Reisekleidung beliebten
Kapuzenmantel verselbständigte sich die Kapuze.
Beliebt wurde die mit einem anknöpfbaren
Schulterkragen, dem Goller, verbundene Gugel (in
Frankreich als chaperon
bezeichnet), die manchmal noch mit lang
gezogener Spitze eine zusätzliche Verzierung
erhielt.
Als eine weitere Modelaune tauchte das mi-parti auf,
die Aufteilung der Kleidung in mindestens zwei
verschiedene Farben. Vermutlich rührte die Anregung
dafür aus der farblichen Wappengestaltung der Ritter
her und wurde nun von den städtischen Oberschichten
begierig aufgegriffen. Das 14. Jahrhundert
kennzeichnete noch ein unaufhörliches Nacheifern der
adligen Modevarianten durch die Städter, egal wie
eigenartig, unbequem und verschwenderisch die für
einen feudalen Lebensstil geschaffenen Moden auch
waren. Dem konnten auch häufig erlassene
Kleiderordnungen keinen Einhalt gebieten, mit denen
sowohl die Standesunterschiede geregelt als auch
einer Verschwendungssucht vorgebeugt werden sollte.
Das lässt den Schluss zu, dass immer mehr Menschen
nicht nur aufmerksam die Modeströmungen verfolgten,
sondern selbst das Geld besaßen, ihren modischen
Vorbildern nachzueifern.
In der Zeit zwischen 1300 und 1399 sahen es immer
mehr Menschen als begehrenswert und attraktiv an,
ihr Erscheinungsbild stetig zu verändern. Das
entsprang einem sich ausprägenden Wunsch nach Neuem
und immer weniger einer Notwendigkeit. Manche
Bekleidung, die aus der Mode kam, begann oft ein
zweites Leben als zeremonielle oder
Berufsbekleidung. Einzelne der damals eingeführten
Kleidungsordnungen für besondere Anlässe führten zu
bis in die Gegenwart reichenden Traditionen. Die
Gewänder, die heute beispielsweise zur Eröffnung der
Sitzungsperiode des britischen Parlaments getragen
werden, reichen von ihren Grundformen und Farben bis
ins Spätmittelalter zurück.
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