DDR Kleidung - Die Kittelschürze
Das typische Bild der Frau
in der DDR verbindet
sich immer noch mit einem modischen
Dauerbrenner. Es ist die Kittelschürze, die bei
jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit
getragen wurde. Sie gehörte zur Basis-Garderobe
der Frauen. Sie wurde von den Arbeiterinnen in
den volkseigenen Betrieben getragen, sie war für
Garten- und Hausarbeit unerlässlich und Frau
konnte sich in ihr auch sehen lassen, wenn sie
schnell einmal zur HO-Kaufhalle ging. Die
Kittelschürze konnte anstelle eines Kleides
getragen oder darüber angezogen werden, um die
„richtige“ Garderobe vor diversen
Verschmutzungen zu bewahren. Sie war in jeder
Hinsicht praktisch. Nur eines war sie nicht:
eine Erfindung der DDR-Modemacher. Im Gegenteil.
Wenn man die Kittelschürze als eine für die
ostdeutsche Frau charakteristische Bekleidung
hält, darüber womöglich noch die Nase rümpft,
sollte man bedenken, dass ihr Ursprung viel
älter ist als die DDR jemals wurde. Ihren
Ursprung hat die Kittelschürze nämlich in
Amerika, wo sie als „hooverette“ bereits nach
dem
Ersten Weltkrieg auftauchte. Sie war ein
sogenanntes Arbeitskleid, das zwei überlappende
Seitenteile
hatte. War eine Seite unansehnlich,
könnte die andere Seite nach vorn sichtbar
getragen werden. Gehalten wurde sie mit einem
Gürtel, der durch die eine oder andere
Stoffseite gezogen werden konnte. Ein gut
durchdachtes Kleidungsstück, das schon damals
Anklang und begeisterte Trägerinnen fand. Nicht
nur in Amerika. Ihren Siegeszug trat die
Kittelschürze sehr schnell an und sie eroberte
die Körper der Frauen modisch gesehen im Sturm.
Sie also als Charakteristikum der DDR-Damen-Mode
zu bezeichnen, entbehrt jeder historischen
Grundlage. In der DDR wurde sie lediglich den
entsprechenden Trage-Bedürfnissen angepasst.
Hierbei war der amerikanische Ursprung
anscheinend unbedenklich. Übrigens trugen auch
die Frauen
in der BRD dieses Schürzenkleid. Was
den alten und neuen, den amerikanischen und
deutschen Modellen zu einem besonderen Vorteil
gereichte, waren ihre klein- und großblumigen
Muster. Die meisten Flecke gingen optisch in
diesem Farb- und Mustergefüge unter.
Die Palette der Kittelschürzen-Modelle war
enorm. Es gab so viele verschiedenen Kreationen,
dass die Auswahl schwer war. Für jeden Geschmack
und für jeden Zweck gab es die richtige. Sie war
unbestritten praktisch, unterstrich zudem eine
zeitgemäße Sparsamkeit im Umgang mit der
restlichen Garderobe und sie war sehr
kostengünstig zu haben. In Geschäften für
Arbeitsbekleidung. Das war gerade so, als ob
sich die Mode selbst von den Kittelschürzen
distanzierte, was deren langer Beliebtheit
allerdings keinen Abbruch tat. Es gab sie in
einer schier unerschöpflichen Farb-, Form- und
Musterauswahl. Entweder hatten sie einen
farblich abgesetzten Kragen oder gar keinen.
Dann bestachen sie mit einem schlichten
Rundhals-
Auschnitt. Es gab sie mit oder ohne
Gürtel. Sie hatten meist eine oder zwei
aufgenähte Taschen. Neben der Farbvielfalt gab
es die Kittelschürze auch einfarbig. Es schien,
als ergösse sich die ganze Kreativität der
Gestalter in diese Kittelschürzen. Und sie
hatten eine unschlagbare Eigenschaft –
vielleicht war diese so typisch für das Land im
Osten Deutschlands: das Material. Vorwiegend
wurden sie aus Nylon gefertigt, der Kunstfaser,
die ab 1959 in der DDR offiziell Dederon genannt
wurde und dem Nylon-Pendant aus dem Westen
entsprach. Dederon konnte leicht bedruckt
werden, war reißfest, leicht waschbar, trocknete
schnell und musste nicht gebügelt werden. Abends
konnte man die Schürze waschen, am nächsten
Morgen konnte Frau sie wieder frisch anziehen.
Das Waschen nach kurzer Zeit war allerdings auch
nötig, denn der Stoff ließ kaum Luft durch und
hätte nach längerer Tragezeit einen
körpereigenen, meist unerfreulichen Geruch
angenommen. Da fast jede erwachsene Frau eine
oder mehrere Kittelschürze in ihrem Besitz
hatte, wirkte sie landesweit wie eine
variantenreiche Uniform. In späteren Jahren
wurde die Kittelschürze dann auch aus anderem,
körperfreundlichen Material hergestellt. So
angeblich typisch sie für die DDR-Frauen war, so
typisch waren eben diese Schürzen auch für die
weiblichen Erwachsenen in der BRD. Sie waren
deutschlandweit unverwüstlich und – sie sind es
heute noch. Kaum ein gut sortiertes Versand-
oder Kaufhaus würde auf diese Bekleidung
verzichten, denn sie waren und sind keine
Ladenhüter. Sie haben die Jahrtausendwende
überstanden und werden immer noch gekauft. In
Ost und West.